1. Verfassung

1.1. Staatsname

Der offizielle Staatsname „Republik Mazedonien" (Republika Makedonija) wird wegen Einsprüchen Griechenlands gegenwärtig international nicht anerkannt. Im Sinne eines vorläufigen Kompromisses mit Griechenland wurde Mazedonien daher unter dem provisorischen Namen „Frühere jugoslawische Republik Mazedonien" am 8. April 1993 in die UNO aufgenommen.

1.2. Staatssymbol und Staatswappen

Staatssymbol bildete bis vor kurzem eine rote Flagge mit einer Sonne von sechzehn goldenen Strahlen in der Mitte. Die „Sonne von Vergina" gilt als Symbol der antiken mazedonischen Dynastie. Um den Streit mit Griechenland über die Verwendung dieses Symbols beizulegen, hat das mazedonische Parlament am 5. Oktober 1995 einer Abänderung der mazedonischen Flagge zugestimmt. Auf die Abbildung der Sonne von Vergina wird verzichtet, statt dessen die stilisierte Form einer gelben Sonne auf rotem Hintergrund verwendet.

1.3. Staatsform

Die Verfassung vom 20. November 1991 definiert Mazedonien als souveräne, unabhängige und demokratische Republik. Die Grundwerte des Staates sind Rechtsstaatlichkeit, politischer Pluralismus, allgemeines Wahlrecht, lokale Selbstverwaltung, Marktwirtschaft, Menschenrechte nach westlichem Muster und Schutz der nationalen Minderheiten. Die Staatsgewalt ist aufgeteilt in Legislative, Exekutive und Judikative. Die Legislative zählt 120 - 140 Mitglieder. Sie ernennt den Staatspräsidenten, welcher seinerseits den Regierungschef bezeichnet.

2. Soziales und Kultur

2.1. Bevölkerung

In Mazedonien leben rund 2,075 Millionen Einwohner auf einer Fläche von 25'713 km². Die Hauptstadt Skopje hat 563'301 Einwohner. Weitere grosse Städte sind Tetovo mit 170'000, Bitola mit 138'000, Kumanovo mit 126'000 und Gostivar mit 101'000 Einwohnern. In den vergangenen Jahrzehnten fand eine deutliche Urbanisierung statt, die sich erst in jüngster Zeit abzuschwächen scheint. Mazedonien ist ein Vielvölkerstaat. Gemäss der Volkszählung von Juni/Juli 1994 bezeichnen sich 66,5% der Bevölkerung als slawische Mazedonier, 22,9% als Albaner, 4% als Türken, 2,3% als Sinti und Roma, 2% als Serben und 0,4% als Wallachen. 35'000 Personen figurieren unter der Rubrik „Übrige". Wegen ungeklärter Staatsbürgerschaft werden rund 120'000 Personen - mehrheitlich Albaner - in der Statistik nicht berücksichtigt.

2.2. Sprache

Amtssprache ist mazedonisch. In Gebieten mit einer beträchtlichen Anzahl Nicht-Mazedonier kann eine zweite Sprache hinzukommen. Strittig ist allerdings, was als „beträchtlich" gilt. Die Albaner forderten bisher vergeblich die Anerkennung ihrer Sprache als zweite Amtssprache. Auch im neuen, vom Parlament im Oktober 1995 verabschiedeten Gesetz über den offiziellen Gebrauch der Sprachen, bleibt diese Forderung unberücksichtigt. Minderheitensprachen sind albanisch, türkisch und serbisch. Die Minderheiten haben das Recht ihre Sprache zu sprechen, Publikationen in ihrer Sprache herzustellen und zu vertreiben sowie muttersprachliche Privatschulen zu gründen. Während die Minderheiten in der Regel auch mazedonisch sprechen, verstehen die Mazedonier die Minderheitensprachen nicht.

2.3. Religion

Die meisten ethnischen Mazedonier (ca. 1 Mio.) gehören der mazedonisch-orthodoxen Kirche an, die seit 1967 autokephal, d.h. unabhängig ist, jedoch von anderen orthodoxen Kirchen nicht anerkannt wird. Die serbischen, bulgarischen und griechischen Minderheiten gehören ihrer eigenen orthodoxen Kirche an. Zweite grosse Religionsgruppe sind die Albaner, mehrheitlich Sunniten. Zum Islam gehören auch die rund 90'000 Türken und 40'000 slawischen Muslime. Schliesslich gibt es eine kleine Gruppe von Katholiken und Juden.

