Verwaltungserichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 1991-A 16 S 1638/90

Verwaltungserichtshof Baden-Württemberg

Im Namen des Volkes

Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

X gegen

die Bundesrepublik Deutschland, Az.: Sril-S-1785 (B.85/250), vertreten durch den Bundesminister des Innern, dieser vertreten durch den Leiter des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Rothenburger Straße 29, 8502 Zirndorf,

-Beklagte-

beteiligt:

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten, Rothenburger Straße 29, 8502, Zirndorf,

-Berufungskläger-

wegen

Anerkennung als Asylberechtigter

hat der 16. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Bosch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hertel und den Richter am Verwaltungsgericht Schaber aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 1991 am 27. Dezember 1991 für Recht erkannt:

Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 1984 - A 3 K 863/82 - wird zurückgewiesen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten trägt die Kosten des Berufungs - und des Revisionsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 3.7.1957 in Pungudutivu (Bezirk Jaffna)/Sri Lanka geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit.

Am 4.12.1979 beantragte er bei der Stadt Stuttgart seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er gab an, er sei am 28.6.1979 mit dem Flugzeug nach Bagdad ausgereist. Dort sei er bis 3.10.1979 geblieben. Er sei dann über die Türkei, Italien und Frankreich mit dem Zug am 29.11.1979 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Als letzte Anschrift im Heimatland gab er Pungudutivu an. Wegen der Asylgründe nahm er auf sein Schreiben vom 4.12.1979 in englischer Sprache Bezug. Dort heißt es u.a.: Er sei Mitglied der TULF seit 1972. Nach der Verabschiedung der Verfassung von 1972 sei er mit seinem Vater von der Polizei festgenommen worden. Er sei fünf Tage lang festgehalten worden. Der Vater sei sechs Monate lang im Gefängnis gewesen. Anläßlich eines Besuches des Premierministers in den Tamilengebieten im Norden im Jahre 1975 sei er bei einer großen Schülerversammlung verhaftet und drei Monate lang ohne Prozeß festgehalten worden. Danach habe er seine ganze Zeit den Aktivitäten für die TULF gewidmet. Bei einer Informationsveranstaltung der TULF für die ländliche Bevölkerung im Jahre 1976 sei er in Kilinochchi zusammen mit dem örtlichen TULF-Präsidenten für eineinhalb Monate ohne Urteil ins Gefängnis gebracht worden. Der Erziehungsminister habe seine Schule davon informiert und deswegen habe er die Schule verlassen müssen. Wegen eines Bankraubs im Jahr 1977 sei er - wie andere TULF-Mitglieder auch - von der Polizei gesucht worden. Um dem zu entkommen sei er am 13.6. nach Indien gegangen. Nach seiner Rückkehr am 30.6. habe ihn die Polizei mit anderen Mitgliedern festgenommen und ernsthaft mißhandelt. Erst eineinhalb Monate später, nach Ermittlung der Bankräuber, sei er wieder entlassen worden. Danach sei er noch mehrfach von der Polizei verhaftet worden. Deshalb sei er am.28.6.1979 in den Irak gegangen und dort drei Monate geblieben. Dort habe er gehört, daß es in der Bundesrepublik Deutschland Asyl für politische Aktivitäten gebe. Deshalb sei er am 28.11. Über die Türkei, Bulgarien, Jugoslawien, Italien hierher gekommen.

Bei der Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gab er am 4.12.1980 an: Er habe bis 1973 eine 11-jährige Schulausbildung (Sekundary-School) absolviert. 1973-1975 habe er eine Ausbildung zum Buchhalter gemacht, danach sei er bis 1979 arbeitslos gewesen und habe bei seinen Eltern in Pungudutivu gewohnt. Vom 28.6. bis 3.10.1979 sei er in Bagdad gewesen. Er habe sich dort illegal aufgehalten und einen Monat am Bau gearbeitet. Dann sei er über die Türkei, Italien und Frankreich am 29.11.1979 in die Bundesrepublik eingereist. Seit 1975 sei er Mitglied der TULF. Er habe keine führende Position bekleidet, sondern nur Plakate an die Wände geklebt. Im März 1972 sei sein Vater, ein aktives Mitglied der TULF, jedoch nicht in führender Position, in Pungudutivu sechs Monate lang inhaftiert worden. Ihn habe man ebenfalls als TULF-Mitglied fünf Tage lang auf der Polizeiwache festgehalten. 1975 habe es in Jaffna einen Bankraub gegeben, deswegen sei er in Pungudutivu verdächtigt und drei Monate im Gefängnis inhaftiert worden. Da es im August 1976 und Februar 1977 in Jaffna wiederum Banküberfälle gegeben habe, sei er von der Polizei verdächtigt worden, daran beteiligt zu sein. Deshalb sei er zweimal (13.1.-30.6.1977, Dezember 1977-Mai 1978) nach Indien gereist und habe sich dort als Tourist bei einem Freund aufgehalten. Im April 1976 habe er im Dorf Kilinochchi mit Schülern über die TULF gesprochen. Dies müsse der Polizei gemeldet worden sein, denn er sei dann zusammen mit dem TULF-Präsidenten Anathasankari seines Kreises für sechs Wochen inhaftiert worden. Die Gefängniswärter hätten ihn dort geschlagen. Aus diesen Gründen sei er am 28.6.1979 ausgereist. Er glaube, daß er bei einer Rückkehr nach Sri Lanka ins Gefängnis gesteckt werde.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte die Anerkennung mit Bescheid vom 18.12.1980 ab, weil eine Verfolgung, wie sie der Kläger schildere, unter den derzeitigen Umständen in Sri Lanka nicht mehr zu erkennen sei. Zwar finde eine gewisse Diskriminierung der Tamilen statt, jedoch erreiche sie nicht das Ausmaß und die Intensität, daß von einer allgemeinen politischen Verfolgung gesprochen werden könne. Der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt treffe nicht zu, da nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes eine Verfolgung der Tamilen wegen ihrer Mitgliedschaft in der TULF nicht stattfinde und von den srilankischen Behörden auch nicht geduldet werde. Sofern einzelne Polizeibeamte die Befugnisse überschritten hätten, hätte der Kläger gegen den Amtsmißbrauch vorgehen können.

Der am 12.3.1981 erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 17.12.1984 stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Verwaltungsgericht hat dahingestellt gelassen, ob der Kläger bereits individueller Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Denn er müsse als Mitglied der tamilischen Volksgruppe bei einer Rückkehr mit einer Wiederholung der politisch motivierten Gruppenverfolgung rechnen, wie sie bei den Ausschreitungen im Juli/August 1983 stattgefunden habe.

