Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 15. November 1991-Az. 24 BZ 87.30943

Bayrischer Verwaltungsgerichtshof

Beschluss vom 15. November 1991

X gegen die Bundesrepublik Deutschland,

Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

vertreten durch den präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf, beteiligt: Bundesbeauftragter für Asylangelegenheiten in Zirndorf, wegen Asylrechts; Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juni 1987, erläßt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat, folgendes

Urteil:

I.          Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.          Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, daß beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 des Ausländergesetzes vorliegen.

III.         Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.        Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1965 in Moolai/Halbinsel Jaffna geborene Kläger ist Tamile srilankischer Staatsangehörigkeit und hält sich seit Dezember 1984 im Bundesgebiet auf. Zur Begründung seines Asylantrags gab er bei den Behörden folgendes an:

Im Jahre 1983 habe er noch das Hartley College in Point Pedro besucht und sei am 5. September nahe der Busstation zusammen mit anderen Studenten von Soldaten zusammengetrieben und festgehalten worden. Zunächst habe man sie in das provisorische Lager in Point Pedro und am Tage darauf in das Palali-Militärlager gebracht. Dort sei er verhört und geschlagen worden. Auf Intervention des Collegeleiters seien schließlich er und die 46 anderen Studenten am 15. September 1983 freigelassen worden. Wegen dieser Ereignisse habe er es nicht gewagt, am Hartley-College zu bleiben. Er habe fortan bei seinen Eltern in Karainagar gelebt und das davon etwa 10 km entfernte Jaffna College in Vaddukoddai besucht. An seinem Wohnort habe es wegen des nahegelegenen Marinestützpunkts ständig Probleme gegeben. Die Soldaten hätten ihn als Terroristen verdächtigt und im März 1984 das Haus seiner Eltern verwüstet. Bei einer Kontrolle sei sein Ausweis wegen angeblicher Fälschung von einem Soldaten zerrissen worden und er habe sich einen anderen, provisorischen Ausweis beschaffen müssen. Weil sich die Situation durch zunehmende Willkürmaßnahmen der Soldaten weiter verschlimmerte, habe er sich zur Flucht entschlossen und sei über Colombo am 27. Dezember 1984 aus Sri Lanka ausgereist. Zur Glaubhaftmachung legte der Kläger Bestätigungen der Tamil United Liberation Front-TULF-, des Tamil Information Centre, der beiden Colleges und einen Bericht über die Maßnahmen gegen Angehörige des Hartley College vor.

Das Bundesamt lehnte den Asylantrag am 11. August 1986 ab.

Zur Begründung der daraufhin erhobenen Klage gab der Kläger ergänzend an, sein Bruder habe das Medizinstudium abgebrochen und habe sich der Befreiungsorganisation TELO angeschlossen. Marineoffiziere hätten diesen im März 1984 festnehmen wollen, ihn aber im Elternhaus nicht angetroffen. Daraufhin hätten sie den Kläger tätlich angegriffen, die Eltern bedroht, das Haus verwüstet und alle Wertsachen mitgenommen. Auch danach seien mehrmals Angehörige der Marine gekommen, um seinen Bruder zu verhaften. Nach einem Minenanschlag am 8. Juli 1984, hätten Marinesoldaten etwa 100 jüngere tamilische Männer im Alter von etwa 18 bis 35 Jahren, darunter auch der Kläger selbst, festgenommen. Er sei bei den Verhören als Terrorist beschuldigt und geschlagen worden, schließlich aber wieder freigekommen. Im Gegensatz zu seinem Bruder habe er selbst keiner politischen Organisation angehört, nach dem Examen im August 1984 den Bewegungen aber gelegentlich geholfen, indem er ihnen Nahrungsmittel und Informationen über das Eintreffen von Streitkräften gegeben habe. Weil diese Aktivitäten durch die Marine entdeckt worden seien, habe er sich fortan verborgen gehalten. Wegen des zunehmenden Drucks der Sicherheitskräfte auf seine Eltern habe er sich schließlich zur Flucht entschlossen. Zum Nachweis der ihm geltenden Nachforschungen der Sicherheitskräfte legte der Kläger eine weitere Bestätigung vor.

Das Verwaltungsgericht Ansbach gab der Klage mit Urteil vom 10. Juni 1987 statt, hob den Ablehnungsbescheid des Bundesamtes wie auch die aufenthaltsbeendende Verfügung der Ausländerbehörde auf und verpflichtete die Beklagte, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen. Zur Begründung der Asylberechtigung wurde ausgeführt, der Kläger habe in seiner Heimat politische Verfolgung bereits erlitten und bei einer Rückkehr drohten ihm derartige Maßnahmen erneut.

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung im Streit um den Asylanspruch trägt der Bundesbeauftragte vor, eine asylerhebliche Verfolgung in die Heimat zurückkehrender Tamilen könne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Im Süden des Landes sei es seit 1983 nicht mehr zu pogromartigen Ausschreitungen gekommen und auch im Norden gebe es keine asylerhebliche Verfolgung. Auch der Kläger habe Verfolgungsmaßnahmen in seiner Heimat nicht zu befürchten.

Der Bundesbeauftragte beantragt das verwaltungsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 des Ausländergesetzes vorliegen.

Er sei wegen seiner Zugehörigkeit. zur Gruppe der jüngeren Tamilen bereits Opfer von Übergriffen der Sicherheitskräfte geworden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 1989 bestätige die Richtigkeit des angegriffenen Urteils.

Die Beklagte ist der Auffassung, das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts bedürfe obergerichtlicher Überprüfung im Sinne des Rechtsmittelführers; einen Antrag stellt sie nicht.

Im Berufüngsverfahren wurden 226 Auskünfte und Berichte über die Verhältnisse in Sri Lanka zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs.3 VwGO).

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung des Bundesbeauftragten ist nicht begründet. Der Kläger hat als politisch Verfolgter nach Art. 16 Abs.2 Satz 2 GG Anspruch auf Asyl. Nach der nunmehr maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 80, 315) ergibt sich unter Würdigung der Darlegungen des Klägers und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse, daß dieser asylberechtigt ist. Der Kläger hat seine Heimat verlassen, weil ihm politische Verfolgung widerfahren ist und er innerhalb Sri Lankas eine ihm zumutbare Zuflucht nicht finden konnte. Bei einer Rückkehr wäre er auch heute vor politischer Verfolgung landesweit nicht hinreichend sicher und außerhalb seines engeren Herkunftsgebiets einer sonst so nicht gegebenen, existentiellen Gefährdung ausgesetzt.

