IM NAMEN DER REPUBLIK!

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des V in W gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. August 1993, Zl. 4.339.096/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

Entscheidungsgründe:

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem auszugehen:

Der Beschwerdeführer, nach dem angefochtenen Bescheid bosnischer Staatsbürger, nach der Beschwerde Angehöriger der bosnischen Volksgruppe in Belgrad, ist am 6. Juli 1992 in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag beantragte er, ihm Asylzu gewähren. Das Bundesasylamt hat den Antrag mit Bescheid vom 8. Juli 1992, gestützt auf § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei bereits in Ungarn, durch das er mit dem Zug durchgereist sei, vor Verfolgung sicher gewesen.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. August 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers u.a. gestützt auf §2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer durch Ungarn nur durchgereist sei, könne an der rechtlichen Beurteilung, daß der Beschwerdieführer in Ungarn vor Verfolgung sicher war, nichts ändern. Das Gesetz kenne kein Erfordernis eines längeren Aufenthaltes im sicheren Drittland. Gewährleiste der Aufenthalt in einem anderen Staat Verfolgungssicherheit, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Asylwerber nicht Zu befürchten hat, aus diesem ohne Prüfung der von diesem geltend gemachten Asylgründe wieder in das Verolgerland abgeschoben zu werden, was im vorliegenden Fall zutreffe, da Ungarn die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert habe und der von Ungarn gemachte Vorbehalt für den Beschwerdeführer nicht gelte. Sohin habe der Aufenthalt in einem Drittland vom Augenblick des Passierens der Staatsgrenze seiner Staatsgrenze, den Eintritt der Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 zur Folge. Ab dem Überschreiten der jugoslawisch-ungarischen Staatsgrenze sei der Beschwerdeführer daher vor Verfolgung sicher gewesen. Auf die Dauer des Aufenthaltes in einem Staat gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 komme es nicht an. Es sei weiters auch nicht von Bedeutung, ob der Asylwerber Kontakt mit den ungarischen Behörden gehabt habe, da nur die rechtlichen Voraussetzungen für den geforderten Schutz bestehen müßten und die Möglichkeit bestanden haben müßte, diesen Schutz durch Kontaktnahme mit der Behörde zu aktualisieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer wendet gegen die Argumentation der belangten Behörde ein, daß Verfolgungssicherheit nur nach wirksamer Kontaktnahme mit Behörden, die Verfolgungssicherheit gewähren könnten, angenommen werden könne, sodaß zwischen Flucht und Asylantrag kein Zusammenhang mehr bestehe. Dem Beschwerdeführer sei jedoch eine solche Kontaktnahme im konkreten Fall weder möglich noch zumutbar gewesen, da er - wie bereits im Verwaltungsverfahren ausgeführt - mit dem Nachtzug von Serbien über Ungarn nach Österreich gefahren sei, sodaß in Wien für ihn die erste Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit Behörden bestanden habe. Es sei nicht zumutbar und möglich, in der Nacht den Zug zu verlassen, zumal in der Nacht keine Möglichkeit eines Antrages auf Asyl bestehe bzw. keine Möglichkeit, eine Behörde aufzusuchen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, mit Erfolg entgegenzutreten (vgl. dazu insb. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl.92/01/1118). Der Verwaltungsgerichtshof vermag in der Argumentation der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit zu erkennen. Verfolgungssicherheit ist nach der bereits ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0340, vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0572, vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/1118 Und, vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357) nämlich anzunehmen, wenn der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte (vgl. RV 270 BlgNR. 18. GP zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991). Dafür, daß diese Voraussetzungen beim Beschwerdeführer nicht vorgelegen wären, besteht kein Anhaltspunkt, wobei nicht maßgebend ist, wie lange er sich in Ungarn aufgehalten hat, war doch - wie die belangte Behörde richtig erkannte - die demnach anzunehmende Verfolgungssicherheit bereits ab dem Zeitpunkt gegeben, in dem er sein Heimatland verlassen hat. Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargetan, daß es ihm unmöglich gewesen den Zug in Ungarn zu verlassen und welche Gründe - außer seinem Wunsch, in Österreich um Asyl anzusuchen - ihn gehindert hätten, in Ungarn, das der Genfer Flüchtlingskonvention am 14. März 1989 mit Wirksamkeit für den 12. Juni 1989 (siehe Art. 43 der Genfer Flüchtlingskonvention) und mit der Maßgabe, daß es hinsichtlich seiner Verpflichtungen aus dieser Konvention die Alternative a des Abschnittes B des Art. 1 (betreffend Ereignisse, die in Europa eingetreten sind) beigetreten ist (vgl. BGBl. Nr. 260/1992), wähle, länger zu bleiben und bereits dort um Asyl anzusuchen.