2.4. Schul- und Bildungswesen

Die Grundschule dauert acht Jahre und ist obligatorisch für alle Kinder zwischen sieben und 15 Jahren. Mazedonien verfügte 1990/91 über 1'063 Grundschulen mit 268'963 Schülern und 12'987 Lehrern. Die Verfassung garantiert den verschiedenen Nationalitäten das Recht auf Unterricht in ihrer Muttersprache. Es gibt sowohl albanisch als auch serbisch unterrichtende Schulen. Etwa 73'000 albanische Kinder besuchen die Grundschule in albanischer Sprache. An die Grundschule schliesst sich die fakultative vierjährige Mittelschule an. Mazedonien verfügt über 90 Mittelschulen bzw. Gymnasien mit 74'886 Schülern und 4'200 Lehrern. Es gibt nur wenige albanischsprachige Mittelschulen. In den weiterführenden Schulen und Hochschulen sind die Albaner und insbesondere Albanerinnen unterrepräsentiert. Universitäten finden sich in Skopje und Bitola. Daneben gibt es noch drei weitere Hochschuleinrichtungen. 1990/91 waren 1'567 Studenten eingeschrieben. Die Zahl der Lehrkräfte betrug 96. An den Universitäten und Hochschulen findet der Unterricht fast ausschliesslich auf mazedonisch statt. Im Dezember 1994 wurde in Tetovo trotz eines behördlichen Verbots eine albanischsprachige Universität eröffnet. Im Februar 1995 spitzten sich die Spannungen zu, als die Polizei die Aufnahme des Lehrbetriebs verhinderte und in Zusammenstössen zwischen Polizeikräften und albanischen Demonstranten ein Albaner getötet und 28 Personen verletzt wurden. Der Rektor der Universität wurde festgenommen und im Mai 1995 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, einen Monat später aber gegen Kaution aus der Haft entlassen. Seither wird der Universitätsbetrieb auf verschiedene Privathäuser verteilt, fortgeführt und von den mazedonischen Behörden stillschweigend geduldet. Es sind bereits 1'300 Studenten und Studentinnen eingeschrieben. In der Zwischenzeit hat die Regierung in Skopje eine albanische Fakultät für die Lehrerausbildung eröffnet. Im Oktober 1995 hat das Parlament - ohne Zustimmung der albanischen Abgeordneten - ein Hochschulgesetz verabschiedet, welches mazedonisch als Unterrichtssprache festschreibt und private Universitäten in albanischer Sprache verbietet. Das Gesetz ist unterdessen schubladisiert worden, nachdem die Albaner gedroht hatten, aus der Regierung auszutreten.

2.5. Medizinische Infrastruktur

In jugoslawischer Zeit verfügte Mazedonien über ein ausgezeichnetes Gesundheitswesen mit gut ausgebildetem medizinischem Personal und einem umfassenden Versorgungssystem. 1991/92 kam es jedoch als Folge des Zusammenbruchs Jugoslawiens zu ernsthaften Versorgungsengpässen bei Medikamenten und Ausrüstungen. Dank umfangreicher Hilfe der Europäischen Union konnte mittlerweile der Bedarf an Medikamenten abgedeckt werden. Lücken gibt es noch bei Apparaturen und medizinischer Spezialausrüstung, die häufig veraltet und teilweise schlecht gewartet sind. 1992 gab es in Mazedonien einen Arzt auf 454 Einwohner und einen Zahnarzt auf 1'819 Einwohner. 1990 waren 11'804 Betten in Krankenhäusern und -stationen vorhanden, davon allein in Skopje 4'469. Der Bevölkerung steht ein relativ breit abgedecktes Angebot an Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. In allen wichtigeren Städten (Skopje, Tetovo, Bitola, Gostivar, Ohrid, Prilep, Tito Veles, Kumanovo, Struga etc.) gibt es grössere Krankenhäuser, die in der Regel eine Innere Medizin, eine Chirurgie, eine Pädiatrie und eine Maternité umfassen und bis zu 100 Krankenbetten aufweisen. Auch in kleineren Bezirksstädten (Negotino, Kavadarci, Gevgelija, Strumica, Stip, Resen etc.) finden sich Krankenhäuser, die in kleinerem Rahmen ähnlich ausgerüstet sind. Hinzu kommen Sanitätsposten auf dem Lande. 1993 hat die mazedonische Regierung mit der Privatisierung des Gesundheitswesens begonnen. Es werden Lizenzen an Privatärzte ausgestellt und eigene Kliniken und Praxen eröffnet. Insgesamt ist die medizinische Grundversorgung in Mazedonien gewährleistet. Die üblichen medizinischen Untersuchungen wie Ultraschall, Röntgen, Pulmologie, Kardiologie, Nephrologie, Pädiatrie, Rehabilitation etc. können problemlos - wenn auch nicht im ganzen Land - durchgeführt werden. Komplizierte Operationen mit notwendiger postoperativer Betreuung können jedoch nur teilweise garantiert werden. Auch sind noch nicht alle Krankenstationen mit den Einrichtungen für moderne medizinische Behandlungen ausgerüstet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Frage nach den finanziellen Möglichkeiten einer erkrankten Person. Obwohl Krankenpflege und Heilungsprozess in Mazedonien eigentlich gratis wären, müssen Patienten und Verwandte fast ausnahmslos mit Folgekosten rechnen. Die Ärzte verlangen Geld für Medikamente und oft auch ein Trinkgeld für ihre Dienste, um ihr mageres staatliches Monatssalär aufzubessern. Die wirtschaftlich schlechte Lage des Landes schlägt sich auch auf die Aufnahmebedingungen in ein Spital nieder. Oft findet nur Aufnahme, wer die richtigen Leute besticht.

3. Frau und Familie

Die Verfassung Mazedoniens garantiert den Frauen die gleichen Rechte wie den Männern. In Realität ist die mazedonische Gesellschaft allerdings patriarchalisch geprägt. Mehrheitlich wird in Mazedonien nach wie vor die traditionelle Frauenrolle gelebt, was insbesondere auf die muslimischen Familien (vor allem Albaner und Roma) zutrifft. Entsprechend gering ist der Frauenanteil auch in höheren Bildungsanstalten. Auffallend ist hier besonders die niedrige Präsenz albanischer Frauen. Insgesamt haben sich nur einige wenige berufstätige Frauen zu etablieren vermocht und einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt. Im Parlament sind gegenwärtig vier Frauen vertreten. 1993 haben sich einige Frauen in Unterstützungskomitees und in Organisationen zur Verteidigung der Rechte von Frauen zusammengeschlossen, beispielsweise zur „Vereinigung mazedonischer Frauen" und zur „Liga albanischer Frauen in Mazedonien". Über Gewaltanwendung gegenüber Frauen - auch im familiären Bereich -liegen kaum Angaben vor. 1994 wurde in Skopje ein Nothilfetelefon für Frauen installiert. Die Scheidungsrate ist in Mazedonien sehr niedrig. 1988 betrug der Anteil geschiedener Ehen 860, gegenüber 16'000 neu geschlossener Ehen.