Mit seinen Angaben beim Bundesamt und im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht, daß er in Sri Lanka politisch verfolgt worden ist. Insbesondere hat er überzeugend dargelegt, daß er allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der jungen tamilischen Männer zusammen mit anderen Studenten am 5. September 1983 festgenommen, überwiegend im Palali-Militärlager inhaftiert und dort verhört und mißhandelt wurde; erst nach zehntägiger Haft wurden er und die anderen Studenten wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Schwere dieses Eingriffs und die nach der Haftentlassung fortbestehende Gefährdung werden auch dadurch deutlich, daß der Kläger es nicht wagte, am Hartley-College zu bleiben, und einer Verfolgungswiederholung durch die Rückkehr an den Wohnort seiner Eltern in Karainagar zu entgehen suchte. Auch hier war er jedoch vor Verfolgung nicht sicher. Die ihm in der Folgezeit von staatlichen Sicherheitskräften widerfahrenen Schikanen und Repressalien machen die fortbestehende Gefahr weiterer politischer Verfolgung deutlich. Schon die dem Kläger auferlegte Verpflichtung, sich wöchentlich zunächst in Point Pedro und dann in Kayts auf der Polizeistation zu melden, zeigt, daß die Sicherheitskräfte sich die Möglichkeit einer ständigen Kontrolle und ggf. eines raschen Zugriffs offen halten wollten. Im März 1984 griffen Marinesoldaten den Kläger tätlich an, bedrohten dessen Eltern, verwüsteten das Haus und nahmen alle Wertsachen mit. Veranlaßt waren diese Ereignisse dadurch, daß der Bruder des Klägers das Medizinstudium abgebrochen und sich der Befreiungsorganisation TELO angeschlossen hatte; diesen wollten die Soldaten festnehmen. Dennoch handelt es sich insoweit um staatlichen Gegenterror gegen nahe Angehörige in Form der Sippenhaft, denn keinerlei Anhaltspunkte bestanden für eine eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit der Familienangehörigen. Zu glauben ist dem Kläger auch, daß die Soldaten wegen ihres Vorgehens jedenfalls nicht befürchten mußten, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wurden nämlich Willkürmaßnahmen gegen Tamilen allgemein zumindest geduldet, dann galt das erst recht im Falle eines berechtigten Verdachts terroristischer Aktivitäten gegen ein Familienmitglied. Auch die Festnahme des Klägers aus Anlaß eines Minenanschlags am 8. Juli 1984 verdeutlicht das Ausmaß der fortbestehenden Gefährdung. Nach den auch insoweit überzeugenden Darlegungen des Klägers ist dessen Freilassung noch am selben Tage nämlich eher glücklichen Umständen zuzuschreiben.

Neben den vom Kläger vorgelegten Belegen sprechen auch die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisse für die Richtigkeit seiner Darlegungen: Nach dem Tamilen - Pogrom in der Hauptstadt Colombo und mehreren größeren Orten des Südens und Südwestens im Juli 1983, dem wohl mehr als 1000 Menschen zum Opfer gefallen waren, kam es in den tamilisch besiedelten Gebieten des Nordens und Ostens zu vermehrten Anschlägen militanter Separatistenorganisationen; die staatlichen Sicherheitskräfte antworteten regelmäßig mit Vergeltungsschlägen (Brandstiftungen, zum Teil Abbrennen ganzen Dörfer und Stadtteile, mitunter auch wahlloses Erschießen von "Verdächtigen") und unterzogen im übrigen im Zuge von Razzien die von ihnen anhand von Alter und Geschlecht des Terrorismus besonders verdächtigten Tamilen ständigen Überprüfungen mit teils kürzeren, teils längeren Inhaftnahmen (vgl. Sachdarstellung in BVerfGE 80, 315/320 f.). Das Auswärtige Amt - AA - (Auskunft vom 3. 7. 1984) weist darauf hin, daß sich in der letzten Juli-Woche 1983 Angehörige der. Polizei und der Streitkräfte wohl in beträchtlicher Anzahl der Ermordung von Tamilen und der Zerstörung ihres Eigentums schuldig gemacht hatten, rund 30000 Tamilen in den indischeh Bundesstaat Tamil Nadu und etwa 40000 Tamilen aus den singhalesischen Mehrheitsgebieten auf die Halbinsel Jaffna im Norden des Landes flüchteten. Wie das Auswärtige Amt weiter feststellt, wagte es im weiteren Verlauf nur ein Teil der geflüchteten Tamilen, in die früheren Wohn- und Arbeitsgebiete zurückzukehren; andererseits waren vor der Auskunftserteilung Anfang Juli 1984 erneut verstärkte Ausreisebemühungen jüngerer tamilischer Männer zu beobachten, die fürchteten, bei den häufigen Razzien und Verhaftungsaktionen Opfer von Willkür und Brutalität der Sicherheitskräfte zu werden. Eine weitere Auskunft (AA vom 17. 12. 1984) macht deutlich, daß sich Tamilen in der zweiten Jahreshälfte 1984 zunächst in den singhalesischen Mehrheitsgebieten eher sicherer fühlen konnten als im Norden, wo sie einerseits den Übergriffen der Sicherheitskräfte, andererseits dem Druck der Terroristen aus der eigenen Bevölkerungsgruppe ausgesetzt waren; nach der weiteren Entwicklung des Jahres 1984 schwand jedoch diese vermeintlich größere Sicherheit.

Gerade für die Zeit der vom Klägers dargelegten Verfolgungsmaßnahmen belegen daher auch die beigezogenen Quellen, daß die staatlichen Sicherheitskräfte Anschläge militanter tamilischer Separatistenorganisationen zum Anlaß nahmen, jüngere tamilische Männer allein wegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer Volkszugehörigkeit des Terrorismus zu verdächtigen und mit Willkür und Brutalität, sogar mit Vergeltungsschlägen, die wahlloses Erschießen "Verdächtiger" einschlossen, gegen diese vorzugehen.

Die zehntägige Inhaftierung des Klägers im September 1983 und die Mißhandlungen während der Haft sind in rechtlicher Hinsicht als politische Verfolgung zu werten: Ob eine Verfolgung wegen eines asylerheblichen Merkmals erfolgt, ist anhand ihrer erkennbaren Gerichtetheit zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315/335). Weiter ist inzwischen geklärt, daß unter asylrechtlichen Gesichtspunkten Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung in keinem Fall den Einsatz brutaler Gewalt gegenüber Personen rechtfertigen, bei denen keine über allgemeine Merkmale wie Volkszugehörigkeit, Alter und Geschlecht hinausgehenden objektivierbaren Verdachtsmomente bestehen (vgl. BVerwG vom 20. 11. 1990, InfAuslR 1991, 145/146). Mit dieser Rechtsprechung stimmt die vom Senat seit Dezember 1989 vertretene Auffassung überein, das willkürliche und brutale Vorgehen staatlicher Sicherheitskräfte gegen jüngere tamilische Männer ab Juli 1983 und während des Jahres 1984 sei asylrechtlich auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich militante tamilische Separatistenorganisationen vornehmlich aus diesem Kreis rekrutierten. Hier hat der Kläger zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht, daß es neben den Merkmalen der Zugehörigkeit zur Gruppe der jüngeren tamilischen Männer kein objektivierbares Verdachtsmoment für seine Inhaftlerung gab. Der fehlende Anlaß für eine Maßnahme im Zuge der Strafverfolgung, die Zahl und die Zusammensetzung der Inhaftierten sind ausreichende objektive Anhaltspunkte für die Feststellung einer erkennbaren Gerichtetheit der Verfolgung auf die tamilische Volkszugehörigkeit. Es handelte sich ersichtlich um eine Aktion bloßen Gegenterrors gegen jüngere Tamilen, die nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) selbst in der Krisensituation eines Guerilla-Bürgerkriegs asylerheblich wäre.