Die gegen das Urteil eingelegte Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden - Württemberg durch Beschluß vom 13.5.1985 - A 12 S 284/85 - mit der Begründung zurückgewiesen, die Übergriffe der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit gegen die tamilische Minderheit im Juli/August 1983 sowie die Übergriffe der Sicherheitskräfte im Jahre 1984 seien dem srilankischen Staat als mittelbare staatliche Verfolgung zuzurechnen und es bestehe die Gefahr weiterer politischer Verfolgung bei einer Rückkehr des Klägers.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Beschwerde des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluß vom 31.7.1985 zugelassen und auf die Revision hin mit Urteil vom 18.3.1986 - 9 C 207.85 - die Klage unter Aufhebung der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts abgewiesen. In der Entscheidung heißt es, den Tamilen drohe in den Gebieten Sri Lankas mit überwiegendem oder hohem singhalesischem Bevölkerungsanteil. keine dem Staat Sri Lanka zurechenbare Gruppenverfolgung, da der Staat willens und prinzipiell in der Lage sei, Schutz zu gewähren. In der im tamilischen Norden herrschenden Bürgerkriegssituation sei der Staat parteilischer Gegner. Daß seine auf die staatliche Herrschaetssicherung gerichteten Maßnahmen auch politische Verfolgung seien, sei nicht feststellbar. Auch aus den vom Kläger angegebenen Gründen seiner Ausreise lasse sich eine ihm drohende Einzelverfolgung aus asylerheblichen Gründen nicht herleiten.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 10.7.1989 (BVerfGE 80, 315) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, daß im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts die Gefahr einer politischen Verfolgung für die Gruppe der Tamilen weder im Süden noch im Norden und Osten Sri Lankas bestanden habe, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht habe jedoch das individuelle Vorbringen des Klägers in einer Weise gewürdigt, die eine Überprüfung unter verfassungsrechtlich zureichenden Erwägungen nicht zulasse. Bei der erneuten Sachprüfung sei auch der Frage nachzugehen, ob der Kläger angesichts seines Aufenthalts im Irak die Bundesrepublik Deutschland als Schutzsuchender aufgesucht habe.

Der Kläger hat im anschließenden Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht weiter vorbringen lassen: Seine politische Haltung sei zurückzuführen auf die Haltung und Erziehung seines Vaters. Dieser sei bereits 1972 wegen seiner politischen Tätigkeit verhaftet worden, wohl insbesondere deshalb, weil er ursprunglich Armeeangehöriger und später Offizier einer Spezialpolizeieinheit gewesen sei. Dann sei er Mitglied des Tamilischen Nationalkongresses von Sri Lanka gewesen. Nachdem sich die Situation Ende 1976 wieder zugespitzt habe und er (der Kläger) der Beteiligung an Banküberfällen verdächtigt worden sei, sei er am 13.6.1977 bis zum 30.6.1977 nach Indien gegangen. Zuvor seien über seinen Bruder und seine Familie Verbindungen nach Indien aufgebaut worden. Sein Bruder sei anläßlich einer Bootsfahrt zwischen Indien und Sri Lanka aufgebracht und verhaftet worden, weshalb man auch nach ihm gesucht habe. Als die Situation immer gefährlicher geworden sei, sei er im Juni 1979 in den Irak gegangen. Er habe sich dort jedoch nur über die Situation erkundigt, keinen Asylantrag gestellt und auch keine Handlungen vorgenommen, die einen stationären Aufenthalt bedingen würden. Da er in Colombo lediglich ein Visum der irakischen Botschaft für den Irak erhalten habe, sei er über Moskau nach Bagdad geflogen. Dort habe er sich in einem Hotel eingemietet. Wenige Tage danach habe er von Landsleuten erfahren, daß er im Irak kein Asyl erhalten und versuchen solle, in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen, da es dort Asyl gebe. Um Geld für die Weiterflucht zu verdienen, habe er gearbeitet. Er wisse nicht, ob dies illegal gewesen sei. Nach Ablauf des Visums habe er dieses verlängern lassen wollen. Anstatt dessen habe man ihn festgenommen, eingesperrt und dann in die Türkei abgeschoben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12.6.1990 - 9 C 2.90 - den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.5.1985 und das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17.12.1984 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Für den Erfolg der Klage sei von Bedeutung, ob der Kläger im Zeitpunkt seiner Flucht individuell politisch verfolgt gewesen und keine inländische Fluchtalternative vorhanden gewesen sei. Im übrigen sei eine Prognose anzustellen, ob er wegen der inzwischen veränderten Situation in seinem Heimatland nicht mehr verfolgungsgefährdet sei oder nunmehr Schutz auch dort finden könne. Die hierfür notwendigen tatsächlichen Feststellungen könne das Bundesverwaltungsgericht nicht treffen. Deshalb müsse das Berufungsgericht erneut verhandeln und entscheiden und sich dabei auch schlüssig werden, ob es den Kläger angesichts seines wechselnden Vortrags als glaubwürdig ansehe und ob er wegen seines rund dreimonatigen Aufenthalts im Irak bereits dort vor politischer Verfolgung sicher gewesen sei.

Der Bundesbeauftragte beantragtschriftsätzlich, das Urteil des Verwaltunggqerichts Stuttgart vom 17.12.1984 - A 3 K 863/82 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger angegeben:

Er habe in seiner Heimatstadt Pungudutivu bis 1973 elf Jahre lang die Schule besucht. Anschließend habe er jüngeren Schülern Nachhilfeunterricht in mehreren Schulfächern gegeben und sie außerdem im Auftrag seiner Partei über die politischen Ziele der TULF unterrichtet. Daneben habe er seinem Bruder geholfen, der eine Personenfähre betrieben habe. Das Fährboot sei von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr im Einsatz gewesen. Er habe immer dann ausgeholfen, wenn sein Bruder Pause gemacht habe. Der Unterricht für die Kinder habe täglich ca. 60 bis 90 Minuten gedauert, verteilt auf Vor - und Nachmittagsunterricht. Das habe er so bis 1976 gemacht. Nach 1976 sei die Lage in Sri Lanka schwieriger geworden und er sei dann drei - bis viermal jeweils mit dem Flugzeug von Jaffna aus in die indische Provinz Tamil Nadu ausgewichen. Während seiner Aufenthalte in Pungudutivu habe er wie vorher im Fährbetrieb des Bruders ausgeholfen.