4. Medien

4.1. Nachrichtenagenturen

In Skopje ist eine Nachrichtenagentur mit dem Namen Makfaks tätig.

4.2. Zeitungen und Zeitschriften

Es existieren mehrere unabhängige Zeitungen in Mazedonien, darunter auch albanisch- und türkischsprachige. Die bedeutendsten Zeitungen sind:

– Birlik: Türkischsprachige Zeitung. Auflage unbekannt.

– Flaka e Vellazerimit: Albanischsprachige Zeitung. Auflage ca. 8'000.

– Nova Makedonija: Mazedonischsprachige Tageszeitung. Auflage ca. 25'000.

– Vecer: Mazedonischsprachige Tageszeitung. Auflage ca. 29'200.

4.3. Radio

Die staatliche Radio- und Fernsehanstalt heisst Radiotelevizija Skopje. Sie verfügt über drei Radio- und zwei Fernsehsender. Das Radio sendet täglich ein sechsstündiges Programm in Albanisch, ein viereinhalbstündiges Programm in Türkisch und am Freitag je 90 Minuten in Romani und Vlachisch. Von den Gemeinden werden 29 Lokalradios betrieben. Davon sendet rund ein Drittel ebenfalls Programme in den Minderheitensprachen. Daneben gibt es noch über vierzig private Radiosender.

4.4. Fernsehen

Die staatliche Radio- und Fernsehanstalt heisst Radiotelevizija Skopje. Sie verfügt über drei Radio- und zwei Fernsehsender. Der zweite TV-Kanal sendet täglich ein zweistündiges Programm in den Sprachen der nationalen Minderheiten. Schliesslich gibt es noch zwei private lokale Fernsehstationen (davon eine albanischsprachige). Zensur: In Mazedonien herrscht Pressefreiheit. Die staatlich herausgegebene Zeitung „Nova Makedonja" nimmt allerdings eine Monopolstellung ein. Im Mai 1995 hat die Regierung scheinbar aus technischen Gründen 85 private Radio- und Fernsehstationen schliessen lassen, darunter auch etablierte Sender für ethnische Minderheiten. Im Dezember 1995 ist der Direktor des privaten Fernsehsenders ART festgenommen und dazu verpflichtet worden, ein Videoband über die Ereignisse um die Universitätsgründung in Tetovo herauszugeben. Ansonsten sind keine Fälle von Zensur bekannt.

5. Wirtschaft

Mazedonien ist die ärmste Republik des ehemaligen Jugoslawien - ein wirtschaftlich rückständiges Land. Es ist noch stark landwirtschaftlich geprägt; die Industrialisierung setzte erst nach 1945 ein und erwies sich als überhastet und wenig effektiv. Bergbau und Industrie tragen schätzungsweise 43% zum nationalen Einkommen bei und beschäftigen rund 40% der Erwerbstätigen. Seit 1989 ist die Industrieproduktion allerdings rückläufig. Die Fabriken leiden unter einem veralteten Maschinenpark und fehlenden Investitionen. Zusätzlich bewirkte die wirtschaftliche Isolation des Landes eine ungesunde Verlagerung von der Produktion in teilweise dubiose Handelsgeschäfte. Führende Industrien sind die Eisen- und Stahlindustrie, Metallurgie (reiche Vorkommen an Magnesium, Asbest, Zink, Blei, Kupfer) sowie die Textil- und Chemieproduktion. Hauptaktivität im Bergbau bildet die Kohlenproduktion. 41% des Bruttosozialproduktes werden im Dienstleistungssektor erwirtschaftet und rund 16% in der Landwirtschaft. Während 1987 noch 41% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft ihr Einkommen fanden, sind es heute knapp 10%. Weizen, Tabak, Reis, Weintrauben und Gemüse bilden die Hauptanbauprodukte. Hinzu kommt Viehzucht. Die Wirtschaftsplanung besteht fort, doch setzt die Regierung auf die Förderung privater Klein- und Mittelbetriebe. Mitte 1994 beträgt der Anteil des Privatsektors am Bruttosozialprodukt ungefähr 35%. Hauptexportprodukte bilden insbesondere Baumwolle, synthetische Fasern, Bekleidung, Tabak, Wein, Früchte, Eisen, Kupfer und Zink. Importprodukte sind schwergewichtig Erdöl, Maschinen und Anlagen, Kraftfahrzeuge sowie Nahrungs- und Genussmittel.

5.1. Volkswirtschaft

Ähnlich wie die übrigen jugoslawischen Republiken litt Mazedonien in den achtziger Jahren unter einer schweren, systembedingten Wirtschaftskrise. Ab 1991 wurden die Probleme durch den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien zusätzlich verstärkt. Mazedonien verlor nicht nur die innerjugoslawische Entwicklungshilfe, sondern durch den Zusammenbruch des jugoslawischen Binnenmarktes und die UN-Sanktionen gegen Restjugoslawien auch noch seinen wichtigsten Absatzmarkt. Die 1992 einsetzende griechische Handelssperre gegen Mazedonien - Folge des griechischen Protests gegen den Staatsnamen „Mazedonien" - brachte die mazedonische Wirtschaft vollends an den Rand des Zusammenbruchs. Erste Zeichen der wirtschaftlichen Besserung brachte das Jahr 1993. Die Aufnahme Mazedoniens in die UNO im April 1993 öffnete dem Land den Zugang zu den internationalen Entwicklungs- und Finanzinstituten, die dem Land bei der Stabilisierung der Wirtschaft und dem geplanten Systemumbau von der Plan- zur Marktwirtschaft helfen sollen. Ohne die internationale Hilfe und die Überweisungen mazedonischer Gastarbeiter im westlichen Ausland könnte Mazedonien jedoch nicht überleben. Das Bruttosozialprodukt ist in den letzten Jahren laufend geschrumpft und beträgt gegenwärtig noch zirka zwei Milliarden US$, d.h. 972 US$ pro Kopf der Bevölkerung. Das Bruttoinlandprodukt hat zwischen 1993 und 1994 um 15% abgenommen. Der Abschluss eines Abkommens zwischen Mazedonien und Griechenland im September 1995 hat den Grundstein zur Normalisierung der gegenseitigen Beziehung gelegt und für Mazedonien die Aufhebung des griechischen Handelsembargos gebracht. Auch mit der Aufhebung der UN-Sanktionen gegen Restjugoslawien im Januar 1996 haben sich die wirtschaftlichen Perspektiven etwas verbessert.