Für bürgerkriegsähnliche Verhältnisse im September 1983 gibt es allerdings ohnehin keine Anhaltspunkte. Den beigezogenen Erkenntnissen ist nichts dafür zu entnehmen, daß schon damals Anschläge tamilischer Befreiungsorganisationen im Norden des Landes die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit beseitigt oder auch nur in Frage gestellt hätten. Erst im Laufe des Jahres 1984 war wegen zunehmender Anschläge militanter Separatistenorganisationen in den Tamilengebieten im Norden und Osten eine gespannte Lage entstanden (vgl. AA vom 3.7. und 7. 12. 1984, 8. 1. 1985); bis etwa Mitte November oder bis Jahresende 1984 war das staatliche Gewaltmonopol nicht in der Weise ausgehöhlt, daß die herkömmlichen Abwehrmittel des Polizei- und Strafrechts zur Bekämpfung des Terrorismus nicht mehr ausgereicht hätten und der Staat gezwungen gewesen wäre, zum Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum seiner Bürger militärisch-kriegerische Mittel einzusetzen. Allein der Umstand, daß tatsächlich Militär zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt wurde, ist kein Hinweis auf eine beseitigte, ungenügend wirksame oder ernsthaft bedrohte staatliche Gebietsgewalt, zumal Länder wie Sri Lanka Polizeiaufgaben häufig durch militärische Einheiten wahrnehmen lassen und die etwa in der Bundesrepublik übliche Aufgabenteilung nicht kennen. Die staatliche Überreaktion durch den massiven Einsatz von Soldaten hat sich allerdings insofern ausgewirkt, als das Militär zu einem Gegenterror in der Lage war, der mit polizeilichen Kräften nicht hätte praktiziert werden können. Vergeltungsschläge des Militärs gegen am Terrorismus gänzlich unbeteiligte Tamilen und das willkürliche und brutale Vorgehen gegen jüngere tamilische Männer, die allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Alters und Geschlechts als angeblich Verdächtige inhaftiert und mißhandelt wurden, waren zur Bekämpfung des Terrorismus weder geeignet noch asylrechtlich gerechtfertigt. Anstelle der wohl beabsichtigten Disziplinierung und Einschüchterung der tamilischen Bevölkerung bewirkten die Maßnahmen letztlich, daß der Gewaltanwendung bejahende tamilische Separatismus Auftrieb erhielt, die Ereignisse eskalierten und ab November 1984 oder um die Jahreswende 1984/85 tatsächlich Bürgerkrieg herrschte. Weiterhin besteht auch kein Zweifel, daß die srilankische Regierung das Vorgehen ihrer Sicherheitskräfte gegen jüngere Tamilen billigte oder zumindest duldete. Nach den Ereignissen vom Juli 1983 hatte die Regierung zwar zunächst noch disziplinarische Maßnahmen gegen Angehörige der Streitkräfte ergriffen, die sich an den Ausschreitungen gegen Tamilen beteiligt hatten (AA vom 3. 7. 1984); aus dem beigezogenen Material ergeben sich aber keine Hinweise, daß die Regierung in der Folgezeit auch nur versucht hätte, das weitere brutale Vorgehen ihrer Sicherheitskräfte gegen junge Tamilen zu unterbinden oder zu ahnden. Die Soldaten konnten offenbar ungehindert jüngere tamilische Männer inhaftieren und mißhandeln, auch wenn es nicht die geringsten Anhaltspunkte für eine wie auch immer geartete Unterstützung des Terrorismus gab. Einer derartigen Aktion staatlichen Gegenterrors war auch der Kläger im September 1983 ausgesetzt.

Fraglich könnte allerdings sein, ob der Kläger seine Heimat unter dem Druck einer noch fortbestehenden Verfolgungsbetroffenheit verlassen hat, denn seit der im September 1983 erlittenen politischen Verfolgung und der im Dezember 1984 schließlich erfolgten Ausreise sind 15 Monate vergangen. Nach den hier vorliegenden Einzelumständen ergibt sich aber bei objektiver Betrachtung, daß die Flucht noch unter dem Druck der erlittenen Verfolgung erfolgte und der für eine Asylgewährung erforderliche Kausalzusammenhang Verfolgung-Flucht-Asyl noch gewahrt ist. Wie bereits ausgeführt, manifestierte sich die Gefahr erneuter Verfolgung bereits durch die dem Kläger auferlegte Verpflichtung, sich bei der Polizeibehörde regelmäßig zu melden. Die ihm im März 1984 widerfahrene Mißhandlung war zwar ihrer Gewichtigkeit nach für sich betrachtet nicht asylerheblich, an einer asylrelevanten Motivation ist jedoch nicht zu zweifeln. Die beabsichtigte Festnahme des Bruders ist nicht geeignet, auch brutales Vorgehen gegen Eltern und Geschwister asylrechtlich zu rechtfertigen. Diese waren einer Unterstützung des Terrorismus selbst nicht verdächtig und die nahe Verwandtschaft ist kein objektivierbares Verdachtsmoment für eine derartige Unterstützung. Überdies bestätigen die bereits genannten Auskünfte, daß in Sri Lanka Sippenhaft dieser Art allein gegen Angehörige der tamilischen Minderheit betrieben und im Rahmen der sonstigen Willkürmaßnahmen gegen Tamilen von der Regierung gebilligt oder zumindest geduldet wurde. In Anbetracht der weiteren Nachforschungen der Sicherheitskräfte mußte der Kläger befürchten, jederzeit wieder festgenommen, längere Zeit inhaftiert und mißhandelt zu werden. Die ebenfalls bereits erwähnte Festnahme des Klägers am 8. Juli 1984 zeigt darüberhinaus die fortbestehende Verfolgungsgefahr, denn für die Zukunft konnte der Kläger nicht erwarten, bei vergleichbaren Anlässen von einer Inhaftierung verschont zu bleiben.

Insgesamt betrachtet verdeutlichen diese Vorkommnisse im Laufe des Jahres 1984, daß der Kläger nach der Haftentlassung im September 1983 auch durch einen Wechsel seines Aufenthaltsorts Schutz vor Verfolgung nicht finden konnte und noch im Dezember 1984 seine Heimat aus begründeter Furcht vor einer Verfolgungswiederholung verließ. Daß bei der Ausreise bereits bürgerkriegsähnliche Verhältnisse in seiner engeren Heimat herrschten, unterbricht den Kausalzusammenhang zwischen der erlittenen politischen Verfolgung und der Flucht nicht (vgl. BVerwG vom 20. 11. 1990, a.a.O.).

Eine "Vorverfolgung" ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger von August bis Oktober 1984 gelegentlich die Befreiungsbewegung TELO mit Nahrungsmitteln und Informationen über die srilankischen Streitkräfte unterstützte. Dazu hat der Kläger dargelegt, daß die Organisation ihn zum Beitritt aufgefordert hatte und er an einer Ausbildung an Waffen teilnehmen sollte; einer Zwangsrekrutierung konnte er nur dadurch entgehen, daß er sich wenigstens zu den genannten Unterstützungshandlungen bereit erklärte. Überzeugt von der Richtigkeit dieser Schilderung ist der Senat auch deshalb, weil ein entsprechender Druck tamilischer Terroristen auf die tamilische Bevölkerung damals allgemein praktiziert wurde (vgl. AA vom 17. 12. 1984). Bei einer derart erzwungenen Unterstützung terroristischer Aktivitäten können die deshalb drohenden Verfolgungsmaßnahmen dennoch asylrelevant sein (BVerfGE 80, 315/339). Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang weiter, daß der Kläger in einer Zeit willkürlicher Verdächtigungen junger Tamilen nicht hoffen konnte, im Fall seiner Ergreifung werde bei den weiteren Maßnahmen berücksichtigt, daß er sich den eher unbedeutenden Hilfsdiensten für die militante Organisation aus Furcht um sein Leben nicht entziehen konnte.

