IM NAMEN DER REPUBLIK!

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des X und 2. der Y

I.          gegen den Bundesminister für Inneres, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den

Beschluß

gefaßt:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II.          Über die Beschwerden gegen zwei Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1989, Zlen. 245.439/3-II/9/89 und 245-440/3-II/9/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft,

zu Recht erkannt:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.650,-- und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.190,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Beschwerdeführer, Geschwister, äthiopischer Staatsangehörigkeit aus Eritrea, erhoben Berufung gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 29. Dezember 1988, mit welchen festgestellt worden war, daß bei den Beschwerdeführern die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtlinge nicht vorliegen.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und führte in beiden angefochtenen Bescheiden im wesentlichen übereinstimmend begründend aus, die Beschwerdeführer hätten angegeben, im Rahmen der militärischen Befreiungsfront des eritreischen Volkes einer geheimen Untergruppe angehört zu haben, deren Aufgabe es gewesen sei, gegen "die Äthiopier" zu demonstrieren. Die Beschwerdeführer hätten Flugzettel verteilt und öffentlich Plakate affichiert. Hiebei habe es sich um verbotene Tätigkeiten gehandelt. Im April 1988 sei die Familie der Beschwerdeführer durch den eritreischen Geheimdienst benachrichtigt worden, daß die Gruppe verraten und dem äthiopischen Militär Namen und Wohnorte der Gruppenmitglieder bekanntgeworden seien. Die Beschwerdeführer hätten den Auftrag erhalten, aus Äthiopien zu flüchten, weil sie im Fall ihrer Verhaftung mit der Todesstrafe zu rechnen gehabt hätten. Die Beschwerdeführer seien gemeinsam nach einem zweiwöchigen Fußmarsch illegal in den Sudan gelangt und von dort mit Hilfe eines Onkels, der ihnen Flugtickets besorgt habe, nach Wien gereist. Laut einer angeblichen brieflichen Mitteilung der Mutter der Beschwerdeführer sei das äthiopische Militär einen Tag nach der Flucht der Beschwerdeführer erschienen, um diese zu Verhaften. In den Berufungen hätten die Beschwerdeführer ergänzend ausgeführt, daß ihr Aufenthalt im Sudan von den dortigen Behörden nicht registriert worden sei, sodaß ihnen dort auch kein Schutz vor Verfolgung gewährt worden sei. Diese Angaben der Beschwerdeführer seien dahingehend zu werten, daß angesichts der Warnung durch den eritreischen Geheimdienst vor der bevorstehenden Verhaftung und im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführer keine konkreten Verfolgungshandlungen hätten vorbringen können, eine konkrete Gefahr nicht ersichtlich sei. Kriegerische Auseinandersetzungen, wie sie im Heimatland der Beschwerdeführer gegeben seien, stellten für keine der beteiligten Parteien einen "Konventionsgrund" dar. Die Beschwerdeführer hätten bis zu ihrer Flucht offensichtlich unbeanstandet in der Öffentlichkeit agieren könen und hätten nach ihrer Warnung durch den eritreischen Geheimdienst im Falle tatsächlicher Verfolgung durch die Äthiopier in den befreiten Gebieten Schutz finden können. Für eine Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Konvention sei es erforderlich, daß die "Verfolgung" im gesamten Staatsgebiet gegeben sei. Die von den Beschwerdeführern angegebenen, im Rahmen einer militärischen Einheit ausgeführten Tätigkeiten stellten Propagandamittel zur Erreichung der Kriegsziele bzw. eine aktive Teilnahme am Krieg dar. Reaktionen der Gegenseite könnten daher nicht als Konventionsgründe gewertet werden. Auch die Absicht der Beschwerdeführer, in die USA auszuwandern, könne nicht als Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anerkannt werden. Den Anträgen der Beschwerdeführer, sie wechselseitig zeugenschaftlich einzuvernehmen, sei nicht zu entsprechen gewesen, weil ihre Angaben als weitgehend glaubwürdig angesehen worden seien und sich der Sachverhalt auf eine Rechtsfrage reduziert habe. Auch seien die jeweiligen Angaben der Beschwerdeführer aktenkundig, weil beide einen Asylantrag eingebracht hätte.