Seit 1972 sei er TULF-Mitglied. Beiträge habe er keine bezahlen müssen, da er ja kein Geld verdient habe. Er habe auch einen Mitgliedsausweis erhalten. Den Mitgliedsantrag habe er im ca. 50 km von Pungudutivu entfernt gelegenen Kilinochchi gestellt. Die TULF sei aus zwei Vorgängerparteien im Jahre 1972 gegründet worden. Auf Vorhalt hat der Kläger erklärt, er sei sich sicher, daß die TULF im Jahre 1972 gegründet worden sei und er in diesem Jahr als Mitglied beigetreten sei. Mitglied einer der Vorgängerparteien sei er nicht gewesen. Er könne sich nicht erklären, wie im Protokoll über seine Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge das Jahr 1975 als Zeitpunkt des Beginns seiner Parteimitgliedschaft genannt werde. Die TULF habe im Jahre 1974 in Kilinochchi eine große landwirtschaftliche Farm gegründet. Dort habe er unentgeltlich gearbeitet und man habe ihm gesagt, er solle dort den Mitgliedsantrag stellen. Er habe auf dieser Farm einmal in der Woche gearbeitet. Schon vor Gründung der Farm habe er für die Partei kleinere Gelegenheitsarbeiten, wie z.B. Rasen mähen, ausgeführt. Er habe den Mitgliedsantrag deshalb in Kilinochchi gestellt, weil ihm dies die Parteileute so befohlen hätten. Er habe für die TULF im ganzen Distrikt Jaffna Flugblätter verteilt, Plakate geklebt und Propaganda gemacht. Die Flugblätter habe er vom örtlichen TULF-Vertreter in Pungudutivu erhalten. Der habe ihn auch für die einzelnen Aufgaben eingeteilt. Wenn er in Kilinochchi eingesetzt worden sei, habe er das Material vom dortigen TULF-Vertreter erhalten. Sein Vater sei schon Mitglied im Tamil-Nationalkongreß gewesen, einer der Vorgängerparteien der TULF. Er habe auch einmal für die Wahl kandidiert, sei aber nicht erfolgreich gewesen.

Auf die Frage nach Verhaftungen durch die Polizei hat der Kläger erklärt, er sei mehrfach festgenommen worden, könne sich aber an die genauen Zeitpunkte nicht mehr erinnern. Im Zusammenhang mit einem Bankraubverdacht sei er einmal festgenommen worden. Er sei auch wegen der Verteilung von Flugblättern festgenommen worden. Einmal habe er sechs Wochen in Haft verbringen müssen. Die anderen Festnahmen hätten ca. drei Tage oder eine Woche gedauert, Einzelheiten wisse er nicht mehr. Er habe nie an einem Banküberfall teilgenommen. Beim Flugblattverteilen sei er einmal in Kilinochchi in Haft genommen worden, er glaube fünf Tage lang. Einmal habe ihn die Polizei beim Unterricht für die Kinder in Pungudutivu verhaftet, höchstens für eine Woche. Die sechswöchige Haft habe er in Kilinochchi verbüßt. Außerdem sei er dann noch mehrmals in Jaffna und Pungudutivu festgenommen worden. Grund seien Banküberfälle in der Nähe seines jeweiligen Aufenthaltsortes gewesen. Nach wenigen Tagen habe man ihn jeweils wieder freigelassen. In der Haft sei er verhört und auch geschlagen worden.

Auf die Frage nach dem Grund für seine Ausreise hat der Kläger angegeben, die Lage in Sri Lanka sei immer unruhiger und schwieriger geworden. Man habe dort nicht mehr ohne Angst leben können. Er habe Angst um sein Leben gehabt, da immer wieder Menschen erschossen worden seien, darunter auch ein Nachbar von ihm.

Auf den Vorhalt seiner Angaben zu den Indienaufenthalten beim Bundesamt hat der Kläger erwidert, er sei mehrere Monate in Indien gewesen, könne sich aber an die genauen Daten nicht mehr erinnern.

Zu seinem Aufenthalt im Irak hat er ausgeführt, er habe nicht vorgehabt, in den Irak auszureisen, aber damals habe es eben gerade nur diese Möglichkeit einer Reise in den Irak gegeben. Er habe keine andere Möglichkeit gehabt, um aus Sri Lanka herauszukommen. Die Reise sei ihm in Colombo durch eine nicht-offizielle Reiseagentur vermittelt worden. Er sei damals zusammen mit zwei anderen jungen Tamilen aus Pungudutivu geflohen. Sie hätten weder eine Anlaufadresse im Irak gehabt noch hätten sie darüber Vorstellungen gehabt, was sie dort hätten tun können. Er habe ca. 800 bis 900 US-Dollar von seinem Vater dabei gehabt. Über die Verhältnisse im Irak habe er nichts gewußt. Bei der Reiseagentur in Colombo hätten sie ein dreimonatiges Visum für den Irak bekommen. Sie seien auch etwa drei Monate im Irak geblieben. Bei dem Versuch, das Visum verlängern zu lassen, seien sie festgenommen und an die irakisch-türkische Grenze geschafft worden. Sie hätten gar nicht gewußt, daß ihr Visum abgelaufen gewesen sei. Darauf seien sie von anderen aufmerksam gemacht worden. Die Visumverlängerung hätten sie beäntragt, weil ihnen Pakistaner und Inder gesagt hätten, es sei gefährlich, sich ohne gültiges Visum im Irak aufzuhalten. Er habe ca. zwei Wochen auf einer Baustelle im Irak gearbeitet. Vielleicht sei es auch ein Monat gewesen. Gearbeitet hätten sie nicht in Bagdad, sondern in einer anderen Stadt, ca. 150 bis 200 km entfernt. Die Arbeit sei ihnen von indischen Arbeitern vermittelt worden. Während der Arbeit hätten sie auf der baustelle gewohnt. Es sei nur eine Gelegenheitsarbeit gewesen. Sie hätten die Arbeit schon ca. ein bis zwei Wochen nach ihrer Einreise in den Irak aufgenommen. Nach Ende der Arbeit seien sie wieder nach Bagdad in ihr Hotel zurückgekehrt. Bei ihrer Festnahme hätten sie nicht einmal mehr zurück zum Hotel gehen und ihre Sachen holen dürfen. Sie seien mit dem Auto von einer Polizeistation zur anderen bis zur türkischen Grenze transportiert worden. Das habe etwa zwei Wochen lang gedauert. Die türkischen Grenzer hätten sie nicht zurückgewiesen. Mit dem Bus seien sie dann nach Istanbul gebracht worden und seien dann von dort mit dem Zug über Bulgarien, Jugoslawien, Italien und Frankreich nach Deutschland gereist.

Dem Senat haben die Akten des Verwaltungsgerichts und die Behördenakten vorgelegen. Auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der Prozeßakten wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen. Die in der Sitzungsniederschrift bezeichneten Erkenntnisquellen wurden zum Gegenstand des Verfahrens und der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar im Tenor seines Urteils vom 12.6.1990 nicht nur den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.5.1985 sondern auch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17.12.1984 aufgehoben. Dies stellt jedoch - wie sich aus der Begründung der Entscheidung und der Zurückverweisung in die Berufungsinstanz eindeutig ergibt - ein offensichtliches Versehen dar und hindert den erkennenden Senat nicht, über die Berufung des Bundesbeauftragten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu entscheiden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkännung als Asylberechtigter.

Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG hat der Ausländer, dem im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat in seiner Person politische Verfolgung droht. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Staat oder durch Maßnahmen Dritter, die dem Staat zurechenhar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsgutverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, E 80, 315 (333 f.)). Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung-Flucht-Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschluß vom 26.11.1986, E 74, 51 (60) sowie vom 10.7.1989, a.a.O. S. 344), ist von wesentlicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschluß vom 26.11.1986, a.a.O., S. 64 f. und vom 10.7.1989, a.a.O., S. 344 f.; BVerwG, Urteile vom 15.5.1990, E 85, 139 = NVwZ 1990, 1175; 20.11.1990, E 87, 152 = NVwZ 1991, 382 = InfAuslR 1991, 145).