In seiner bedrängten Situation hatte der Kläger nicht die Möglichkeit einer ihm zumutbaren Zuflucht in anderen Teilen Sri Lankas. Allenfalls hätte er sich der ihm im Norden unmittelbar drohenden Verfolgung durch eine Flucht in den mehrheitlich singhalesisch besiedelten Süden entziehen können, denn in den Tamilengebieten nahm die Gefahr asylrelevanter Übergriffe der staatlichen Sicherheitskräfte ständig zu. 1984 wurde zunächst zwar weithin angenommen, Tamilen könnten sich im Süden eher sicherer fühlen. In der ersten Hälfte des Jahres hatte die Regierung nach langem Schweigen öffentliche Garantien für die Sicherheit auch der in den Gebieten mit singhalesischer Mehrheit lebenden Tamilen abgegeben und - für das Auswärtige Amt (vgl. Auskunft vom 3. 7. 1984) glaubwürdig - versichert, die Ereignisse vom Juli 1983 würden sich nicht wiederholen. Tatsächlich bestand jedoch weiterhin die Gefahr eines erneuten Pogroms. Die im Süden in der Zeit von 1977 bis 1983 in etwa zweijährigen Abständen aufgetretenen Unruhen zeigen bereits, daß bei entsprechendem Anlaß erneute blutige Unruhen zu befürchten waren. Auch das Auswärtige Amt erkannte alsbald (Auskunft vom 17. 12. 1984), daß die vermeintlich größere Sicherheit der Tamilen in den Singhalesengebieten nach der letzten Entwicklung geschwunden war. Glaubwürdig sei zwar die von der Regierung erklärte Schutzbereitschaft, die antitamilischen Ausschreitungen vom Juli 1983 hätten jedoch gezeigt, daß sich die Regierung auf die Disziplin ihrer Sicherheitskräfte nicht unbedingt verlassen könne und Zweifel an deren Verläßlichkeit erschienen auch gegenwärtig berechtigt. Dieser Beurteilung des Auswärtigen Amtes vom Dezember 1984 hat sich der Senat bereits in seinen ersten Entscheidungen über Asylbegehren von Tamilen (vgl. etwa Urteil vom 15. 5. 1986, insoweit in InfAuslR 1986, 243 nicht abgedruckt) angeschlossen und darauf hingewiesen, daß völlig ungewiß sei, ob die Vorsorgemaßnahmen der Regierung ausreichen; eine "erfolgreiche" Aktion der tamilischen Separatisten könne im Süden Ausschreitungen gegen die tamilische Minderheit in einem Umfang auslösen, denen die Sicherheitskräfte - deren Schutzbereitschaft unter derartigen Verhältnissen ohnehin nicht mehr zu bejahen sein dürfte - jedenfalls nicht gewachsen wären. Der Senat sieht auch heute keinen Grund für eine abweichende Beurteilung. Richtig ist zwar, daß es - wie jetzt bekannt ist im Süden glücklicherweise nicht zu einem weiteren Progrom gekommen ist. Diese Entwicklung widerlegt aber nicht die damals durchaus berechtigte Befürchtung, Tamilen habe Ende 1984 gedroht, Opfer eines erneuten Progroms zu werden. Damit steht fest, daß dem Kläger damals im Süden eine existentielle Gefahr drohte, die so in seinem, engeren Herkunftsgebiet nicht bestand. In Anbetracht der Gesamtsituation in Sri Lanka besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Auswärtigen Amtes (Auskunft vom 17. 12. 1984), daß es für Tamilen eine Fluchtalternative in Sri Lanka nicht gab.

Weitere Zufluchtsmöglichkeiten bestanden für den Kläger im singhalesisch besiedelten Süden des Landes nicht, wie das Vorgehen der Sicherheitskräfte (vgl. AA vom 17. 12. 1984) und der Umfang der Ausschreitungen vom Juli 1983 (vgl. BVerfGE a.a.O.), die sich entsprechend flächendeckend jederzeit wiederholen konnten, zeigen. Es mag zwar sein, daß die Gefährdung des Klägers im Norden und insbesondere in Karainagar nicht geringer war als im Süden des Landes, etwa weil der Kläger in seinem Herkunftsgebiet durch einen wahllosen Vergeltungsschlag der Sicherheitskräfte ebenso sein Leben verlieren konnte wie bei Ausschreitungen der Singhalesen gegen die tamilische Minderheit im Süden. Entscheidend kommt es wegen der Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative aber darauf an, ob eine existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestand (BVerfGE a.a.O. Seite 343 f.). Dazu hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 22. 3. 1991 - 2 BvR 1025/90) nunmehr weiter klargestellt, daß der von regionaler politischer Verfolgung Betroffene nicht darauf verwiesen wird, sich infolge seiner Flucht vor politischer Verfolgung erstmals andersgearteten, aber doch gleichgewichtigen Beeinträchtigungen auszusetzen. Die für jeden mit den Verhältnissen in Sri Lanka auch nur annähernd Vertrauten ohnehin auf der Hand liegende, lapidare Feststellung des Auswärtigen Amtes vom 17. Dezember 1984, daß es für Tamilen eine Fluchtalternative in Sri Lanka nicht gibt, erweist sich daher nicht nur nach den damaligen Umständen, sondern auch in rechtlicher Hinsicht als zutreffend. Der Kläger hat Sri Lanka im Dezember 1984 daher wegen der dort für ihn ausweglosen Lage als "Vorverfolgter" verlassen.

Heute wäre der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat landesweit vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher und außerhalb seines engeren Herkunftsgebiets einer sonst so nicht gegebenen, existentiellen Gefährdung ausgesetzt. Bei einer Ankunft am Flughafen bei Colombo müßte der Kläger wie andere zurückkehrende jüngere tamilisthe Männer mit vorübergehender Festnahme zum Zweck erkennungsdienstlicher Maßnahmen und Verhören durch die Polizei rechnen; bei dieser Gelegenheit sind zumindest Prügel an der Tagesordnung (AA vom 2. 7. 1991).

Im übrigen ist eine Beurteilung der dem Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat drohenden Verfolgungsgefahren nur möglich, wenn auch die Entwicklung der Verhältnisse in den zurückliegenden Jahren berücksichtigt wird. Die mehrfachen grundlegenden Änderungen der Situation und die entsprechend unterschiedliche Gefährdung von Angehörigen der tamilischen Minderheit über einen längeren Zeitraum und selbst innerhalb des letzten Jahres machen deutlich, daß einerseits der Inhalt aller beigezogenen Erkenntnisse für die Einschätzung von Bedeutung sein kann, andererseits eine genauere Prognose bestehender und künftiger Verfolgungsgefahren nicht möglich ist.

