Georg K in I gegen das Bundesminisrerium für Inneres betreffend Ausstellung von Flüchtlings-dokumenten.

"Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen."

Aus den Entscheidungsgründen: Der Bf ist italienischer Staatsbürger, in Südtirol geboren und deutscher Abstammung. Er spielte in der Südtiroler Widerstandsbewegung eine nicht unbedeutende Rolle und floh im Jahre 1961 nach Österreich, um sich dem Zugriff der italienischen Behörden zu entziehen. In Österreich wurde er wegen Verbrechens nach dem Sprengstoffgesetz und wegen Übertretung nach dem Waffengesetz 1967 zu einer mehrmonatigen Kerkerstrafe verurteilt. Das Gericht nahm als erwiesen an, daß er im Jahre 1968 an zwei Sprengstoffanschlägen in Südtirol mitgewirkt habe. Der Bf stellte den Antrag, ihm gemäß Art 27 und 28 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1955/55 (FlKonv), Identitätspapiere, wie sie für Konventionsflüchtlinde vorgesehen sind und in Österreich an solche ausgestellt werden, bzw Reisedokumente, wie sie für Konventionsflüchtlinge vorgesehen sind und in Österreich als solche. ausgestellt werden, auszustellen. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Berufung gegen den abweisenden Bescheid der Unterinstanz nicht Folge gegeben. Zur. Begründung wurde angeführt, daß die vom Bf verlangten Dokumente nur an Flüchtlinge i S der genannten Konvention ausgestellt werden könnten, der Bf aber im Hinblick auf die Bestimmung des Art 1 F lit c dieser Konvention für sich nicht die Rechtsstellung eines Flüchtlings in Anspruch nehmen könne. Nach dieser Vorschrift seien nämlich die Bestimmungen der Konvention auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, daß sie sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen (UN) richten. Sowohl im Art 1 Z 1 als auch im Art 2 Z 3 der Satzung der UN sei darauf hingewiesen, daß internationale Streitfälle mit friedlichen Mitteln geregelt werden sollen. Unter Bedachtnahme auf die erwähnten Ziele und Grundsätze der UN sowie auf eine diesbezügliche Resolution müsse jede Handlung, durch die der Streit zwischen Österreich und Italien über die Situation der deutsch sprechenden Bevölkerung in Südtirol beeinflußt werden sollte, als mit den Zielen und Grundsätzen der UN im Widerspruch stehend gewertet werden, wenn sich diese Handlung des Mittels der Gewalt bediene.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Art 1 F lit c FIKonv sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, daß sie sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der UN richten. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem E v 16. 12. 1969, Z 876/69, aus dieser Bestimmung das Erfordernis abgeleitet, das Verhalten individueller Personen an den Grundsätzen zu messen, die an sich für Völkerrechtssubjekte aufgestellt worden sind. Daß sich bei einem solchen Unterfangen Schwierigkeiten ergeben, liegt auf der Hand. Sind doch die Rechtsstellung der Völkerrechtssubjekte und deren Beziehungen zueinander in vielen Belangen anders als diejenigen der physischen Personen und ihr Verhalten zum eigenen Staat. Es ist daher bei der analogen Anwendung der in der Satzung der UN grundgelegten Ziele und Prinzipien auf Einzelpersonen besondere Vorsicht geboten, und es wird eine sinnvolle Entscheidung jeweils nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände möglich sein.

Entscheidend dafür, ob die Handlung einer physischen Person unter Art 1 F lit c FIKonv fällt oder nicht, kann nur der Umstand sein, ob sie darauf gerichtet und obiektiv geeignet ist, die durch die Satzung der UN postulierte Friedensordnung unter den Völkerrechtssubjekten zu verhindern oder zu stören. Nur in diesem Sinne kann gesagt werden, daß die Tat in Zusammenhang mit dem Völkerrecht und mit den internationalen Beziehungen der Staaten stehen muß. Daß diese Voraussetzung bei Personen, die vermöge ihrer Stellung die Aktionen eines Staates unmittelbar oder mittelbar zu bestimmen in der Lage sind, leichter zutreffen werden, liegt in der Natur der Sache; das Zutreffen dieser Voraussetzung ist aber, wie der frühere und der gegenwärtige Beschwerdefall zeigen, auch bei anderen Personen durchaus nicht ausgeschlossen.