Gegen diese Bescheide richten sich die zu den hg. Zlen. 89/01/0356 und 89/01/0358 protokollierten Beschwerden, in denen in weitestgehender textlicher Übereinstimmung Rechtswidrigkeit der Bescheidinhalte und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und auf Feststellung ihrer Aufenthaltsberechtigung verletzt. Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes ergebe sich daraus, daß die belangte Behörde zu Unrecht die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den in ihrem Heimatland bestehenden Kriegszustand verneint habe. Die eritreische Befreiungsfront, der die Beschwerdeführer angehörten, genieße keine Völkerrechtssubjektivität, sodaß sie nicht als kriegführende Partei angesehen werden könne. Die großangelegte Verfolgung der eritreischen Volksgruppe durch die äthiopische Zentralregierung spreche sogar für die Anwendung des sogenannten "Gruppenverfahrens", bei dem jedes Mitglied einer verfolgten Gruppe - sofern keine gegenteiligen Hinweise gegeben seien - als Flüchtling angesehen werden müsse. Die von den Beschwerdeführern ausgeübten Tätigkeiten des Verteilens und Affichierens von Flugblättern und der Teilnahme an Demonstrationen stellten eine politische Betätigung dar, deretwegen sie auf Grund der Verhältnisse in ihrem Heimatland Verfolgung befürchten müßten. In Ausführung der Verfahrensrüge machen die Beschwerdeführer geltend, die im angefochtenen Bescheid geäußerte Ansicht der Behörde, die Beschwerdeführer hätten ungehindert in der Öffentlichkeit agieren können, stehe im Gegensatz zu der Feststellung der belangten Behörde, die Verhältnisse im Heimatland der Beschwerdeführer seien bekannt. Die Anführung der geplanten Auswanderung der Beschwerdeführer in die USA als wesentliches Motiv für ihre Ausreise stelle eine unzulässige Vermutung der belangten Behörde dar. Die Ergänzungsbedürftigkeit des den angefochtenen Bescheiden zu Grunde gelegten Sachverhaltes und die im Verwaltungsverfahren unterlaufenen Mängel zögen es nach sich, daß die Begründung der angefochtenen Bescheide nicht "nachvollziehbar" sei. Aus den in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck kommenden, für die Beschwerdeführer nachteiligen und tendenziösen Auffassungen des diese Bescheide unterfertigenden Organwalters der belangten Behörde sei auf dessen Befangenheit zu schließen. Hilfsweise erhoben die Beschwerdeführer in den gleichen Schriftsätzen die unter den hg Zlen. 89/01/0357 und 89/01/0359 protokollierten Säumnisbeschwerden. Diese wurden übereinstimmend damit begründet, daß die den Beschwerdeführern zugegangenen Bescheidexemplare keine Unterschrift eines ausfertigenden Organes, keinen Beglaubigungsvermerk einer Kanzlei und auch keinen wie immer gearteten Hinweis auf eine mittels elektronischer Datenverarbeitung erstellte Ausfertigung (DVR-Vermerk) trügen und sich auch in den Verwaltungsakten der belangten Behörde keine mit Unterschrift versehenen Referatsbögen über Urschriften der angefochtenen Bescheide befänden. Es seien daher in den die Beschwerdeführer betreffenden Verfahren noch keine Bescheide erlassen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBI.Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzung des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im Hinblick auf die "hilfsweise" geltend gemachte Verletzung der Entscheidungspflicht war zunächst zu prüfen, ob anfechtbare Bescheide vorliegen.

Die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten enthalten jeweils mit dem Datum 8. August 1989 vom Referenten Dr. Wiedermann gefertigte Erledigungsblätter, denen jeweils der Entwurf der den jeweiligen Beschwerdeführer betreffenden Erledigung beigeheftet ist. Diese Entwürfe stimmen mit den dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zugestellten Bescheidausfertigungen überein. Aus den Akten und den zugestellten Ausfertigungen der Bescheide ist ersichtlich, daß die Erledigungen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurden. Dies ist nicht etwa nur aus einer DVR-Nummer, sondern wie im vorliegenden Fall auch aus Art und Form, in der Schriftstücke ausgedruckt werden, erkennbar. Es ist für den Verwaltunsgerichtshof der Aktenlage nach offenkundig, daß die den Beschwerdeführern zugestellten Bescheidausfertigungen entgegen ihren Ausführungen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurden. Da solcherart hergestellte Ausfertigungen gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950 weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedürfen, stellen die zugestellten Ausfertigung rechtsgültige Bescheide dar.