Danach ist festzustellen, daß es von 1977 bis 1983 in jeweils etwa zweijährigen Abständen zu blutigen Unruhen zwischen Singhalesen und Tamilen gekommen ist und schließlich etwa seit Ende 1984 im Norden Sri Lankas Bürgerkrieg herrschte. Der Versuch einer Befriedung durch die im Oktober 1987 ins Land gekommenen und Anfang 1990 wieder abgezogenen indischen Truppen ist gescheitert. In den überwiegend tamilisch besiedelten Gebieten im Norden und Osten der Insel gab es seit 1983 Zeiten relativer Ruhe, Spannungslagen, offene und Guerilla-Bürgerkriegsverhältnisse. Innerhalb dieses Bereichs lag die Gebietsgewalt - auch regional unterschiedlich - zeitweise bei den srilankischen oder den indischen Sicherheitskräften, dann wieder bei Organisationen des tamilischen Aufstands, insbesondere der Tiger-Bewegung. Häufig war eine effektive Gebietsgewalt einer der in Betracht kommenden Parteien im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit nicht gegeben, weil im offenen Bürgerkrieg eine Ordnungsmacht nicht mehr bestand oder durch verbreitete Angriffe der Gegenseite in Frage gestellt war. Auch die am Aufstand gänzlich unbeteiligten Tamilen waren unter diesen häufig wechselnden Verhältnissen unterschiedlich gefährdet. Bei den Rassenunruhen im Juli 1983 kamen wohl mehr als 1.000 Tamilen in den Singhalesengebieten um. In der Folgezeit waren Tamilen im eigenen Siedlungsgebiet auch dann gefährdet, wenn keinerlei Anhaltspunkte für eine Unterstützung des Aufstands gegeben waren. Sie mußten mit Willkürmaßnahmen undisziplinierter srilankischer oder indischer Sicherheitskräfte rechnen; vor allem im Zusammenhang mit Terroranschlägen tamilischer Separatisten kam es zu willkürlich en Inhaftierungen von unterschiedlicher Dauer und oft zu erheblichen Mißhandlungen in der Haft, von denen insbesondere jüngere tamilische Männer betroffen waren. Schließlich verübten staatliche Sicherheitskräfte wahllose Vergeltunesschläge gegen die tamilische Bevölkerung in Form von Brandstiftungen und durch Erschießen angeblich verdächtiger Tamilen. Über einen Zeitraum von Jahren ist zu beobachten, daß es von seiten der srilankischen Regierung nur vereinzelte Ansätze des Versuchs einer Ahndung von Übergriffen ihrer Sicherheitskräfte auf Tamilen gab; der am Aufstand gänzlich unbeteiligte, wehrlose Tamile, der willkürlich ermordet worden war, galt im allgemeinen als bei der Bekämpfung des Aufstands getöteter tamilischer Terrorist. Im Süden Sri Lankas bestand seit etwa Ende 1983 eher eine Ruhelage, die wegen der Gefahr erneuter Pogrome als gespannt bezeichnet werden kann; bis heute war aber die dort lebende tamilishce Minderheit von progromartigen Übergriffen der singhalesischen Bevölkerung nicht mehr betroffen.

Wegen der vorstehend skizzierten Entwicklung bedarf es besonderer Hinweise auf einzelne der zahlreichen beigezogenen Quellen schon deshalb nicht, weil die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünfte, Gutachten, Berichte und zusammenfassenden Darstellungen insoweit im wesentlichen übereinstimmen, schon deshalb keine Zweifel an der Verlâßlichkeit bestehen und von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht werden. Die dennoch in mancher Hinsicht feststellbaren Detailabweichungen sind mit der unterschiedlichen Thematik der Berichte und Auskünfte, einem teilweise unterschiedlichen Erkenntnisstand und mehr oder minder zurückhaltenden Bewertungen zu erklären, für die hier zu beurteilende Asylberechtigung des Klägers aber nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Einzuräumen ist auch, daß eine Beschreibung der jüngsten Entwicklung schon deshalb anders als vorstehend formuliert werden könnte, weil eine eingehendere Schilderung Fakten genauer beschreiben und bestimmte Einzelereignisse hervorheben könnte. Auch darauf kommt es bei einer bloßen Skizzierung der jüngsten Entwicklung, die sich im wesentlichen auf bereits zeitgeschichtlich gesicherte Fakten beschränkt, nicht an. Die Zusammenfassung der Verhältnisse in den vergangenen Jahren unter dem Aspekt der Gefährdung der tamilischen Minderheit durch staatliche oder staatlich geduldete Eingriffe dient lediglich dem Zweck, bei der erforderlichen Prognose zur Frage einer asylerheblichen Verfolgung des Klägers auf absehbare Zeit die Bandbreite der in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten aufzuzeigen.

Insoweit wird wegen der bisher häufig binnen kurzem grundlegend veränderten Situation deutlich, daß es für die asylrechtliche Beurteilung nicht ausreichend wäre, lediglich die gegenwärtige Lage und die sich daraus ergebende Gefährdung für den Kläger zugrundezulegen. Angesichts der Bürgerkriegslage im Norden Sri Lankas wäre es ebenfalls verfehlt, allein darauf abzustellen, wie die Situation derzeit im engsten Herkunftsgebiet des Klägers zu beurteilen ist. Jedenfalls bezogen auf die Verhältnisse in Sri Lanka wäre es in zeitlicher wie in räumlicher Hinsicht unangebracht, die tatrichterliche Beurteilung auf das gegenwärtige oder das als unmittelbar bevorstehend erkennbare Geschehen in einem kleinräumig abgegrenzten Gebiet einzuengen. Herrscht nämlich im Norden Sri Lankas Bürgerkrieg in der Weise, daß unter Fortsetzung der bewaffneten Auseinandersetzungen gewisse Gebietsanteile durch Regierungstruppen, andere durch den tamilischen Widerstand kontrolliert werden (vgl. dazu AA vom 14.12.1990), dann ist ohne Bedeutung, durch wen Karainagar derzeit beherrscht wird oder ob dieser Ort gerade umkämpft ist. Ohnehin sind für die Prognose zur Gefährdung des Klägers folgende Möglichkeiten, die sich unter Berücksichtigung der bisherigen Entwicklung auch innerhalb absehbarer Zeit wiederum ergeben können, in Betracht zu ziehen: Offener oder Guerilla-Bürgerkrieg zwischen den "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) und staatlichen Kräften kann anhalten, der Regierung kann es gelingen, den Norden insgesamt im Sinne gefährdeter oder unangefochtener Gebietsgewalt unter ihre Kontrolle zu bringen und dieselbe Möglichkeit im Sinne der Ausübung staatsähnlicher Befugnisse einschließlich der Übernahme der Zivilverwaltung besteht auch für eine tamilische Separatistenorganisation, insbesondere die LTTE.

Die größte Gefährdung für den Kläger in seinem engeren Herkunftsgebiet besteht unter Bürgerkriegsverhältnissen und dann, wenn staatliche Hoheitsgewalt durch gehäufte Überfälle und Terroranschläge tamilischer Separatisten in Frage gestellt ist. In vergleichbarer Situation waren schon früher auch diejenigen Tamilen, die am Aufstand gänzlich unbeteiligt und einer Unterstützung der gewalttätigen Separatisten auch nicht verdächtig waren, wahllosen Vergeltungsschlägen ausgesetzt; vor allem jüngere tamilische Männer wurden schon wegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer tämilischen Volkszugehörigkeit des Terrorismus verdächtigt, auch über längere Zeit inhaftiert und häufig erheblich mißhandelt oder wurden sonst Opfer von Willkür und Brutalität der staatlichen Sicherheitskräfte (vgl. BVerfGE a.a.O Seite 321, BayVGH a.a.O, AA vom 8.1.1985).