5.2. Beschäftigungssituation

Die traditionell hohe Arbeitslosigkeit ist als Folge der Wirtschaftskrise auf über 20% gestiegen, wobei noch ein hoher Anteil versteckter Arbeitslosigkeit hinzukommt. Die anstehende Privatisierung wird weitere Arbeitskräfte freisetzen. Das Arbeitsamt ist für die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenunterstützung zuständig. Die Höhe des Arbeitslosengeldes entspricht etwa der Höhe der Sozialhilfe. Das Durchschnittseinkommen ist in den letzten zwei Jahren von 170 US$ auf unter 80 US$ monatlich gefallen. Die Reallöhne liegen wieder auf dem Lohnniveau der sechziger Jahre. Jeder mazedonische Bürger hat im Bedürftigkeitsfall Anrecht auf Sozialhilfe. Gegenwärtig leben 40-50'000 Familien, d.h. ca. 200'000 Personen und damit fast 10% der Bevölkerung, von diesen Zahlungen. Bedürftige Familien erhalten einen Geldbetrag, der sich an der Zahl der zu versorgenden Familienmitglieder und dem mazedonischen Durchschnittslohn orientiert. Sie erhalten kostenlos Grundnahrungsmittel (Bezug über Karten), Kleider, Heizmaterialien, Schulmaterialien etc. Die ärztliche Versorgung (inklusive Medikamente) ist ebenfalls kostenlos (blauer Ausweis). (Vgl. aber Kapitel 2.5.). Zusätzlich werden den Familien die in Mazedonien tätigen internationalen Hilfsorganisationen genannt, um von deren Programmen profitieren zu können.

5.3. Währung

Am 10. Mai 1993 wurde der mazedonische Denar eingeführt. Sein Wechselkurs ist fest an die Deutsche Mark gebunden (13 Denar = 1,00 DM). Die deutsche Mark und der US-Dollar gelten als heimliche Währungen. Seit 1994 hält sich der Denar ziemlich konstant auf einem Kurs von 26 bis 27 Denar je deutsche Mark, was angesichts der Inflation eine reale Aufwertung bedeutet. Erfolge konnte die Regierung bei der Inflationsbekämpfung verbuchen. Im Dezember 1994 lag die jährliche Inflationsrate bei 55%, im Dezember 1995 bei 9,2%.

6. Mobilität

6.1. Kommunikationsmittel

Mazedonien ist seit dem Altertum ein typisches Transitland. Der traditionell hohe Transitverkehr wurde durch die politischen Probleme (UN-Embargo gegen Restjugoslawien, griechische Handelsblockade) bis heute allerdings stark eingeschränkt. Seit der Aufhebung der griechischen Handelsblockade ist die Grenze zu Griechenland wieder geöffnet. Strassenverkehr: Es gibt in Mazedonien rund 10'000 km Strassen (inklusive Autobahn). Ein Grossteil davon ist jedoch nur ungenügend ausgebaut. Eisenbahnverkehr: Es existiert eine Eisenbahnlinie Belgrad - Saloniki sowie Strecken nach Kicevo, Prilep-Bitola, Kocani und Pristina. Luftverkehr: Die nationale Fluglinie heisst „Palair Macedonian Airlines". Internationale Flughäfen befinden sich in Skopje und Ohrid.

6.2. Reisepapiere

Mazedonische Staatsbürger benötigen für die Einreise nach Mazedonien über den Flughafen von Skopje oder die Grenzübergänge zu Albanien und Restjugoslawien einen gültigen Reisepass. Ein Visum wird nicht verlangt. Eine Identitätskarte allein genügt jedoch nicht. Die mazedonischen Staatsbürger mussten bis spätestens November 1994 ihre alten jugoslawischen Reisepässe gegen die neuen mazedonischen Reisepässe eintauschen. Ab diesem Datum werden die mazedonischen Grenzorgane die alten Pässe nicht mehr akzeptieren. Die griechischen Behörden dagegen akzeptieren nur die alten jugoslawischen Reisepässe. Jugoslawische Staatsbürger (inklusive Kosovo-Albaner) benötigen für die Einreise nach Mazedonien über den Flughafen von Skopje oder die Grenzübergänge zu Albanien und Restjugoslawien offiziell lediglich einen gültigen Reisepass. Ein Visum wird nicht verlangt. Eine Identitätskarte allein genügt jedoch nicht. Faktisch lassen die mazedonischen Behörden allerdings abgesehen von Kosovo-Albanern keine Bürger Ex-Jugoslawiens einreisen. Albanische Staatsbürger benötigen für die Einreise nach Mazedonien über den Flughafen von Skopje oder die Grenzübergänge zu Albanien und Restjugoslawien einen gültigen Reisepass und ein mazedonisches Einreisevisum. Für die Einreise von Albanien her können die Visa offenbar an der Grenze erworben werden. Eine Identitätskarte allein genügt nicht.