Daraus folgt, daß zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden "hilfsweise" erhobenen Säumnisbeschwerden die belangte Behörde über die Berufungen der Beschwerdführer bereits bescheidmäßig entschieden hatte, und eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die Säumnisbeschwerden waren daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Zu den "Bescheidbeschwerden" ergibt sich folgendes:

Was zunächst den Vorwurf der angeblichen Befangenheit des die angefochtenen Bescheide unterfertigenden Organwalters der belangten Behörde anlangt, haben die Beschwerdeführer mit Ausnahme des Hinweises auf die ihren Intentionen nicht entsprechende Begründung der angefochtenen Bescheide nichts vorgebracht, was eine Befangenheit dieses Organwalters aufzeigen könnte. Die Erlassung eines einem Antragsteller nicht genehmen Bescheides ist für sich allein ebensowenig wie etwa ein Mangel an Einsicht oder Fachkenntnis eines Behördenorgans (vgl. hg. Erkenntnis vom 11. November 1980, Zl. 1278/80) ein Befangenheitsgrund. Für ein parteiliches Vorgehen eines Verwaltungsorganes müßten sich Anhaltspunkte aus der Durchführung des Verfahrens ergeben (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1976, Zl. 543/75). Derartige Umstände haben die Beschwerdeführer aber nicht aufgezeigt, sodaß der Verwaltungsgerichtshof eine Befangenheit des die angefochtenen Bescheide unterfertigenden Organwalters der belangten Behörde nicht zu erkennen vermag.

In der Sache selbst erweisen sich die Beschwerden als berechtigt:

Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer insbesondere damit begründet, daß der im Heimatland der Beschwerdeführer herrschende Kriegszustand nicht als "Konventionsgrund" gewertet werden könne. Wohl mögen in einem Land herrschender Krieg oder kriegsähnliche Zustände und die daraus resultierenden Gefahren Unbillen darstellen, denen jeder Einwohner dieses Landes ausgesetzt ist, sodaß aus solchen Zuständen allein Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden könnte. Demgegenüber haben die Beschwerdeführer aber nicht behauptet, lediglich auf Grund der in ihrem Heimatland herrschenden kriegsähnlichen Zustände Verfolgung befürchtet zu haben. Sie haben vielmehr von Anfang an angegeben, deswegen aus ihrem Heimatland geflüchtet zu sein, weil nach ihnen zugekommenen Mitteilungen des eritreischen Geheimdienstes ihre Tätigkeit für die Befreiung Eritreas den äthiopischen Behörden zur Kenntnis gelangt sei, was im Fall ihres Verbleibs in ihrem Heimatland ihre Verhaftung und allfällige Hinrichtung zur Folge gehabt hätte. Die belangte Behörde hat diese von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Tätigkeit als Propagandamittel zur Erreichung von Kriegszielen gewertet, und die Ansicht vertreten, darauf erfolgende Reaktionen der gegenseite könnten nicht als Gründe im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden. Entgegen dieser Ansicht schließt selbst die Teilnahme eines Asylwerbers an bewaffneten Kampfhandlungen gegen Regierungstruppen - soferne nicht das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes gemäß Art. 1 Abschnitt F der Genfer Konvention festgestellt wird - das Vorliegen von aus diesen Aktivitäten resultierender Verfolgung nicht aus (vgl. hg. Erkentnnis vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264).

Da die belangte Behörde sohin, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsanschauung, die Berufungen der Beschwerdeführer zu Unrecht abgewiesen hat, hat sie ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu deren Aufhebung führen mußte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die einerseits aus der Abweisung der Säumnisbeschwerden der belangten Behörde zustehenden Vorlageaufwandersätze waren gemäß § 52 Abs. 1 VwGG mit den andererseits auf Grund der Aufhebung der angefochtenen Bescheide den Beschwerdeführer zustehenden Aufwandersätzen aufzurechnen. Hiebei konnte das das gesetzliche Ausmaß übersteigende Begehren der Zweitbeschwerdeführerin auf Ersatz von Stempelgebühren keine Berücksichtigung finden.

Von den beantragten Verhandlungen konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

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