Heute ist die Lage ähnlich: Die Luftwaffe sollte bei Angriffen in dem im Juni 1990 erneut begonnenen Bürgerkrieg zwar die unbeteiligte Bevölkerung schonen, tatsächlich gab es aber unterschiedslose Bombardierungen sowie Angriffe auf bloße Menschenansammlungen und auch im Zusammenhang mit Bodenkämpfen kommt es in Abhängigkeit von der Situation und dem jeweiligen Kommandeur der Streitkräfte zu von der Regierung geduldeten Übergriffen auf unbeteiligte Tamilen. Auf tamilischer Seite wird der Krieg allein von der LTTE getragen, die große Mehrheit der Bevölkerung ist ungleich mehr Opfer als Beteiligte an den Auseinandersetzungen und versucht, sich den Kämpfen durch die Flucht zu entziehen (vgl. AA vom 14.12.1990).

Soweit die srilankische Regierung aber im Bürgerkrieg versucht, durch militärische Aktionen die Gebietsgewalt zurückzugewinnen oder zu verteidigen, erscheinen staatliche Maßnahmen im allgemeinen nur dann als politische Verfolgung, wenn sie auf die physische Vernichtung von Personen abzielen, die keinen Widerstand mehr leisten oder an den Auseinandersetzungen unbeteiligt waren. Maßnahmen dieser Art sind in ähnlicher Weise und mit Duldung der Regierung schon vor Jahren wie auch jüngst (vgl. AA vom 14.12.1990) vorgekommen und sind auch auf absehbare Zeit zu befürchten; ob für jüngere tamilische Männer, denen auch der Kläger zuzurechnen ist, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit asylerheblicher Übergrifte der Sicherheitskräfte - die schon früher nicht von der Hand zu weisen war (BVerfGE vom 5.3.1990, InfAuslR 1990, 165) - heute zu bejahen ist, kann hier offenbleiben. Jedenfalls ist der Kläger, nicht vor politischer Verfolgung sicher, weil weiterhin Tamilen, die sich am Aufstand nicht beteiligen und diesen auch nicht im Vorfeld unterstützen, durch von der Regierung geduldete Übergriffe der Sicherheitskräfte getötet werden. Diese Übergriffe sind zwar seit dem Beginn der Bürgerkriegsauseinandersetzungen im Juni 1990 nicht an der Tagesordnung, wie etwa ein Vergleich der Lageberichte und Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 13. Juli, 8. und 29. August, 29. November und 14. Dezember 1990, 16. Januar und 31. Juli 1991 zeigt. Sie haben sich aber in annähernd vergleichbarer Situation schon früher ereignet und wurden von der Regierung zumindest geduldet (vgl. insbesondere AA vom 8.1.1985), kamen in jüngster Zeit vor und sind deshalb auf absehbare Zeit weiter zu befürchten. Unter Würdigung der bisherigen Ereignisse läßt sich daher zusammenfassend feststellen, daß auch der Kläger unter Bürgerkriegsverhältnissen in seinem engeren Herkunfsgebiet derzeit und künftig nicht hinreichend davor sicher ist, wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit mit Duldung der Regierung von den Sicherheitskräften getötet zu werden.

In Spannungslagen unterhalb der Schwelle offenen oder Guerilla-Bürgerkriegs besteht ebenfalls die Gefahr willkürlichen Vorgehens in der Form asylerheblicher Eingriffe gegen Tamilen durch staatliche Sicherheitskräfte. Wie die bisherige Entwicklung zeigt (vgl. die vorstehenden Ausführungen zu den vergleichbaren Verhältnissen im Jahre 1984 und die dazu zitierten Auskünfte), waren von Maßnahmen wie längerer Inhaftierung und erheblichen Mißhandlungen vor allem diejenigen betroffen, die als jüngere tamilische Männer willkürlich einer Beteiligung am tamilischen Aufstand verdächtigt wurden. Aus den beigezogenen Erkenntnissen ist nichts dafür zu entnehmen, daß etwa unter der Präsidentschaft von Premadasa oder wegen einer sonstigen wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht mehr zu befürchten wäre, daß willkürlich gravierende Maßnahmen mit Billigung der Regierung gegen Tamilen ergriffen werden, die lediglich wegen ihres Alters und Geschlechts als "verdächtig" angesehen werden. Auch in dieser Situation ist der Kläger wie schon 1983 und 1984 nicht davor hinreichend sicher, wegen seiner Volkszugehörigkeit politische Verfolgung zu erleiden.

Ob der Kläger unter anderen, ebenfalls in absehbarer Zeit möglichen Szenarien - etwa gänzlich unangefochtene staatliche Gebietshoheit oder entsprechende staatsähnliche Gebietshoheit der LTTE - asylerheblich gefährdet wäre, bedarf keiner weiteren Prüfung. Es steht nämlich bereits fest, daß er schon unter den derzeit in seinem engeren Herkunftsgebiet herrschenden Bürgerkriegsverhältnissen vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher ist und dasselbe für eine Situation gilt, in der der Staat dort die Gebietsgewalt im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit zurückerlangt und weitere Anschläge mit den herkömmlichen Mitteln des Polizei- und Strafrechts abwehren und ahnden kann. Seit den Ereignissen vom Juli 1983 wird in keiner einzigen der beigezogenen Quellen für eine vergleichbare Lage im Norden behauptet oder auch nur angedeutet, daß jüngere tamilische Männer jemals vor asylerheblichen Eingriffen der staatlichen Sicherheitskräfte sicher gewesen wären.

Weiter zu prüfen ist deshalb lediglich, ob sich dem Kläger heute eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet. Bereits aus den vorstehenden Ausführungen folgt ohne weiteres, daß der Kläger nicht nur in seinem engeren Herkunftsgebiet, sondern auch im gesamten tamilisch besiedelten Norden Sri Lankas vor politischer Verfolgung nicht sicher ist, denn unabhängig von den - kleinräumig gesehen - derzeit regional feststellbaren Unterschieden ist die Bandbreite der möglichen Entwicklung auf absehbare Zeit dort nicht anders zu beurteilen als im Herkunftsgebiet des Klägers. Dasselbe gilt für die heute durchaus deutlicher unterschiedlichen Verhältnisse in tamilisch oder gemischt besiedelten Gebieten im Osten. Allgemein läßt sich feststellen, daß staatliche Gebietsgewalt dort nach räumlicher Erstreckung und Wirksamkeit in größerem Umfang zurückerobert wurde als im Norden. Zu einer hinreichenden Sicherheit vor politischer Verfolgung insbesondere für Jüngere tamilische Männer hat das nicht geführt, wie etwa das Vorgehen der Sicherheitskräfte bei sogenannten screening actions zeigt; die weitere Bemerkung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 16.1.1991), der "tamilischen Zivilbevölkerung werde in den von Regierungstruppen besetzten Orten nicht sonderlich zugesetzt" läßt keinen Raum für die Hoffnung, Tamilen seien dort vor asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen sicher. Abgesehen davon ist es vor allem im Osten zu wahllosen Vergeltungsschlägen gekommen, von Verhaftungen bei Großrazzien sind wiederum besonders junge Tamilen betroffen und bei den "cordon and search operations" wird willkürlich verhaftet und es kommt immer wieder zur Ermordnung Unschuldiger (vgl. Keller-Kirchhoff vom 25.1.1991 und 21.12.1990, AA vom 31.7.1991). Bereits diese Auskünfte zu aktuellen Ereignissen lassen keinen Zweifel aufkommen, daß vor allem Jüngere tamilische Männer nicht davor hinreichend sicher sind, wegen ihrer Volkszugehörigkeit gravierende Verfolgung zu erleiden.