Als asylrechtlich erheblich sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die sogenannten objektiven Nachfluchttatbestände anzusehen. Darunter sind solche politische Verfolgung auslösende Umstände zu verstehen, die durch nachträgliche Vorgänge oder Ereignisse im Heimatstaat ohne eigenes neues Zutun des Asylberbers entstanden sind und nicht vom Asylbewerber nach Verlassen des Heimatstaates selbst geschaffen wurden. Auch wenn hier der kausale Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht fehlt, ist dem bereits im Zufluchtland lebenden Betroffenen Schutz zu gewähren, weil es unzumutbar wäre, ihn zunächst in das Verfolgerland zurückzuschicken und ihm das Risiko aufzubürden, ob er einer ihm widerfahrenden Verfolgung entgehen und so die bislang nicht gegebene Flucht nachholen kann (BVerfG, Beschluß vom 26.11.1986, a.a.O., S. 64 f.; BVerwG, Urteile vom 9.4.1991, E 88, 92 = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 144; vom 25.6.1991 - 9 C 131.90 -; vom 5.11.1991 - 9 C 20.91-). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen ihm dort andere unzumutbare Nachteile und Gefahren (BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, a.a.O., S. 345 f.; BVerwG, Urteile vom 15.5.1990 und 20.11.1990, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter liegen beim Kläger vor. Zwar ist er bei seiner Ausreise aus Sri Lanka nicht politisch verfolgt gewesen und hat ihm eine politische Verfolgung auch nicht unmittelbar gedroht (I.). Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Sri Lanka jedoch mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (II.).

I.

1.         Das Vorbringen des Klägers, Grund für seine Ausreise aus Sri Lanka sei gewesen, daß er wegen seiner Aktivitäten für die "Tamil United Liberation Front" (TULF) und wegen des Verdachts der Beteiligung an tamilischen Gruppierungen zugeschriebenen Banküberfällen mehrfach auch über einen längeren Zeitraum hinweg festgenommen worden sei, ist widersprüchlich und unglaubhaft. Die Angaben des Klägers in seinem schriftlichen Asylantrag, bei seiner Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, in seinen im Laufe des Rechtsstreites abgegebenen schriftsätzlichen Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat widersprechen sich ganz erheblich. Zweifelhaft erscheint bereits, ob der Kläger tatsächlich Mitglied der TULF gewesen ist. Als Zeitpunkt seines Parteibeitritts hat er in der Anhörung beim Bundesamt das Jahr 1975 genannt, während er in seinem schriftlichen Asylantrag und in den mündlichen Verhandlung das Jahr 1972 angegeben hat. Auf den Vorhalt seiner Aussage beim Bundesamt hat Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, er sei sich sicher, im Jahre 1972 in die damals gegründete TULF eingetreten zu sein. Mitglied einer der Vorgängerparteien sei er nicht gewesen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (AA, 28.3.1983) wurde die TULF jedoch erst im Jahre 1974 als Zusammenschluß der Vorgängerparteien TFP und ACTC gegründet, so daß ein Parteieintritt des Klägers im Jahre 1972 ausgeschlossen ist. Auch wenn man hierüber hinwegsieht und zugunsten des Klägers trotz seiner eindeutigen Festlegung von einem zeitlichen Irrtum ausgeht, so ist jedenfalls sein Vortrag zu der behaupteten Verfolgung wegen politischer Aktivitäten völlig unglaubhaft. Während er in seinem schriftlichen Asylantrag angegeben hat, er sei im Jahre 1975 nach einer Schülerversammlung drei Monate lang inhaftiert gewesen, hat er diesen Vorfall bei seiner Anhörung beim Bundesamt nicht erwähnt. Statt dessen hat er hier behauptet, er sei im Jahre 1975 verdächtigt worden, an einem Bankraub beteiligt gewesen zu sein, und sei deshalb drei Monate im Gefängnis festgehalten worden. Im Asylantrag hat er eine weitere Verhaftung im April 1976 wegen der Teilnahme an einer TULF-Veranstaltung in Kilinochchi erwähnt und hinzugefügt, er sei wegen dieses Vorfalles aus seiner Schule entlassen worden. Die Festnahme in Kilinochchi hat er beim Bundesamt zwar ebenfalls erwähnt, nicht aber, daß er deshalb aus der Schule entlassen worden sei. Dies kann nach seinen sonstigen Angaben zu seiner Ausbildung und seinen beruflichen Tätigkeiten in Sri Lanka auch gar nicht zutreffen, denn im Jahre 1976 hat der Kläger danach die Schule gar nicht mehr besucht, sondern war nach Absolvierung einer Buchhalterlehre von 1973 bis 1975 arbeitslos (so beim Bundesamt) oder er war in dieser Zeit als Nachhilfelehrer für jüngere Schüler und daneben als Mitarbeiter im Personenfährbetrieb seines Bruders tätig (so in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat). Widersprüchliche Angaben finden sich auch bei den Angaben des Klägers zu den behaupteten Verhaftungen wegen des Verdachts der Beteiligung an Banküberfällen. Der beim Bundesamt erwähnte Vorfall aus dem Jahre 1975 findet sich im schriftlichen Asylantrag nicht. Beim Bundesamt hat er außerdem für den späteren Zeitraum angegeben, er sei noch zweimal, im August 1976 und im Februar 1977, der Beteiligung an Banküberfällen verdächtigt worden und habe sich deshalb zweimal, nämlich vom 13.1. bis 30.6.1977 sowie von Dezember 1977 bis Mai 1978 in Indien aufgehalten. Demgegenüber ist im schriftlichen Antrag nur von einem Vorfall im Jahre 1977 die Rede, dessentwegen er vom 13. bis 30.6.1977 nach Indien geflüchtet sei. Hier hat er außerdem behauptet, er sei nach seiner Rückkehr aus Indien am 30.6. eineinhalb Monate inhaftiert worden. Von dieser Haft war beim Bundesamt ebensowenig die Rede wie von weiteren Verhaftungen, die der Kläger in seinem Antrag für den Zeitraum ab Juni 1977 ohne nähere Einzelheiten erwähnt hat und die den Grund für seine Ausreise in den Irak gebildet haben sollen. Diese Widersprüche hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht ausräumen können, er hat hier vielmehr weitere hinzugefügt. Erstmals hat er eine fünftägige Verhaftung wegen Verteilens von Flugblättern und eine weitere Inhaftierung von einwöchiger Dauer wegen der Unterrichtung von Kindern in Pungudutivu geschildert. Hinzu kommt, daß er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, sich nicht mehr an die genauen Zeitpunkte der (bisher widersprüchlich behaupteten) Verhaftungen erinnern zu können und auch außerstande war, konkrete Einzelheiten zu schildern und klare Angaben zu machen. Das unterschiedliche Vorbringen des Klägers in den einzelnen Verfahrensabschnitten macht seine Angaben insgesamt unglaubwürdig. Da dem Senat andere Erkenntnismittel zur Prüfung der Frage, ob einer der geschilderten Vorgänge etwa doch zutreffen, nicht zur Verfügung stehen, gehen die erheblichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers zu seinen Lasten. Der Senat geht deshalb davon aus, daß der wahre Grund für die Ausreise des Klägers aus Sri Lanka nicht in einer ihm drohenden Verfolgung sondern in der allgemein unruhigen Situation in seiner Heimatregion Jaffna zum damaligen Zeitpunkt zu suchen ist, und sieht sich hierin durch die entsprechende Antwort des Klägers auf die Frage nach seinem Ausreisemotiv in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

