X gegen den Bescheid des Bundesministers
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Date:
20 July 1988
IM NAMEN DER REPUBLICK!
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des X
gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1988, Zl. 205.986/6 11/6/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer, ein tschechoslowakischer Staatsangehöriger, reiste am 29. Mai 1984 aus der Bundesrepublik Deutschland kommend legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10. Oktober 1984 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden Asylahtrag, den er wie folgt begründete:
Er habe im Jahr 1968 das Musikkonservatorium mit Matura und im Jahr 1972 die Musikfortbildungsschule abgeschlossen. Danach sei er durchgehend als Musiklehrer, Geiger und Konzertmeister tätig gewesen. In den Jahren von 1982 bis 1984 sei er als Geiger im Orchester in Baden-Baden/BRD engagiert gewesen. Seinen Urlaub habe er immer in der CSSR verbracht, die Ein - und Ausreisen seien ohne Probleme erfolgt.
Auch im März 1984 habe er seinen Urlaub in der CSSR verbracht. Am 21. März 1984 habe er wieder in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen wollen. Bei der Durchsuchung im Rahmen der Zollkontrolle habe der Beamte beanstandet, daß der Beschwerdeführer verschiedene Dokumente mit sich geführt habe, mit denen man das tschechoslowakische Staatsgebiet nicht verlassen dürfte. Es habe sich dabei um die Geburtsurkunde, eine Namensänderungsurkunde, das Maturazeugnis und die Absolutoriumsurkunde des Konservatoriums in gehandelt. Diese Dokumente seien deshalb gemeinsam mit seinem Reisepaß beschlagnahmt und er selbst sei verhört worden. Da seine Angaben nicht ausführlich genug gewesen seien, sei angeordnet worden, daß er nach zurückkehren und die Ankunft nicht näher bezeichneter Organe abzuwarten habe. Am nächsten Tag sei er von einem Geheimpolizisten abgeholt und bis zum 24. März 1984 mehreren Verhören ausgesetzt gewesen. Er sei am nächsten Tag ins Gefängnis nach gebracht und zwei Tage lang festgehal ten worden. Vor seiner Entlassung habe man ihn aufgefordert, für den Staatssicherheitsdienst zu arbeiten. Aus Angst, bei einer Weigerung geschlagen zu werden, habe er sich schriftlich zur Zusammenarbeit bereit erklärt. Er habe zusagen müssen seine Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht für einen Asylantrag zu "mißbrauchen". Am 26. März 1984 habe er sich mit dem "Leiter der ganzen Aktion" getroffen, der ihm die beschlagnahmten Dokumente zum Teil rückerstattet habe. Erst am 28. März 1984 sei ihm nach "weiteren Schikanen" durch die Zollbeamten die Ausreise ermöglicht worden. Man habe ihn gezwungen, über bestimmte, aus der CSSR stammende, Bürger in der Bundesrepublik Deutschland auszusagen. Da er aber kategorisch gegen den Dienst für die CSSR oder für andere Staaten des Ostblocks eingestellt und auch nicht bereit sei, als Nachrichtenagent zu arbeiten, habe-er eingesehen, daß es für ihn keinen anderen Weg gebet als einen Asylantrag zu stellen und in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem anderen westlichen Land zu bleiben.
Der Beschwerdeführer habe nicht der kommunistischen Partei angehört, sich auch niemals politisch betätigt und sei auch keinen konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Lediglich in der Zeit, in der er als Musiklehrer tätig gewesen sei, habe er die vorgeschriebenen politischen Kurse besucht.
Er habe sich deshalb nicht entschließen können, in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag zu stellen, weil er dort verschiedene negative Erlebnisse gehabt habe und deshalb nicht dort habe bleiben wollen. Ende Mai 1984 sei sein Vertrag mit dem Orchester in Baden-Baden abgelaufen. Er habe sich auch nicht gleich entschließen können, in Österreich Asylantrag zu stellen, weil man sich einen solchen Schritt reiflich überlegen müsse. Er habe schon in der Bundesrepublik Deutschland "schlechte Erfahrungen" gesammelt und sei bei seiner Ausreise aus der CSSR noch nicht entschlossen gewesen, im Ausland zu bleiben. Da er nicht wisse, was ihn bei seiner Rückkehr in die CSSR erwarte, habe er sich nunmehr doch entschlossen, im Ausland zu bleiben.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. Jänner 1985 wurde gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufent-haltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne-der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes und daher gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. auch nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.