7. Regierung

7.1. Staatsoberhaupt

Der gegenwärtige und zugleich erste Präsident der Republik heisst Kiro Gligorov, Mitglied der „Sozialdemokratischen Union". Gligorov wurde am 27. Januar 1991 gewählt. Er ist ein ehemaliger hoher kommunistischer Funktionär, der in weiten Kreisen der Bevölkerung und des Polit-Establishments hohes Ansehen geniesst und als Garant des inneren Friedens gilt. Der Präsident wird direkt vom Volk gewählt. Er hat zwar formell primär zeremonielle Aufgaben, doch hat Gligorovs Ansehen dem Präsidentenamt grossen Einfluss verschafft. Bei den erstmalig direkten Präsidentschaftswahlen am 18. Oktober 1994 erhielt Gligorov 52,4% der Stimmen. Am 3. Oktober 1995 ist der Präsident bei einem Bombenanschlag schwer verletzt worden. Die Hintergründe des Attentats bleiben unklar. Im Dezember 1995 hat er seine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen.

7.2. Landesregierung

Ministerpräsident ist der 34jährige Branko Crvenkovski aus der Partei der Sozialdemokratischen Union Mazedoniens (SDUM). Die seit dem 20. Dezember 1994 amtierende Vier-Parteien-Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten, Liberalen, Sozialisten und Albanern ist im Februar 1996 auseinandergebrochen. Ministerpräsident Crvenkovski hat die vier Minister aus der Liberalen Partei entlassen, darunter den Aussen- und Wirtschaftsminister. Der Hauptgrund für das Auseinanderbrechen der Koalition war der seit Wochen dauernde Streit über die Privatisierung der Industriebetriebe. Das neue Kabinett ist am 13. Februar 1996 von der Nationalversammlung bestätigt worden. Es sind keine Mitglieder der Liberalen Partei mehr darin vertreten. Die Regierung wird vom Parlament mit einfachem Mehr gewählt und kann von diesem durch einen Misstrauensantrag ebenfalls mit einfachem Mehr wieder entlassen werden.

8. Parlament

Das mazedonische Parlament (Sobranje) hat 120 Mitglieder. Die Amtszeit dauert vier Jahre. Das gegenwärtige Parlament wurde in den ersten Parlamentswahlen seit Erlangen der Unabhängigkeit vom 16./30. Oktober 1994 gewählt. Im zweiten Wahlgang hat die Regierungskoalition „Allianz für Mazedonien" (Sozialdemokraten, Liberale, Sozialisten) 95 der 120 Sitze erhalten, was ihr die Möglichkeit gibt, qualifizierte Gesetze zu beschliessen und gegen den Willen der Opposition, Verfassungsänderungen durchzusetzen. Die bis dahin stärkste Oppositionspartei, die nationalistische „Partei der Mazedonier" (VMRO-DPMNE), hat der Regierung nach dem ersten Wahlgang Wahlbetrug vorgeworfen und die Bevölkerung dazu aufgerufen, den zweiten Wahlgang zu boykottieren. Sie ist nicht mehr im Parlament vertreten. Das Parlament setzt sich aus den folgenden Parteien zusammen:

• Sozialdemokratische Union Mazedoniens (SDUM): Sozialdemokratische Ausrichtung. 58 Sitze.

• Liberale Partei (LP): Liberale Ausrichtung. 29 Sitze.

• Partei der Demokratischen Prosperität (PDP): Albanisch-nationalistische Ausrichtung. 10 Sitze.

• Sozialistische Partei Mazedoniens (SPM): Sozialistische Ausrichtung. 8 Sitze.

• Demokratische Volkspartei (NDP): Albanisch-nationalistische Ausrichtung. 4 Sitze.

• Partei für die volle Emanzipation der Roma in Mazedonien (PCERM): Interessenvertretung der Roma. 1 Sitz.

• Sozialdemokratische Partei Mazedoniens (SDPM): Sozialdemokratische Ausrichtung. 1 Sitz.

• Demokratische Partei Mazedoniens (DPM): Radikal antialbanische und russophile Ausrichtung. 1 Sitz

• Demokratische Partei der Türken in Mazedonien (DPTM), Partei für Demokratische Aktion (PDA), Islamischer Weg (IP). Zusammen 1 Sitz.

• Unabhängige Kandidaten: 7 Sitze.

9. Verwaltung

Gemessen am Bevölkerungsanteil sind die Albaner in der Verwaltung untervertreten. Im Innnenministerium sind beispielsweise 92,3% der Beschäftigten Mazedonier, gegenüber einem Anteil von 2,8% Albanern.

10. Wahlen

Die mazedonische Verfassung vom 20. November 1991 schreibt vor, dass die Parlamentswahlen alle vier Jahre stattfinden. Am 16. und 30. Oktober 1994 haben die ersten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seit Erlangen der Unabhängigkeit stattgefunden. Im ersten Wahlgang haben nur zehn Abgeordnete die erforderliche absolute Mehrheit erzielt. Im zweiten Wahlgang war nur noch eine einfache Mehrheit nötig. Wegen Unregelmässigkeiten haben im November 1994 in sechs Bezirken Nachwahlen stattgefunden. Der Wahlkampf war durch nationale Gegensätze zwischen der slawischen Mehrheit und der albanischen Minderheit geprägt.

11. Recht und Gerichtswesen

11.1. Recht

In der Verfassung sind die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Gerichte sowie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren garantiert. Der Gerichtsaufbau entspricht im wesentlichen den bisherigen Regelungen im jugoslawischen Gesamtstaat: Das ordentliche Gerichtswesen ist dreistufig (Gemeindegerichte, Bezirksgerichte, Oberstes Gericht). Daneben gibt es das Verfassungsgericht und die Militärgerichte. Die albanische Bevölkerung macht auch bei den Gerichten eine Untervertretung geltend. Beispielsweise befinden sich unter den insgesamt 88 Richtern der Appellationsgerichtshöfe fünf Albaner, wobei deren Anteil gemäss albanischen Parteivertretern bei mindestens 15 Richtern liegen sollte.