2.         Der Kläger mußte auch nicht aus anderen Gründen vor seiner Ausreise in seiner Person politische Verfolgung befürchten. Von einer der bereits erlittenen politischen Verfolgung gleichzusetzenden unmittelbar drohenden Verfolgung (vgl. BverfG, Beschlüsse vom 10.7.1989, a.a. O. und vom 23.1.1991, E 83, 216 = NVwZ 1991, 768 = DVBI. 1991, 531 = InfAusIR 1991, 200 = EuGRZ 1991, 109 und BVerwG, Urteil vom 9.4.1991, Buchholz 402.25,§1 AsylVfG Nr. 143) ist auszugehen, wenn sich die Verfolgungssituation so weit verdichtet hat, daß der Betreffende ohne weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muß (BVerwG, a.a.O. und Urteil vom 19.6.1991, BVerwG 9 C 7.91 u.a., S. 7/8 des Urteilsabdrucks). Ob dies der Fall ist, ist mit Hilfe des Maßstabes der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - BVerwG 9 C 41.91 -, S. 11/12), der vom Bundesverwaltungsgericht jüngst dahingehend umschrieben worden ist, daß es im Rahmen einer "qualifizierenden" Betrachtungsweise darauf ankommt, ob in Anbetracht aller festgestellten Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann, und ihm deshalb ein Verbleib im Heimatland nicht zuzumuten ist (Urteil vom 5.11.1991 - BVerwG 9 C 118.90 -, S. 17/18). Dabei kann die unmittelbar drohende Verfolgung sich auch aus gegen Dritte gerichtete Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (BVerfG, Beschluß vom 23.1.1991, a.a.O., Leitsatz 2 a).

Zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im Juni 1979 waren die Verhältnisse in Sri Lanka jedoch nicht so, daß die Annahme gerechtfertigt wäre, jeder junge Tamile sei als potentieller Unterstützer der für einen unabhängigen Tamilenstaat kämpfenden Guerilla-Organisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) angesehen worden und habe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung durch staatliche Stellen befürchten müssen. Der Senat geht vielmehr auf der Grundlage der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Materialien davon aus, daß sich die damaligen Maßnahmen des srilankischen Staates im Rahmen der Auseinandersetzungen mit der mit terroristischen Mitteln kämpfenden und seit Mai 1978 verbotenen LTTE (Stanek, März 1983, S. 20) auf Personen beschränkte, die verdächtig waren, an Aktivitäten verbotener Befreiungsorganisationen teilgenommen bzw. diese unterstützt zu haben. Zwar werden auch schon für 1979 Fälle von willkürlichen Verhaftungen und auch Tötungen berichtet (Hofmann, 12. 4. 1981; ai, 26. 11. 1981), sie sind jedoch zahlenmäßig und im Hinblick auf die betroffenen Gebiete von deutlich kleinerem Umfang als die die nachfolgend darzustellende heutige Situation prägenden Referenzfälle und von daher nicht geeignet, eine unmittelbar drohende Verfolgungsgefahr für alle in diesen Gebieten lebenden jungen Tamilen zu begründen. Tamilen, die sich gewaltfrei für einen eigenen tamilischen Staat einsetzten, wie dies insbesondere die TULF tat, mußten dagegen keine Verfolgung befürchten. Seit den Wahlen im Juli 1977 bildete die TULF mit 14 Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion im srilankischen Parlament und stellte den Oppositionsführer (AA, 15.12.1978). Die allgemeine Lage der Tamilen verbesserte sich seit Antritt der Regierung Jayawardene am 23.7.1977, die um eine friedliche Lösung des Tamilenproblems bemüht war (AA, 10.9.1979 und 13.11.1980). In der am 16.8.1978 verabschiedeten neuen Verfassung wird tamil als Nationalsprache anerkannt (Stanek, a.a.O.). Von einer Verfolgung von Tamilen generell oder von Mitgliedern bzw. Sympathisanten der TULF, die sich nicht an gewalttätigen Aktionen gegen den Staat beteiligten, kann keine Rede sein (AA, 10.9.1979 und 19.6.1980; Deutsche Welle, 10.8.1981). Dies gilt auch für den Zeitraum der Geltung des - nach der Ausreise des Klägers - am 12.7.1979 für die Jaffna-Provinz wegen der Zunahme der terroristischen Aktionen ausgerufenen Ausnahmezustandes (aufgehoben am 27.12.1979). Die TULF blieb weiterhin legal und es kam auch zu keiner allgemeinen Tamilenverfolgung (AA, 19.6.1980, 2.10.1980 und 22.10.l980).

Von einer dem Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar drohenden Verfolgung kann deshalb nicht ausgegangen werden.

II.          Dem Kläger steht jedoch ein Nachfluchtgrund insofern zur Seite, als ihm bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka politische Verfolgung in Gestalt einer Festnahme und einer menschenrechtswidrigen, Behandlung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohen würde und ihm eine solche daher nicht zumutbar ist.

Dem Kläger droht bei Rüchkkehr nach Sri Lanka in dem Gebiet, das von der srilankischen Regierung beherrscht wird (1.), wegen des Verdachts einer mögliche Unterstützung der LTTE festgenommen und in menschenrechtswidriger und asylerheblicher Weise mißhandelt zu werden (2.). Diese Gefahr würde ihm schon bei der Einreise drohen (2.a), aber auch wenn er sich im Westen, Süden oder im zentralen Hochland der Insel niederlassen würde (2.b) sowie auf dem Weg in den Norden und Osten (2.c) und - sofern es ihm gelingen sollte, dorthin zu kommen - im Osten der Insel (2.d), und zwar in Form von langfristiger Inhaftierung, Folter oder gar Tötung (2.e). Bei den insoweit drohenden Maßnahmen handelt es sich auch um eine asylrechtlich erhebliche Verfolgung (3.). Auch drohen dem Kläger die dargelegten Gefahren mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (4.), wobei sich hieran auch nichts in absehbarer Zeit ändern wird (5.). Schließlich fehlt auch eine inländische Fluchtalternative (6.). Diese Gefahr ist die Folge einer Veränderung der Verhältnisse in Sri Lanka, insbesondere einer Verschärfung der Sicherheits - und Menschenrechtssituation, und stellt damit einen asylrechtlich erheblichen objektiven Nachfluchtgrund dar (7.).

