Verwaltungsgericht Wuerzburg, Urteil vom 6. September 1993-8 S 93.32324

Verwaltungsgericht Wuerzburg, 6 Sept. 1993

Leitsatz (nicht amtlich):

Die neue Drittstaatenregelung ist auf Ausländer, die vor dem 1.7.1993 in Deutschland eingereist sind, nicht anwendbar.

Aus den Gründen:

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt getroffenen Entscheidung (Art. 16a Abs. 4 GG).

Das Bundesamt hat auf die Astin. die sog. Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG ivm §§ 26a und 34a AsylVfG angewandt und deshalb festgestellt, daß ihr kein Asylrecht zustehe (§ 31 Abs. 4 AsylVfG), und zugleich ihre Abschiebung nach Polen angeordnet (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Diese Handhabung ist zweifelsfrei rechtswidrig, denn diese Drittstaatenregelung ist auf Ausländer, die - wie hier - vor dem 1.7.1993 einen Asylantrag gestellt haben, ausdrücklich nicht anwendbar (§ 87a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Die Astin. ist jedoch bereits am 24./25.6.1993 ins Gebiet der BR Deutschland eingereist und hat spätestens am 28.6.1993 einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt hat sie am 12.7.1993 auch angehört, dann jedoch unabhängig vom Inhalt ihres Vortrags die benannte Entscheidung getroffen. In einem solchen Fall gilt Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG nicht. Diese Regelung ist - unabhängig von § 87a Abs. 1 AsylVfG - nur auf solche Fälle anzuwenden, in denen der Ausländer nach dem 30.6.1993 in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eingereist ist. Sie stellt nach Wortlaut und Sinnzusammenhang allein auf den aktuellen Vorgang der Einreise aus einem sicheren Drittstaat und nicht darauf ab, daß der Ausländer irgendwann einmal in der Vergangenheit aus einem Staat eingereist war, der jetzt als sicherer Drittstaat anzusehen ist (BverfG-K, B.v. 22.7.1993 2 BvR 668/93 -).

In Fällen dieser Art ist jedoch Art. 16a Abs. 4 GG entsprechend anzuwenden. Diese Norm erfaßt einen solchen Fall zwar an sich nicht, weil sie tatbestandlich voraussetzt, daß der betreffende Ast. entweder aus einem sicheren Herkunftsstaat (Art. 16a Abs. 3 GG) eingereist ist oder ein Fall offensichtlicher Unbegründetheit des Asylbegehrens vorliegt.

Ersteres trifft hier nicht zu, und letzteres hat das Bundesamt bisher weder überprüft noch entsprechend entschieden. Eine solche Entscheidung kann das Gericht jedoch ebensowenig ohne weiteres vorwegnehmen, wie es den Ausgang eines Asylverfahrens im summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO einfach vorwegnehmen kann, falls - wie das auch keineswegs selten vorkommt - das Bundesamt fälschlich von der tatsächlich erfolgten (§ 32 AsylVfG) oder fingierten Antragsrücknahme (§ 33 AsylVIG) ausgeht und das Verfahren einfach einstellt. Dies gilt schon deshalb, weil sich der einstweilige Rechtsschutz gegen die »Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen« richtet (Art. 16a Abs. 4 GG) und diese Maßnahmen inhaltlich völlig unterschiedlich gestaltet sind, je nachdem ob die Drittstaatenregelung gilt - dann wird die Abschiebung ohne weiteres und ohne daß ein vorläufiger Rechtsschutz hiergegen möglich ist, »angeordnet« (Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG, § 34a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG) - oder nicht - dann erfolgt die »Androhung« der Abschiebung nach den §§ 50 und 51 Abs. 4 AusIG (§ 34 AsylVfG). Unter diesem Aspekt bestehen »ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme« des Bundesamts unabhängig davon, ob das Asylbegehren iSd § 30 AsylVfG »offensichtlich unbegründet« erscheint oder nicht. Deshalb kam es auf den übrigen Vortrag der Astin. (Schwangerschaft) nicht mehr an.

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