11.2. Ordentliche Gerichte

– Gemeindegerichte mit angegliedertem Gericht für geringfügige Angelegenheiten: Die Gemeindegerichte urteilen bei Vergehen, die mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können. Jedem Gemeindegericht ist ein Gericht für geringfügige Angelegenheiten angegliedert, das für leichte Vergehen Strafen bis zu sechs Monaten aussprechen kann. Berufungen gegen Urteile von Gemeindegerichten werden von den zuständigen Bezirksgerichten geprüft.

– Bezirksgerichte: Die Bezirksgerichte urteilen in erster Instanz über Verbrechen, für die Haftstrafen von über fünf Jahren vorgesehen sind. In zweiter Instanz sind sie zuständig für Berufungen von Gemeindegerichten.

– Oberstes Gericht: Das Oberste Gericht in Skopje ist die höchste Instanz der Rechtsprechung. Es ist Berufungsinstanz für Urteile der Bezirksgerichte.

– Verfassungsgericht: Das Verfassungsgericht hat die Aufsicht über die Verfassungsmässigkeit der Gesetze und über die Gesetzmässigkeit aller allgemeinen Akte sowie den Schutz der grundlegenden Rechte und Freiheiten der Bürger.

11.3. Sondergerichte

Über die Existenz von Sondergerichten ist nichts bekannt.

11.4. Militärgerichte

Von Militärpersonen begangene Vergehen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Militärgerichte.

12. Militär und Sicherheitsorgane

12.1. Militär

Jugoslawische Bundesarmee

Der Rückzug der jugoslawischen Bundesarmee aus Mazedonien dauerte von Dezember 1991 bis April 1992. Die letzten Soldaten der Bundesarmee verliessen Mazedonien am 24. April 1992. Wehrpflichtige und Freiwillige aus Mazedonien wurden auf Wunsch aus der jugoslawischen Bundesarmee entlassen. Dies gilt auch für jene, die ausserhalb Mazedoniens im Einsatz standen. Deserteure und Refraktäre der jugoslawischen Bundesarmee werden in Mazedonien nicht verfolgt.

Mazedonische Armee (Armija na Republika Makedonija)

Mitte Februar 1992 begann Mazedonien mit dem Aufbau einer eigenen Armee. Inzwischen verfügt die Armee über einen Grundbestand von 10'000 Soldaten, darunter 8'000 Wehrpflichtige. Im Laufe der Jahre soll dieser Bestand auf rund 17'000 erhöht werden. Hinzu kommen 80'000 - 100'000 Reservisten. Die Ausrüstung der Armee ist sehr schlecht. Sie verfügt weder über eine Luftwaffe noch über Artillerie oder Panzer. Die Sicherheit des Landes kann durch die eigenen Truppen nicht gewährleistet werden, dafür ist die Präsenz von rund 1'400 UN-Soldaten sowie die enge Kooperation mit den USA ausschlaggebend. Die Grundwehrdienstpflicht besteht von 18 bis 27 Jahren und dauert neun Monate. Die ersten Einberufungen erfolgten im April 1992. Die Reservedienstpflicht geht bis 55 Jahre. Allerdings gibt es gegenwärtig keine Einberufungen zum Reservedienst. Wehrdienstpflichtige Männer dürfen auch ohne Genehmigung der Militärbehörden das Land verlassen. Wehrdienstentzug wird mit Busse oder mit Gefängnis bis zu zehn Jahren bestraft. Wer sich bei den zuständigen Staatsorganen freiwillig meldet, wird geringer bestraft.

12.2. Polizei und Gendarmerie

Die Stärke des Polizeicorps wird auf 7'500 Mann geschätzt, wovon rund 4'500 bewaffnet sind. Gemessen am Bevölkerungsanteil sind die Albaner im Polizeicorps untervertreten. Unter den Polizisten sind 91,6% Mazedonier und 1,9% Albaner. In Diber, wo der Einwohneranteil der Albaner bei 95% liegt, sind 16,4% der Polizeibeamten Albaner und 74,3% Mazedonier.

12.3. Milizen

Im November 1993 wurden zehn Albaner, darunter zwei stellvertretende Minister, unter dem Vorwurf der Bildung paramilitärischer Einheiten festgenommen. Bei ihnen waren 300 automatische Waffen und ein Rekrutenverzeichnis von mazedonischen Bürgern albanischer Nationalität gefunden worden. Danach waren in West-Mazedonien 20'000 Albaner in paramilitärischen Einheiten organisiert und von Albanien mit Waffen versorgt worden. Ziel dieser bewaffneten Gruppen war offenbar die Abspaltung vorwiegend albanisch besiedelter Gebiete von Mazedonien und deren Anschluss an Albanien. Die Verantwortlichen wurden einem Gerichtsverfahren unterzogen und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Als ungsichert gelten Informationen, die auf eine Schwesterorganisation der im Kosovo verbotenen Organisation der Albaner, Levizja popullore te Kosoves (LPK), in Mazedonien hinweisen. Falls diese Informationen zutreffen, dürften die Ziele und Tätigkeiten der mazedonischen LPK mit derjenigen im Kosovo identisch sein, wozu auch Kampfausbildung und Waffenbeschaffung gehören. Die mazedonische Regierung dürfte eine derartige Organisation kaum tolerieren.

12.4. Geheimdienste

Darüber liegen keine genauen Informationen vor. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Staatssicherheitsdienste aus jugoslawischen Zeiten übernommen wurden.