Zu dieser Prognose, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer unterstellten Rückkehr des Klägers zum Gegenstand hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.11.1990, a.a.O.), kommt der Senat aufgrund folgender Feststellungen:

1.         Die allgemeine Lage und die Herrschaftsverhältnisse in Sri Lanka stellen sich derzeit wie folgt dar (zur Bevölkerungszusammensetzung, der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit und der späteren politischen Entwicklung bis zum Einmarsch der indischen Truppen im Sommer 1987 sowie zu den bis zu diesem Zeitpunkt aufgetretenen Spannungen zwischen Singhalesen und Tamilen vgl. die Darstellung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß vom 10.7.1989, a.a.O., A.I.1.):

Beim Abzug der indischen Truppen, der im März 1990 abgeschlossen war, und dem Scheitern des Versuchs einer Befriedung durch Indien rückte die LTTE in das entstehende Machtvakuum mit ihren Verbänden nach und übte Herrschaft, soweit sie diese dort nicht schon vorher hatte, sowohl im größten Teil der Jaffna-Halbinsel als auch in weiten Gebieten im Norden und Osten der Insel aus (AA, 28. 5. 1990). Es trat vorübergehend eine ruhigere Phase ein, während der es auch zu Gesprächen zwischen Regierung und der LTTE kam. Nach dem Überfall auf mehrere Polizeistationen und der Ermordung vieler singhalesischer Polizeibeamter im Juni 1990 durch die LTTE begann jedoch ein neuer, noch heftiger geführter bewaffneter Kampf zwischen der srilankischen Armee und der LTTE in Norden und im Osten der Insel, der noch anhält (AA, 13.7. und 29.8.1990; ai, 19.7.1990). Ab jetzt gab es auch eine Zusammenarbeit zwischen der Regierung und anderen Tamilengruppen (AA, 30.8.1991; ai, 12.4.1991, S. 1/2 und vom 25.1.1991; Keller-Kirchhoff, 14.12.1990, 23. und 25.1.1991, 7.9.1991, S. 40 f., 17.9.1991, S. 11; Hofmann, 7.3.1991).

Während die LTTE im Norden vor allem die dort noch vorhandenen Militärstellungen der Regierung angriff - u.a. auch das Fort in Jaffna - und ihre Angriffe nach Guerilla-Manier auch von Wohngebieten und zivilen Einrichtungen aus führte, wurden von der srilankischen Regierung insbesondere auf der Jaffna-Halbinsel die Luftwaffe eingesetzt und durch deren Angriffe viele Personen getötet und große Zerstörungen verursacht (AA, 29.8.1990; ai, 12.4. und 25.6.1991; Keller-Kirchhoff, 14.12.1990, S. 5, 7.9.1991, S. 4; AdG 1991, S. 35212). Die Armee suchte offenbar die Entscheidung, worunter sie die Ausrottung aller kämpfenden Separatisten versteht (AA, 14.12.1990, AdG 1990, S. 34616; Keller-Kirchhoff, 14. und 21.12.1990). Dabei wurde in Regierungskreisen sogar von einer Umsiedlung der ganzen Zivilbevölkerung der Halbinsel Jaffna gesprochen (AA, 24.11.1990; AdG 1990, S. 34770). Die Wiederaufnahme der Kämpfe im Sommer 1990 führte aber ohnedies, insbesondere aus den umkämpften Gebieten im Norden, zu einer Massenflucht zum Teil nach Indien, zum Teil in Flüchtlingslager in anderen Gebieten Sri Lankas. Insgesamt ist von 1,2 Mio. Flüchtlingen die Rede (AA, 24.11.1990, 16.1.1991; Keller-Kirchhoff, 23.1.1991, S. 10 f., 25.1.1991, S. 7 und 7.9.1991, S. 8). Ein kurzer Waffenstillstand Anfang Januar 1991 (AA, 6.5.1991) konnte den Kreislauf der Gewalt nicht unterbrechen. Vielmehr kündigte die Regierung, nachdem das vorgeschlagene Waffenstillstandsangebot nicht angenommen wurde, eine neue militärische Offenesive mit dem Ziel der völligen Vernichtung der LTTE an. Nach wie vor wird der Kampf in brutalster Weise geführt. Der Flüchtlingsstrom aus dem Norden und Osten schwillt seit Sommer 1991 erneut an (AA, 15. 11.1991).

Seit dem Abzug der Inder wird die Jaffna-Halbinsel zu 85 – 90% von der LTTE kontrolliert. Der Einfluß des Staates und seiner Streitkräfte beschränkt sich auf einige Armeestützpunkte und die Jaffna vorgelagerten Inseln (AA, 29.11.1990, S. 1/3; 16.1.1991, S. 2, 30.8.1991, S. 1/3; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 7/9; ai, 12.4.1991 und 25.6.1991). Im übrigen übt die LTTE die Herrschaftsmacht aus. Sie hat einen eigenen Verwaltungs - und Militärapparat aufgebaut und erhebt z. B. Steuern und Wegezölle, kontrolliert die Ein - und Ausreise der Bevölkerung, konfisziert Eigentum und nimmt Zwangsrekrutierungen vor (AA, 30.8.1991, S. 2; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 8/9; ai, 25.6.1991, S. 2; Hofmann, 7.3.1991, S. 3). Die anderen Gebiete des Nordens und der Osten sind hart umkämpft.

2.         Für die Entscheidung des Senats, daß für den Kläger bei einer Rückkehr in das Gebiet, in dem die srilankische Regierung die Staatsgewalt ausübt, die Gefahr politischer Verfolgung besteht, sind folgende Umstände maßgebend:

a)         Zunächst besteht für den Kläger die Gefahr einer Festnahme und Folterung bei der Einreise in Sri Lanka am Flughafen Katunayake. Dort führt die Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department – CID -) Routine- und Verdachtskontrollen durch. Seit dem Bombenanschlag der LTTE vom 2.3.1991 auf den Verteidigungsminister Wijeratne, dem Attentat auf Rajiv Ghandi vom 21.5.1991 und dem Anschlag auf das Hauptquartier der srilankischen Armee vom 21.6.1991 werden ein - und ausreisende Tamilen zwischen etwa 16 und 36 Jahren, welche keinen ständigen Wohnsitz im Süden und Westen nachweisen können, erkennungsdienstlich behandelt, um feststellen zu können, ob es sich um LTTE-Kämpfer oder - mitläufer handelt (AA, 30.8.1991, Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 27). Gegenüber aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen besteht ein besonderes Mißtrauen (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 30, Wingler, 21.10.1991, S. 21 und 2.8.1991, S. 7). Sicherheitskräfte am Flughafen werden aufgefordert, besonders auf nach Sri Lanka zurückkehrende "Expatriaten" wachsam zu sein (Wingler, 21.10.1991, a.a.O.). Aus dem Ausland zurückkehrende Tamilen werden nach Pressemitteilungen von "Offiziellen" bei dem Versuch, militante Aktivitäten zu unterdrücken, "harrassiert" (Wingler, a.a.O., S. 23). Besonders verdächtig sind Tamilen, die als Flüchtlinge heimkehren. Entsprechendes gilt von Personen mit einem Abschiebungsvermerk im Paß (Wingler, 2.8.1991, S. 7). Heimkehrende Flüchtlinge werden generell verdächtigt, für die LTTE tätig zu sein (Wingler, a.a.O.). Dies beruht u.a. darauf, daß die LTTE offenbar über gute Verbindungen insbesondere auch in die Bundesrepublik Deutschland verfügt und von dort aus auch Unterstützungen, u.a. finanzieller Art, erhält (AA, 30.8.1991, S. 5 und 7; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 25 und 29; Wingler, 2.8.1991, S. 7 und August 1991, S. 21). Aus dem Ausland zurückkehrende, Tamilen werden generell verdächtigt, durch Gold - und Rauschgiftschmuggel für die LTTE zu arbeiten (Wingler, August 1991, S. 20). Auch werden sie verdächtigt, im Ausland Verbindungen zwischen der JVP und den tamilischen Organisationen hergestellt zu haben (Wingler, 2.8.1991, S. 7). Kontrollen erfolgen vor allem, wenn die Einreisenden jung sind (vgl. AA, 30.8.1991; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 27). Auch kann die Kontrolle davon abhängen, aus welchen Ländern Tamilen zurückkehren. Zum Beispiel kann davon ausgegangen werden, daß sich aus der Bundesrepublik Deutschland einreisende Tamilen einer genauen Kontrolle unterwerfen müssen. Die Gefahr, zumindest vorübergehend verhaftet zu werden oder sich einem Verhör unterziehen zu müssen, ist gegeben. Dabei ist ein großes Maß an Willkür feststellbar (für alles vgl. Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Auch ohne eine (für deutsche Behörden) erkennbare Verbindung zur LTTE kann derzeit das Risiko einer Verhaftung und Mißhandlung nicht völlig ausgeschlossen werden (vgl. AA, 15.11.1991, letzte Seite). Bezeichnend für die Verhältnisse bei der Einreise in Sri Lanka ist die Verhaftung von sechs aus Saudi Arabien ausgewiesenen Tamilen am 21.11.1990 am Flughafen Katunayake. Zufolge eines Schreibens des beauftragten Rechtsanwalts wurde u.a. ein 40-jähriger tamilischer Familienvater von fünf Kindern, der in Saudi Arabien als Fahrer gearbeitet hatte, der Unterstützung für die LTTE verdächtigt und befand sich im April 1991 noch in Haft (vgl. Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 28). Auch nach dem ai-Rundbrief 32, September 1991, müssen Tamilen, die auf dem Flughafen Katunayake ankommen, damit rechnen, zwecks erkennungsdienstlicher Behandlung vorübergehend festgenommen zu werden. Nach dem Bericht von Dr. Hellmann-Rajanayagam vom 5.9.1989 wurden 1988 drei aus England abgeschobene Tamilen bei ihrer Ankunft in Colombo in Haft genommen und gefoltert.

b)         Eine weitere Gefahr politischer Verfolgung besteht für den Kläger für den Fall, daß er sich nach einem erfolgreichen Passieren der Flugplatzkontrollen in den singhalesischen Gebieten im Westen, Süden und im zentralen Hochland aufhalten sollte. Die Situation des Klägers wäre in einem solchen Fall maßgeblich dadurch bestimmt, daß er in den genannten Gebieten über keine dauernde Arbeits - und Wohnstelle verfügen würde und er auch dort - soweit ersichtlich - keine Verwandten und Bekannten hätte, die erforderlichenfalls zu seinen Gunsten gegenüber den Behörden bürgen könnten. Damit aber wäre der Kläger im Falle einer Rückkehr in die singhalesischen Gebiete von Sri Lanka in besonderem Maße dem Mißtrauen srilankischer Behörden ausgesetzt.