In den übrigen, mehrheitlich singhalesisch besiedelten Gebieten Sri Lankas wäre der Kläger ebenfalls nicht vor politischer Verfolgung sicher. Angesichts der ihnen drohenden Gefahren für Leib und Leben sind zwar viele Tamilen nach Indien oder innerhalb des Landes vor allem in den ihnen sicherer scheinenden Süden, insbesondere in den Großraum Colombo, geflüchtet. Dort wurden im Juni 1990 Tamilen zu Hunderten (AA vom 8.8.1990) oder zu Tausenden (Keller-Kirchhoff vom 21.12.1990; FR vom 13.7.1990) festgenommen. Übereinstimmung hat sich nur insoweit ergeben, als nur ein Teil der Verhafteten wieder auf freien Fuß gesetzt wurde (so schließlich auch AA vom 29.11.1990). Verhaftungen gab es auch in anderen Regionen des Südens und Anlaß der Haft konnte schon sein, daß Tamilen keinen "valid reason" für ihren Aufenthalt im Süden angeben konnten (Keller-Kirchhoff 5.7. und 21.12.1990, 25.1.1991; vgl. auch FR vom 12.10.1990). Bereits diese Vorgänge - selbst wenn man sich an den Zahlenangaben des AA orientiert – zeigen, daß Tamilen im Süden vor einer gegen ihre Volkszugehörigkeit gerichteten Verfolgung in der Form längerer Haft auch heute nicht hinreichend sicher sein können, denn nichts spricht dafür, daß eine Wiederholung der Ereignisse als unwahrscheinlich angesehen werden könnte. Eine Haft zum Schutz der Betroffenen ist nach den Umständen des Vorgehens der Sicherheitskräfte nicht anzunehmen. Zweck des Vorgehens mag einerseits gewesen sein, gewalttätige Separatisten aufzuspüren, andererseits sollte den tamilischen Flüchtlingen offenbar deutlich gemacht werden, daß sie außerhalb des eigenen Siedlungsgebiets mit einer Behandlung als "unerwünschte Person" zu rechnen haben. Beide Zwecke rechtfertigen unter asylrechtlichen Gesichtspunkten Massenverhaftungen nicht; vielmehr ist hinreichend deutlich zu erkennen, daß aus der Sicht der staatlichen Sicherheitskräfte bereits die tamilische Volkszugehörigkeit als Anlaß für gravierende Eingriffe in die persönliche Freiheit genügt. Die willkürliche Anknüpfung an die Volkszugehörigkeit begründet die Beurteilung der Maßnahmen als politische Verfolgung. Die inzwischen eingetretene Besserung der Verhältnisse im Sinne einer geringeren Gefährdung der Tamilen, die einer Unterstützung der LTTE nicht verdächtig sind (vgl. AA vom 8.8.1991), begründet insbesondere im Hinblick auf die Vorkommnisse des Jahres 1990 und die weiterhin instabile Situation noch nicht die Beurteilung, jüngere tamilische Männer seien auch auf absehbare Zeit vor asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Sicherheitskräfte hinreichend sicher.

Abgesehen davon kann der Kläger im Süden eine ihm zumutbare Zuflucht deshalb nicht finden, weil ihm dort erhebliche Nachteile und Gefahren drohen, denen er in seinem Herkunftsgebiet so nicht ausgesetzt wäre und die ihrer Gewichtigkeit nach asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen. Dabekann unberücksichtigt bleiben, daß im Hinblick auf die Kämpfe im Norden und Osten schon 1990 die Gefahr eines erneuten Pogroms in den anderen Landesteilen nicht auszuschließen war (AA vom 29.8. und 29.11.1990, Keller-Kirchhoff vom 21.12.1990). Das Auswärtige Amt (vgl. Auskünfte vom 29.11. und 14.12.1990) weist jedoch weiter darauf hin, daß sich die aus ihren angestammten Siedlungsgebieten geflüchteten Tamilen - von Colombo abgesehen - überwiegend deshalb in Flüchtlingslagern aufhalten dürften, weil ihnen angesichts des Land- und Wohnungsmangels und großer Arbeitslosigkeit keine andere Wahl bleibt. In Colombo lebten diese wie die dort bereits ansässigen Tamilen unbehelligt. Jedoch wäre es für den durchschnittlichen tamilischen Flüchtling ohne Geld, Familienrückhalt oder Verbindungen außerordentlich schwer bis unmöglich, angesichts verbreiteter Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und generell niedrigen Lebensstandards in den singhalesischen Gebieten wirtschaftlich sein Auskommen zu finden. Das Auswärtige Amt hebt weiter hervor, daß von "der Fluchtalternative" häufig in Verbindung mit dem Versuch Gebrauch gemacht wird, ein Visum für einen Daueraufenthalt im Ausland zu erlangen (Lagebericht vom 16.1. und 31.7.1991). Diese Angaben stimmen im wesentlichen mit anderen Situationsbeschreibungen (Keller-Kirchhoff vom 21.12.1990 und 25.1.1991) überein. Daraus ergibt sich zusammenfassend, daß es auch dem Kläger in den mehrheitlich singhalesisch besiedelten Gebieten nahezu unmöglich ist, zur Sicherung seiner Existenz Arbeit und Obdach zu finden. Auf Frage hat der Kläger zur Überzeugung des Senats dargelegt, er habe in Colombo oder sonst im Süden weder Verwandte noch Bekannte, die ihn aufnehmen und unterstützen könnten. Ohne derartige Hilfe ist aber nicht zu erkennen, wie der Kläger Besseres finden könnte als ein Dahinvegetieren noch unterhalb des Existenzminimums; Hunger und Elend drohen ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Der Senat ist auch überzeugt von der Richtigkeit der Darstellung von Keller-Kirchhoff (21.12.1990), daß ein aus dem Ausland zurückkehrender Tamile auch keinen Grund zu der Hoffnung hat, als Flüchtling in eines der zahlreichen Lager aufgenommen zu werden und dort sein Leben fristen zu können. Abgesehen davon wäre ihm das dürftige Leben in einem Flüchtlingslager auf Dauer auch nicht zuzumuten.