13. Inhaftierung und Strafvollzug

Gemäss Verfassung ist die Polizeihaft zeitlich begrenzt. Danach muss eine inhaftierte Person nach spätestens 24 Stunden Haft dem Gericht vorgeführt werden. Nach spätestens 90 Tagen Haft ist ein Gerichtsverfahren zu eröffnen. Die Inhaftierten müssen über den Grund ihrer Festnahme und über ihre Rechte informiert werden. Sie haben das Recht sofort einen Anwalt zu kontaktieren und dessen Präsenz während der polizeilichen Ermittlungen sowie des Gerichtsverfahrens zu fordern. Über den Strafvollzug, Haftanstalten und Haftbedingungen liegen keine genauen Informationen vor.

14. Allgemeine Menschenrechtssituation

Die grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechte wie Meinungsäusserungs-, Versammlungs-, Vereinigungs-, Presse-, Religions- und Reisefreiheit sind in der Verfassung garantiert und in der Praxis im allgemeinen auch gewährleistet. Willkürliche Verhaftungen aus politischen Gründen sind keine bekannt. Das Vorgehen der Behörden entspricht in der Regel den gesetzlichen Bestimmungen. Allerdings gibt es Meldungen seitens der Oppositionsparteien über Belästigungen einzelner Parteimitglieder durch die Polizei. Vereinzelt soll es zu Misshandlungen an Inhaftierten gekommen sein. Auch dauerte die Polizeihaft manchmal länger als erlaubt und den Inhaftierten wurde bisweilen das Recht, einen Anwalt zu kontaktieren, verweigert. Der Anspruch auf eine rechtmässiges, faires Gerichtsverfahren war nicht immer vollständig garantiert. Gemäss Verfassung ist die Todesstrafe in Mazedonien abgeschafft. Über extralegale Tötungen ist nichts bekannt. Die Beziehungen zwischen der mazedonischen und der albanischen Bevölkerungsgruppe sind problematisch. Die Albaner beklagen sich über Diskriminierungen im Wirtschaftsleben und bei der Vergabe von staatlichen Stellen. Weiter wird kritisiert, die albanischsprachige Sendezeit des staatlichen Radios und Fernsehens sei ungenügend, ebenso der albanischsprachige Schulunterricht in staatlichen Mittelschulen. Eine gezielte staatliche Verfolgung machen sie jedoch nicht geltend. Bisher ist es auch kaum zu Zusammenstössen oder sonstigen schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen. Die Vertreter der albanischen Minderheit fordern aber die Aufwertung von einem Minderheitenvolk zur staatsbildenden Nation, die Anerkennung des Albanischen als zweite Amtssprache, einen verbesserten Zugang zu staatlichen Stellen, die Möglichkeit des Unterrichts in Albanisch auf allen Schulstufen und schliesslich vermehrte Berücksichtigung des Albanischen im staatlichen Radio und Fernsehen. Beide Seiten betonen den Willen, die bestehenden Probleme auf friedliche Weise zu lösen. Die grösste albanische Partei, die „Partei der demokratischen Prosperität" (PDP), ist denn auch mit sechs Ministern an der Regierung beteiligt. Diese Annäherung war einer harten Belastungsprobe ausgesetzt, nachdem die mazedonische Polizei am 10. November 1993 zehn Albaner, darunter zwei stellvertretende Minister, wegen der versuchten Bildung einer albanischen Untergrundarmee verhaftet und am 27. Juni 1994 zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt hatte. Die Vorfälle um die albanischsprachige Universität in Tetovo im Februar 1995 haben die gegenseitigen Beziehungen zusätzlich belastet. Die übrigen Minderheiten wie Serben, Roma und Türken beklagen sich über ähnliche Diskriminierungen wie die Albaner. Eine gezielte staatliche Verfolgung machen aber auch sie nicht geltend.

15. Politische und religiöse Bewegungen

Als Folge der neuen Freiheit ergab sich in Mazedonien eine verwirrende Vielfalt von Parteigründungen mit ähnlichen Namen, unklaren programmatischen Differenzierungen und einer Fülle von ambitionierten Personen. Insgesamt sind 48 Parteien registriert. Lediglich neun davon sind auch im Parlament vertreten. Die wichtigsten Parteien sind nachfolgend aufgeführt.

– Sozialdemokratische Union Mazedoniens (SDUM) (Socijaldemokratski Sojuz na Makedonije-SDSM): Die Sozialdemokratische Union ist die Nachfolgepartei des „Bundes der Kommunisten". Dieser änderte am Kongress vom 25. November 1989 seinen Namen in „Bund der Kommunisten Mazedoniens - Partei der Demokratischen Umgestaltung" und im Mai 1992 dann in „Sozialdemokratische Union". Die Partei hat 30'000 registrierte Mitglieder. Eine Parteizeitung existiert nicht. Parteipräsident ist der 34 jährige gegenwärtige Ministerpräsident Mazedoniens Branko Crvenkowski. Ebenfalls Parteimitglied ist Staatspräsident Kiro Gligorov. Bei den Parlamentswahlen vom Oktober 1994 gewann die Sozialdemokratische Union 58 Sitze und wurde damit stärkste Partei. Sie stellt zehn Minister und ist die führende Kraft der gegenwärtigen Koalitionsregierung. Ihre Hochburgen sind in Ostmazedonien.

Die Sozialdemokratische Union hat definitiv mit der kommunistischen Ideologie gebrochen und verfolgt nun eine sozialdemokratische Politik. Sie setzt sich für Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Marktwirtschaft ein.