Dagegen berief der Beschwerdeführer und führte im wesentlichen aus, daß für ihn der Flüchtlingsstatus sehr wichtig sei, weil er in Österreich eine dauernde Beschäftigung gefunden habe. Er habe keine Möglichkeit, wieder in seine-Heimat zurückzukehren.
Am 30. März 1987 legte der Beschwerdeführer im Nachhang zur Berufung ein Urteil des Bezirksgiärichtes in vom 28. März 1985 vor, dem zu entnehmen ist, daß er wegen der Straftat des Verlassens der Republik gemäß § 109 Abs. 2 des Tschechoslowakischen Strafgestzes zu einer unbedingten Frei heitsstrafe verurteilt wurde. Er legte des weiteren ein Urteil des Kreisgerichtes vom 30. Mai 1985 vor, dem zu entnehmen ist, daß auf Grund einer Berufung des Bezirksprokurators in das Urteil des Bezirksgerichtes ergänzt wurde, indem dem seschwerdeführer zusätzlich die Strafe des Vermögensverfalls auferlegt worden ist.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefachtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Sie begründete dies nach Darstellung des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer Verfolgungen im Sinne der Konvention nicht habe glaubhaft machen können. Er habe vielmehr bei seiner niederschriftlichen Befragung am 22. Oktober 1984 ausdrücklich angegeben, in der CSSR keinen Verfolgungen ausgesetzt gewesen zu sein und auch in seiner Berufung keinerlei konkrete Verfolgungshandlungen genannt. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Verlassens der Republik könne nicht als Verfolgung im Sinne der Konvention gewertet werden. Die behauptete regimekritische Einstellung des Beschwerdeführers habe sich nach außen hin nicht manifestiert. Da es dem Beschwerdeführer ermöglicht worden sei, ein Engagement in einem westlichen Staat anzunehmen, sei zu erkennen, daß er sich in der CSSR regimekonform und unauffällig verhalten habe. Schließlich gelangte die belangte Behörde auch zur Ansicht, daß der Beschwerdeführer, wenn er tatsächlich Verfolgungen ausgesetzt gewesen wäre, einen Asylantrag sicherlich unmittelbar nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland gestellt hätte. Auch daß der Beschwerdeführer in Österreich erst nach fünf Monaten einen Asylantrag gestellt habe, mache Verfolgungen unglaubwürdig. Das Amt des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung des Asylantrages zugestimmt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwagen:
Gemäß § 1 Asylgesetz ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt.
Daß in bezug auf die Person des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z. 1 der Flüchtlingskonvention erfüllt seien, hat weder der Beschwerdeführer behauptet, noch sind im Zuge des Verfahrens Tatsachen hervorgekommen, die in eine solche Richtung wiesen. Da die belangte Behörde auch nicht Ausschließungsgründe nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, hatte der Verwaltungsgerichtshaf nur zu prüfen, ob sich die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aus-Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention ableiten läßt. Damit eine Person als Flüchtling im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden kann, ist unter anderem Voraussetzung, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, daß er zu dem von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung gebrauchten Argument, er habe den behaupteten Vorfall der Nötigung zu geheimdienstlicher Tätigkeit nicht sofort bei seiner Einreise in ein westliches Land den zuständigen Behörden bekanntgegeben, nicht gehört worden sei. Bei einer diesbezüglichen Befragung hätte er nämlich darlegen können, daß er den besagten Vorfall sehr wohl sogleich dem Landeskriminalamt Baden-Würtemberg in Stuttgart gemeldet habe. Dazu ist zu sagen, daß es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann, ob der Beschwerdeführer tatsächlich,den von ihm behaupteten Vorfall der Nötigung zu nachrichtendienstlicher Tätigkeit den bundesdeutschen Sicherheitsbehörden gemeldet hat oder nicht. Denn die von der belangten Behörde in der Hauptsache unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt keinen und in Österreich einen Asylantrag erst fünf Monate nach seiner Ein reise gestellt hat, vorgenommene Beweiswürdigung kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht als unschlüssig erkannt werden kann. Dazu kommt, daß auch bei Feststellung des Versehens der Behörden des Heimatstaates des Beschwerdeführers, ihn zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit zu bewegen, die belangte Behörde zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können, weil allein die Tatsache, daß Behörden des Heimatstaates eines Asylwerbers, versuchen, diesen für nachrichtendienstliche Tätigkeiten anzuwerben, noch keinen Grund für die Annahme von Verfolgungen im Sinne der Flüchtlingskonvention darstellt (vgl. das zu einem diesbezüglich ähnlich gelagerten Fall ergangene hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0274).
Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides legt der Beschwerdeführer dar, daß die Schwierigkeiten die man ihm im März 1984 im Zuge seines Versuches, aus der CSSR in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen, gemacht habe, als konkrete Verfolgungshandlungen zu werten gewesen wären. Es sei gegen seine Menschenrechte verstoßen worden. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren diese Schwierigkeiten selbst dadurch ausgelöst hat, daß er bei seiner Ausreise Dokumente mit sich geführt hat, mit denen man die CSSR nicht verlassen darf. Dies ist, weil es in der CSSR einen gerichtlich strafbaren Tatbestand der Republikflucht gibt, auch einleuchtend und stellt somit die en den Beschwerdeführer durchgeführte - teilweise auch mit Haft verbundene - Untersuchung, bis 28. März 1984 dauerte, noch keine Verfolgungshandlung aus einem der in der Genfer Konvention genannten Gründe dar. Nicht unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, daß der Beschwerdeführer letztendlich nach Rückgabe seiner Dokumente ausreisen durfte. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ferner behauptete Furcht vor körperlicher Gewalt wurde von ihm mit keinem Wart kankretisiert, er behauptet auch nicht einmal jetzt vor dem Verwaltungsgerichtshof, daß er in dieser Richtung etwa von der tschechischen Geheimpolizei im Zuge der Vernehmungen bedroht worden wäre.
Ins Leere geht auch die Behauptung der Beschwerde, es könne aus der Teilnahme des Bäschwerdeführers an politischen Schulungen kein regimekonformes Verhalten abgeleitet werden. Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung, daß jemand, der in einem kommunistischen System lebt und an angeordneten politischen Schulungen teilnimmt, sich jedenfalls äußerlich regimekonform benimmt. Die belangte Behörde hat diesen Umstand in ihren Erwägungen ohne Rechtsirrtum berücksichtigt.
Insoweit die Beschwerde ins Treffen führt, die Weigerung des Beschwerdeführers, die geforderte nachrichtendienstliche Tätigkeit zu leisten, aber auch die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Verlassens der CSSR ließen Verfolgungshandlungen gegen ihn befürchten, ist darauf hinzuweisen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshaf beide Umstände nicht geeignet sind, Verfölgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention darzustellen (vgl. dazu das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0274, und das hg. Erkenntnis vom 11. November 1987, Zl. 87/01/0136; auf beide wird unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit Art. 14 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen).
Zuletzt versagt auch der Hinweis in der Beschwerde darauf, daß der Beschwerdeführer sich die Stellung eines Asylantrages längere Zeit habe überlegen müssen und daß er vor allem eine Einweisung in ein Flüchtlingslager habe vermeiden wollen. Gerade das Unterbleiben eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland - wo der Beschwerdeführer immerhin zwei Jahre lang berufstätig war und gelebt hat - und das Zuwarten des Beschwerdeführers mit seinem Asyiantrag in Österreich über einen längeren Zeitraum hinweg zeigen die - im Einklang mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Befragung stehende - Richtigkeit der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei in der CSSR keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention ausgesetzt gewesen. Die belangte Behörde hat daher ihren Bescheid mit der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit nicht belastet.
Da dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde erkennbar war, war diese in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 VwGG).
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