Verfolgungssicherheit in einem anderen Staat ist - entgegen der Annahme des Beschwerdeführers - auch nicht erst dann gegeben, wenn ein anderer Staat bereits Asyl gewährt hat. Es genügt vielmehr, wenn der in Frage stehende Staat der Flüchtlingskonvention beigetreten ist und die Einleitung eines Verfahrens möglich ist, in dem die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention geprüft wird.

Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256) ist der belangten Behörde auch darin beizupflichten, daß von einer Verfolgungssicherheit nicht erst dann gesprochen werden kann, wenn der Asylwerber mit den Behörden des betreffenden Staates Kontakt hatte. Die Annahme der Verfolgungssicherheit ist selbst unabhängig davon, ob der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des Staates bekannt war und von ihnen geduldet oder gebilligt wurde. Zur näheren Begründung wird in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zuletzt zitierte Erkenntnis verwiesen.

Der Beschwerdeführer meint weiters, das Abstellen auf eine vor der Einreise in Österreich bereits gegeben gewesene Verfolgungssicherheit in einem anderen Staat verstoße gegen die Verpflichtungen der Genfer Flüchtlingskonvention, weil aus dieser keine Verpflichtung des Asylwerbers abzuleiten sei, daß der Asylantrag in einem bestimmten Staat gestellt werden müsse. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl. Nr. 55/1955) und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. Nr. 78/1974) gemäß Art. 50 Abs. 1 und 3 B-VG im Rang einfachgesetzlicher Bestimmungen in die österreichische Rechtsordnung transformiert wurden. Es handelt sich dabei nicht um gegenüber dem Asylgesetz 1991 höherrangige Normen, an denen das Asylgesetz 1991 zu messen wäre. Das Asylgesetz 1991 stellt vielmehr gegenüber der Genfer Flüchtlingskonvention und dem angeführten Protokoll im innerstaatlichen Bereich die lex posterior und die lex specialis dar, der im Falle eines Konfliktes dieser gleichrangigen Normen der Vorrang zukäme.

Abgesehen davon trifft aber der Vorwurf auch in der Sache nicht zu. Die Genfer Flüchtlingskonvention begründet kein Recht auf Asyl, sondern regelt grundsätzlich das "Recht im Asyl" (vgl. Frowein - Zimmermann, Der vökerrechtliche Rahmen für die Reform des deutschen Asylrechts, Bundesanzeiger Verlagsges.mbH, 1993 45 f,und Frowein - Kühner, Drohende Folterung als Asylgrund und Grenze für Auslieferung und Ausweisung, ZaöRV 1983, 553). Aus Art. 33 Abs. 1 der Konvention, der nur die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings in ein Gebiet verbietet, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder seiner politschen Ansichten bedroht wäre, kann abgeleitet werden, daß die Konvention es zuläßt, daß ein Flüchtling, der aus einem "Nicht-Verfolgerstaat", einen Staat also, in dem er nicht von Verfolgung im Sinne des Art. 33 Abs. 1 der Konvention bedroht wäre, eingereist ist, in einen solchen zurück- oder ausgewiesen wird. Es hat sich daher eine weitgehende Staatenpraxis entwickelt (vgl. Frowein - Zimmermann, a.a.O. 45), Asylwerber in ein sogenanntes Erstaufnahmeland zurückzuschieben. Weiters kann aus Art. 31 Abs. 1 der Konvention, nach dem Personen, die direkt aus einem Verfolgerstaat kommen, und solche, die dies nicht erfüllen, unterschiedlich behandelt werden, keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention zur Aufnahme von Flüchtlingen abgeleitet werden, die unabhängig davon wäre, ob der Asylwerber direkt aus einem Verfolgerstaat kommt oder nicht. Diese Auslegung wird auch durch Art. 31 Abs. 2 leg. cit. bestätigt, in dem dort den Staaten die Befugnis eingeräumt wird, die Bewegungsfreiheit eines Flüchtlings u.a. solange zu beschränken, bis er in einem anderen Staat Aufnahme gefunden hat.

Hat die Behörde sich aber zu Recht auf den Abweisungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gestützt, erübrigt sich eine Überprüfung der Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland keiner Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ausgesetzt war. Dies gilt auch für die Frage, ob der belangten Behörde allenfalls dabei Verfahrensfehler unterlaufen sind.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß §35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Es erübrigt sich daher eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde auf schiebende Wirkung zuzuerkennen.

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