– Liberale Partei (LP) (Savez reformskih snaga jugoslavije za makedoniju): Die Liberale Partei ist der mazedonische Zweig der vom letzten jugoslawischen Regierungschef Ante Markovic in allen Republiken gegründeten Reformpartei. Die Partei wurde 1990 gegründet und hat 5'200 registrierte Mitglieder. Eine Parteizeitung existiert nicht. Parteipräsident ist der 61 jährige Ökonom Stojan Andov. Bei den Parlamentswahlen vom Oktober 1994 gewann die LP 29 Sitze. Bis zum Auseinanderbrechen der Regierungskoalition im Februar 1996 stellte sie vier Minister. Gegenwärtig ist sie nicht mehr in der Regierung vertreten. Die Hochburgen der LP liegen in Ostmazedonien.

Die LP ist eine liberal orientierte Partei. Sie setzt sich ein für gleiche Rechte, Marktwirtschaft und Privatisierung.

– Partei der Demokratischen Prosperität (PDP) (Partija za demokratski prosperitet u makedoniji): Die PDP ist die grösste der vier albanischen Parteien. Sie wurde am 5. April 1990 im Dorf Poroj bei Tetovo gegründet und hat ca. 100'000 Mitglieder. Ihre Hochburgen sind in Westmazedonien. Parteivorsitzender ist seit Juli 1994 der 51 jährige Jurist Abdurrahman Haliti.

Mitte Februar 1994 kam es zur Spaltung der Partei in einen radikalen und einen gemässigten Flügel. Die Radikalen werfen den Gemässigten vor, mit ihrer auf Ausgleich bedachten Politik nichts erreicht zu haben. Der gemässigte Flügel, dem die Parteispitze und die Regierungsmitglieder der PDP angehören, hat sich gegen eine Sezession der albanischen Gebiete von Mazedonien ausgesprochen. Er setzt sich für die territoriale Integrität Mazedoniens ein, fordert aber die völlige Gleichstellung der Albaner mit den Mazedoniern, eine bessere Vertretung der Albaner in den staatlichen Behörden sowie mehr lokale Selbstverwaltung. Bei den Wahlen im Oktober 1994 traten die rivalisierenden Flügel getrennt an, wobei nur die gemässigte PDP zugelassen wurde, während die Radikalen in der Demokratischen Volkspartei (NDP) oder als Unabhängige auftraten. Bei den Parlamentswahlen vom Oktober 1994 rutschte die PDP von ehemals 22 auf zehn Sitze ab.

– Demokratische Volkspartei (NDP) (Narodna demokratska partija): Die demokratische Volkspartei ist die zweitgrösste albanisch-nationalistische Partei. Parteipräsident ist Iljaz Halimi. Bei den Parlamentswahlen vom Oktober 1994 legte die NDP von ehemals einem Sitz auf vier Sitze zu.

– Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation - Demokratische Partei der Mazedonischen Nationalen Einheit (VMRO-DPMNE) (Unutrasnja makedonsko revolucionarna organizacija - Demokratska partija za makedonsko jedinstvo): Die VMRO ist die radikalste der im Zuge der Demokratisierung im Jahre 1990 entstandenen mazedonisch-nationalistischen Parteien. Sie geht zurück auf eine Organisation gleichen Namens, die in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg für einen eigenständigen mazedonischen Staat kämpfte und dabei auch vor Terror- und Untergrundaktionen im Namen der „mazedonischen Sache" nicht zurückschreckte. Die VMRO wurde am 17. Juni 1990 in Skopje gegründet. Nach eigenen Angaben hat sie 150'000 Mitglieder. Sie gibt eine unregelmässig erscheinende Zeitschrift „Glas" (Stimme) heraus. Parteipräsident ist der 29-jährige Literaturwissenschafter Ljupco Georgievski. Die mit ehemals 38 Sitzen stärkste Partei und führende Oppositionspartei ist nicht mehr im Parlament vertreten. Bei den Parlamentswahlen vom Oktober 1994 hatte sie der Regierung nach dem ersten Wahlgang Wahlbetrug vorgeworfen und den zweiten Wahlgang boykottiert. Die Hochburgen der VMRO befinden sich an der mazedonisch-griechischen Grenze.

Langfristiges Ziel der VMRO ist die Vereinigung des gegenwärtig in Mazedonien, Griechenland, Bulgarien und Albanien lebenden mazedonischen Volkes in einer unabhängigen Republik Mazedonien. Entsprechend verfolgt sie eine gegen die albanische Minderheit gerichtete Politik. Der Regierung wirft sie vor, sie bestehe aus verkappten Kommunisten und ihre Inkompetenz sei für die politische Isolierung, den wirtschaftlichen Kollaps sowie Kriminalität und Korruption im Lande verantwortlich.

– Bewegung der Allmazedonischen Aktion (MAAK) (Pokret za svemakedonsku akciju): Die MAAK ist die zweitgrösste mazedonisch-nationalistische Partei. Sie wurde am 4. Februar 1990 in Skopje gegründet und hat 20'000 Mitglieder. Parteipräsident ist der 65 jährige Ante Popovski. Bei den Parlamentswahlen vom Oktober 1994 gewann die MAAK keinen Sitz.

Die MAAK verfolgt zwar ebenfalls eine nationalistische, aber weniger radikale Politik als die VMRO und wurde von dieser an den Rand gedrängt.

– Sozialistische Allianz - Sozialistische Partei Mazedoniens (SA-SPM): Der linke Flügel des Bundes der Kommunisten Mazedoniens formierte sich in der Sozialistischen Allianz - Sozialistische Partei Mazedoniens. Sie steht links der SDUM. Gegenüber der mit ihr verbündeten, vorwiegend jugendlichen SDUM ist die SA-SPM eher ein Sammelbecken für Altfunktionäre und Manager. Die Partei hat ihren Sitzanteil im Oktober 1994 von fünf auf acht Parlamentssitze erhöht.

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