Bei der rechtlichen Beurteilung der Anforderungen an eine zumutbare Fluchtalternative ist der Senat an die grundlegenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (insbesondere BVerfGE 80, 315) gebunden; auch ohne diese Bindung ergäbe sich aber keine andere Beurteilung, weil der Senat die Rechtsauffassung des Verfassungsgerichts teilt. Vom Bundesverwaltungsgericht ist die Beurteilung des Senats jedoch mehrfach mit dem Hinweis beanstandet worden, das Abstellen auf die individuellen Verhältnisse des Asylsuchenden werde der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise (BVerwG vom 8.2.1989 - 9 C 30.87) nicht gerecht. Abgesehen davon, daß das Bundesverwaltungsgericht wohl selbst von der im Februar 1989 vertretenen Ansicht abgerückt ist (vgl. Urteil vom 6.3.1990, InfAuslR 1990, 211 und vom 30.4.1991 - 9 C 105.90), läßt sich die Frage einer Existenzgefährdung in den als Zufluchtsmöglichkeit in Betracht kommenden Landesteilen ohne Rücksicht auf individuelle Umstände oft nicht beantworten. Lebten etwa wohlhabende Eltern des Klägers in Colombo, dann wäre anzunehmen, daß dieser dort Aufnahme und Unterhalt findet und von einer Gefährdung seiner Existenz könnte keine Rede sein. Auf eine weitere Erörterung dieser Fragen kommt es aber ohnehin nicht an. Nur ausnahmsweise nämlich haben Tamilen aus dem Norden Verwandte oder Freunde im Süden, die in der Lage und bereit sind, ihnen auf Dauer Obdach und Unterhalt zu sichern. Mit der tatrichterlichen Feststellung, derart besonders günstige Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor, ist daher nur ausgesagt, daß eine Fallgestaltung zu beurteilen ist, die auch nach der vom Bundesverwaltungsgericht für geboten gehaltenen generalisierenden Betrachtungsweise zugrunde zu legen wäre.

Die Zumutbarkeit einer Zuflucht im Süden ist auch nicht deshalb zu bejahen, weil eine existentielle Gefährdung so am Herkunftsort des Klägers ebenfalls bestünde. Wie die aktuellen Berichte und Auskünfte übereinstimmend belegen, ist der Beigeladene zwar im Norden nicht weniger gefährdet. Die aus der Bürgerkriegslage herrührenden Gefahren für Leib und Leben sind offenbar Motiv der Flucht für mehrere 100.000 Tamilen. Diese aktuelle Lebensbedrohung im Bürgerkrieg veranlaßt viele Tamilen, Zufluchtsmöglichkeiten im Inland wie im Ausland zu suchen. Ungeachtet der Gefahr einer Verelendung im Süden des Landes wird versucht, zunächst das Leben vor einer aktuelleren Bedrohung im Norden zu retten, zumal häufig die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Flucht in ein aufnahmebereites Land, gelegentlich wohl auch auf eine Besserung der Verhältnisse im Norden bleibt. Rechtlich gesehen ist die Zumutbarkeit einer Fluchtalternative im Süden nicht wegen der Gleichgewichtigkeit der Gefährdungen zu bejahen. Flüchtlingen die Anerkennung als politisch Verfolgte deshalb zu verweigern, weil ihnen die Wahl des Dahinvegetierens unter dem Existenzminimum im Süden angesichts der Bürgerkriegsgefährdung im Norden zumutbar sein sollte, wäre zynisch und mit der humanitären Intention des Asylrechts unvereinbar. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 22.3.1991 a.a.O.) hat zutreffend erkannt, daß Asylbewerber nicht darauf verwiesen werden dürfen, sich andersartigen aber doch gleichgewichtigen Beeinträchtigungen auszusetzen. Bereits die vorstehenden Darlegungen erweisen aber ohne weiteres die Andersartigkeit der Gefährdung am Zufluchtsort im Süden. In der engeren Heimat kann sich der aus dem Norden stammende Tamile regelmäßig aufgrund einer Familienbindung, der Kenntnis der Verhältnisse in vertrauter Umgebung und eines Geflechts von Kleinbeziehungen ungeachtet der allgemein wirtschaftlich sehr schlechten Lage "über Wasser halten", ist aber ständig der Gefahr ausgesetzt, durch Bürgerkriegsereignisse umzukommen. Im Süden hingegen ist er "ausgegrenzt", findet unter der mehrheitlich singhalesichen Bevölkerung weder Aufnahme, Hilfe noch Existenzmöglichkeit durch Arbeit, die ihm ein menschenwürdiges Dasein auf absehbare Zeit ermöglichen könnten.

Mangels zumutbarer Zufluchtsmöglichkeit innerhalb Sri Lankas ist der Kläger daher auch nach den derzeit gegebenen Verhältnissen als politisch Verfolgter asylberechtigt. Die Berufung des Bundesbeauftragten ist danach zurückzuweisen.

II.

Der im Berufungsverfahren erweiterten Klage mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG vorliegen, ist stattzugeben.

Nach dem Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I S.1354) - wegen der hier anzuwendenden Bestimmungen jeweils in Kraft getreten am 1. Januar 1991 - wird durch die Neufassung von § 7 Abs.1 AsylVfG mit jedem Asylantrag auch die Feststellung beantragt, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG vorliegen; auch darüber hat das Bundesamt nach der nunmehr in § 12 Abs.6 Satz 3 AsylVfG getroffenen Regelung zu entscheiden. Weil besondere Übergangsbestimmungen nicht bestehen, gilt die Neuregelung für alle Agylanträge, über die noch nicht abschließend entschieden ist. Der erkennende Senat (vgl. auch Urteil vom 19.4.1991 - 24 B 88.30625) weicht nur insofern von der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 25.2.1991 - 12 UE 2106/87) ab, als er eine entsprechende Erweiterung der anhängigen Asylklagen kraft Gesetzes verneint: Der beim Bundesamt erfolglose Asylbewerber kann zwar nach Ablauf der Regelfrist von drei Monaten des § 75 VwGO seit Inkrafttreten der Neuregelung seine bereits anhängige Klage durch eine sachdienliche Änderung (§ 91 Abs.1 VwGO) zulässigerweise erweitern. Er braucht das aber insbesondere im Falle eines anhängigen Berufungsverfahrens etwa im Hinblick auf den Instanzverlust oder das Kostenrisiko nicht zu tun, sondern hat auch die Möglichkeit, insoweit zunächst die selbständig anfechtbare Feststellung des Bundesamtes (§ 12 Abs.6 Satz 4 AsylVfG) abzuwarten. Für eine gewisse Übergangszeit ist ein Verbundverfahren nach.§ 30 AsylVfG nicht stets gewährleistet; diese Folge war auch sonst unvermeidbar, wenn der Streit wegen der behördlichen Ablehnung des Asylantrags bereits beim Berufungsgericht anhängig war und der Asylbewerber gegen eine erst jetzt verfügte aufenthaltsbeendende Maßnahme nach,§ 28 AsylVfG Klage beim Verwaltungsgericht erhob. Weiterer Ausführungen dazu bedarf es hier nicht, weil der Kläger seine Klage entsprechend erweitert hat. Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, daß über die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG seit dem 1. Januar 1991 noch keine Entscheidung getroffen werden konnte. Weil insoweit auch kein zureichender Grund ersichtlich ist, bestehen gegen die Zulässigkeit der Klageerweiterung auch nach § 75 VwGO keine Bedenken und eine Aussetzung des Verfahrens ist nicht veranlaßt.

Das Verpflichtungsbegehren hat auch Erfolg, denn nach § 51 Abs.2 Nr.1 AuslG liegen bei Asylberechtigten die Voraussetzungen des Abs.1 der Vorschrift vor; die Verpflichtung des Bundesamtes zu einer entsprechenden Feststellung ergibt sich aus § 12 Abs.6 Satz 3 AsylVfG.

III.

Die vorläufig vollstreckbare Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs.2, § 155 Abs.1 Satz 3 VwGO, § 167 VwGO, § 708 Nr.10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs.2 VwGO nicht vorliegen.

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