Im gegenständlichen Beschwerdefall ist strittig, ob die Behörde auf dem Boden des Gesetzes steht, wenn sie die beiden dem Bf als Mittäter zur Last fallenden Sprengstoffanschläge, die im Jahre 1968 in Südtirol verübt worden sind, als Handlungen beurteilt hat, die mit den Zielen und Prinzipien der UN im Widerspruch stehen. Gemäß Art 1 Z 1 der Satzung gehört es zu den Zielen der UN, die Ordnung und Regelung internationaler Streitfälle oder solcher Situationen, die zu einem Friedensbruch führen können, durch friedliche Mittel und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechtes zu erzielen. In Verfolgung dieses Zieles sollen alle Mitglieder gemäß Art 2 Z 3 der Satzung ihre internationalen Streitfälle mit friedlichen Mitteln auf solche Weise regeln, daß der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Österreich und Italien über die Durchführung des Pariser Abkommens v 5. 9. 1946 über die der deutsch sprechenden Bevölkerung Südtirols zu gewährenden Autonomierechte haben zu einem internationalen Streitfall geführt, der in der Resolution der Generalversammlung der UN v 31. 10. 1960 ausdrücklich als bestehend festgestellt wurde und der nach eben dieser Resolution ausschließlich mit friedlichen Mitteln, insbesondere durch Verhandlungen, beigelegt werden sollte. Im Zeitpunkt der dem Bf angelasteten strafbaren Handlungen waren bereits erfolgversprechende Verhandlungen zwischen den beteiligten Regierungen angebahnt worden, die zur Vereinbarung des sogenannten Paketes führten.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, die dem Bf zugeschriebenen Gewalthandlungen hätten sich nur gegen Italien, sohin gegen denjenigen Staat gerichtet, dessen Bürger er ist, und sie entbehrten demnach jeder internationalen Problematik, so kann dieser Meinung nicht gefolgt werden. Daß nämlich diese Sprengstoff-anschläge negative Auswirkungen auf die Verhandlungen und damit auf die friedliche Regelung des internationalen Streitfalles nach sich ziehen konnten, mußte auch dem Bf bewußt sein.

Soweit in seinen Ausführungen die in Rede stehenden Sprengstoffanschläge als dem Gemeinwohl der Südtiroler Volksgruppe im damaligen Zeitpunkt dienende Handlungen und damit als nicht verpönte Gewalt bezeichnet werden, wird verkannt, daß der in der Präambel der Satzung der UN ausdrücklich gemachte Vorbehalt,, daß Waffengewalt nicht zur Anwendung komme, es sei denn im Interesse des Gemeinwohles" nicht in dem weiten Sinne des Bf ausgelegt werden kann. Wie sich nämlich aus dem Sinn und Zweck der Satzung und vor allem aus deren Kapitel VII ergibt, ist unter der Anwendung von Waffengewalt im Interesse des Gemeinwohles neben dem im Art 51 anerkannten Recht auf Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff vor allem der Fall zu verstehen, daß der Sicherheitsrat bei Bedrohung des Friedens, bei Friedensbrüchen und Angriffshandlungen i S der Art 42 ff Operationen durch Luft-, See- oder Landstreitkräfte durchführt, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nötig sind.

Wenn der Bf meint, die Sprengstoffanschläge hätten den Zielen der UN insofern gedient, als sie den Menschenrechten und Grundfreiheiten der Südtiroler Bevölkerung zum Durchbruch verhelfen sollten, so kann ihm auch hierin nicht gefolgt werden. Es ist vielmehr auf jenen Teil der Begründung des gegen den Bf ergangenen Strafurteils zu verweisen, der sich mit dem Recht auf Selbstbestimmung und mit dem Recht zum. Widerstand gegen eine Unrechtsherrschaft befaßt. Darnach ist ein Widerstandsrecht nur als äußerstes Mittel nach Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten und in Fällen offenkundigen äußersten staatlichen Unrechtes anzuerkennen, und es darf sich dieser Widerstand nur gegen die Urheber des staatlichen Unrechtes selbst, aber nicht gegen Unbeteiligte richten. Die Lage der Südtiroler war aber, wie ebenfalls im Strafurteil festgestellt worden ist, im Zeitpunkt der zur Beurteilung gestandenen Spreng-stoffanschläge nicht mehr derart, daß ihr Bestand in einer solchen Weise bedroht gewesen wäre, daß Sprengstoffanschläge als angemessenes Mittel zur Abwehr dieser Gefahr angesehen werden konnten. Auch die Satzung der UN enthält keine Bestimmung, der entnommen werden könnte, daß ein über dieses nach strafrechtlichen Grundsätzen erlaubtes Widerstandsrecht hinausgehendes Widerstandsrecht mit den Zielen und Prinzipien der UN vereinbar wäre.

Es sind daher die Gewaltakte, die der Bf zu verantworten hat, nicht als durch die Ziele und Prinzipien der UN gerechtfertigt anzusehen, vielmehr stehen sie mit diesen in Widerspruch

Disclaimer:

This is not a UNHCR publication. UNHCR is not responsible for, nor does it necessarily endorse, its content. Any views expressed are solely those of the author or publisher and do not necessarily reflect those of UNHCR, the United Nations or its Member States.