Die Lage in den Singhalesengebieten ist gekennzeichnet durch erhöhten Sicherheitsaufwand. Im ganzen Land finden Verhaftungen, Screenings und Verhöre statt. Zahlreiche Personen verschwinden oder werden nach Festnahmen durch die Sicherheitskräfte tot aufgefunden. Diese Lage verschärfte sich insbesondere, nachdem der LTTE die beiden spektakulären Anschläge im Süden (Ermordung des Vizeverteidigungsministers am 2.3.1991 sowie Bombenanschlag auf das Hauptquartier der Streitkräfte am 21.6.1991) gelungen waren. Bei den anschließenden Verhaftungen und Verhören kam es zu zahlreichen Opfern (vgl. zu den Anschlägen Archiv der Gegenwart 91, 35409; AA, 6.5.1991, 31.7.1991, 30.8.1991 und 30.9.1991; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 32; Wingler, 2.8.1991). Es gibt Berichte über Todesschwadrone in Zivilkleidung (AA, 16.1.1991, S. 4; amnesty international, Jahresbericht 1990, S. 430, Februar 1991, S. 1; August 1991, S. 17, Juli 1991, S. 14). In anderen Berichten ist von Killerkommandos der Regierung oder regierungstreuer Tamilengruppen die Rede (Wingler, August 1991, S. 14). Auch das zentrale Hochland und Colombo sind nach den genannten Auskünften Gebiete, in denen Razzien stattfinden. Die Regierung befürchtet, daß weitere LTTE-Kämpfer in den Süden einsickern, weshalb sie zu erhöhter Wachsamkeit aufruft und in jedem neu auftauchenden Tamilen einen potentiellen Terroristen sieht (AA, 6.5.1991, S. 4, 30.8.1991, S. 12/13; 15.11.1991, II 2; ai, 12.4.1991, S. 7 und Rundbrief 32, September 1991, S. 31; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 32, Beispiele, S. 34). Dazu kommt ein Wiederaufflackern von Aktivitäten der terroristischen JVP, was zu einer weiteren Verunsicherung der Bevölkerung, aber auch der Sicherheitskräfte führt, welche - wie bereits in den früheren Jahren - mit gnadenloser Härte gegen wirkliche oder vermeintliche JVP-Angehörige vorgehen und dabei kaum Gefangene machen (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 5 f.; Wingler, 20.1.1991, S. 12). Es kann deshalb seit dem Wiederaufleben der Kämpfe und insbesondere seit den beiden genannten spektakulären Bombenanschlägen in Colombo davon gesprochen werden, daß regelmäßig im Lande Razzien zum Zwecke des Screening stattfinden, d.h. zum Zwecke der Überprüfung der festgenommenen Personen nach Verbindungen zur LTTE (AA, 30.8.1991, S. 11/12). Dabei sollen zwar insbesondere des Terrorismus Verdächtige festgenommen werden. Wegen der weitgefaßten Verdachtsmomente ist jedoch der Kreis der Verdächtigen ausgesprochen groß (AA, 30.8.1991, S. 12). Es finden daher inzwischen gehäuft Massenverhaftungen statt (AA 15.11.1991, II 2). Nach willkürlich bestimmten und vagen Kriterien kann jeder Tamile (männlich und weiblich) im kampffähigen Alter dazu gerechnet werden (AA 15.11.1991, I 2 u. II 2 u. 4). Die Sicherheitskräfte hegen offenbar den Verdacht von Verbindungen zwischen der JVP und tamilischen Organisationen (insbes. im Hinblick auf Waffenbeschaffung für Anschläge im Süden), wodurch jeder neue Tamile in singhalesischen Gebieten Gefahr läuft, als Kollaborateur der terroristischen JVP angesehen zu werden (Wingler, 21.10.1991, S. 20), welche rücksichtslos verfolgt wird (AA, 6.5.1991, S. 3 f., 30.8.1991, S. 9 und 16.1.1991, S. 3, 5). Nach dem letzten Lagebericht des AA vom 15.11.1991, Ziff. II, 2, gilt für die Situation im Westen und Süden Sri Lankas, daß neuerdings auch für Personen tamilischer Volkszugehörigkeit, welche nur durch mehr oder weniger vage und zum Teil willkürlich herangezogene Indizien Verdacht erregt haben, das zusehends steigende Risiko zu erkennen ist, verhaftet und mißhandelt zu werden. Je stärker der Verdacht, um so schwerer sind in der Regel die Mißhandlungen durch die Polizei. Es fanden und finden gehäuft auch in Colombo und Umgebung Massenverhaftungen statt. Die Inhaftierten werden erst freigelassen, wenn geklärt ist, daß keine Anhaltspunkte für einen LTTE-Verdacht vorliegen. Solche Anhaltspunkte sind z.B. ein Personalausweis, der in einer Stadt im Osten an der Stelle eines LTTE-Überfalls gefunden worden ist. Mangels tamilischer Sprachkenntnisse bedienen sich die Sicherheitskräfte der Mitglieder mit der Regierung zusammenarbeitender tamilischer Organisationen wie der EPDP, PELO, TELO und PLOTE, die zum Teil selbständig operieren und Flüchtlingscamps durch Spitzel überwachen und auch dort Personen festnehmen. Dabei kommt es häufig aus Rachegründen oder wegen persönlicher Animositäten zu unberechtihten Denunziationen (zum Vorstehenden vgl. auch AA, 30.8.1991, S. 14 f. Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 40). Das höchste Risiko besteht weiterhin für männliche Tamilen im Alter zwischen 11 und 36 Jahren, also für eine Personengruppe, der auch der Kläger angehört (AA, 15.11.1991, II, 2). Im Westen, Süden und im zentralen Hochland finden Razzien und sog. screening actions statt, von denen ebenfalls vorwiegend männliche Tamilen im Alter zwischen 16 und 36 Jahren betroffen sind (AA, 30.8.1991, S. 11 ff.). Bei Razzien werden je nach örtlichen Gegebenheiten und der Zielrichtung u.U. Bewohner ganzer Dörfer zusammengetrieben und nach Personen, welche dem Raster der Verdächtigen - etwa in der Altersgruppe (16 - 36 Jahren) und dem Geschlecht (männlich) - entsprechen, aussortiert. Die Verdächtigen werden sodann überprüft ("screening"). Die Festnahmen bei Razzien zum Zwecke des Screenings sind grundsätzlich vorläufiger Art. Erst bei Bestätigung des Verdachts werden die Betroffenen festgenommen. Verdachtsmomente sind objektiver Art, z.B. Indizien für die Beteiligung an Gewalttaten und Unterstützung von daran beteiligten Personen. Das Problem liegt jedoch in der weiten Fassung der Kriterien für objektive Verdachtsmomente, z.B. bei der JVP: Student, Schüler, Alter und Geschlecht (AA, 15.11.1991). Soweit allerdings das Auswärtige Amt von objektiven Verdachtsmomenten als Voraussetzung für die Inhaftierung jugendlicher Tamilen spricht, liegt nach Auffassung des Senats in Wirklichkeit eine mehr oder weniger willkürlich herangezogene Auswahl vor, was sich aus der Feststellung des Auswärtigen Amtes, wonach sich die Verdachtsmomente zunehmend vager und willkürlicher gestalten, unzweifelhaft ergibt. Personen ohne "valid reason" für den Aufenthalt in den singhalesischen Gebieten im Westen, Süden und im zentralen Hochland sind prima facie verdächtig und werden genau überprüft (AA, 30.8.1991, S. 12 und 13; Keller-Kirchhoff, 25.1.1991, S. 8, vom 21.12.1990, S. 5, vom 7.9.1991, S. 30 ff. und 34 ff. und vom 10.9.1991, S. 8; Hofmann vom 7.3.1991, S. 10; Wingler, August 1991, S. 19). Sollten sich hierdurch weitere Verdachtsmomente ergeben und der Betreffende keinen Bürgen benennen können, wäre seine Verhaftung zwecks weiterer Ermittlungen wahrscheinlich (AA, 30.8.1991, S. 13). Für die Verhaftung kann es schon ausreichen, wenn sich der Betreffende nicht ausreichend auf singhalesisch verständigen kann (vgl. Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 35). Auch sind zahlreiche Personen nur aufgrund anonymer Anzeigen verhaftet worden (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Da die Bevölkerung zur Wachsamkeit aufgefordert ist, kann es vorkommen, daß Personen, die "ein fremdes Gesicht" in ihrer Straße sehen, die Polizei verständigen (Keller-Kirchhoff, a.a.O., und Schreiben des UNHCR vom 28.6.1991). Auch kann bereits eine Narbe am Körper zu dem Verdacht führen, an einer militärischen Übung der LTTE teilgenommen zu haben (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Eine Person kann auf Weisung der Polizeibehörden in incommunicado-Haft, bei der ein Kontakt mit Angehörigen und Anwälten ausgeschlossen ist, gehalten werden. Die Freilassung hängt buchstäblich von der Laune der Polizei ab. Sie ist ohne Beziehungen schwer zu erreichen (Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 36). Zudem besteht in der Westprovinz die Pflicht für außerhalb der Flüchtlingslager lebende Personen, sich bei der Polizei registrieren zu lassen. Für die Verletzung derartiger Meldepflichten sind schwere Strafen angedroht (KelIer-Kirchhoff, a.a.O., S. 37). Außerdem werden alle Hotel - und Unterkunftsbesitzer aufgefordert, die bei ihnen untergebrachten Personen zu melden. Diese Aufforderung erging auch an Privathaushalte, die Bekannte oder Verwandte untergebracht haben. Die Maßnahme hat dazu geführt, daß es für Tamilen schwer bis unmöglich ist, in Colombo Unterkunft oder eine Wohnung zu finden (Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 38). Tamilen finden außerdem nur schwer Aufnahme in den sog. lodges. Selbst Verwandte, die schon Jahrzehnte in Colombo wohnen, würden ihren Angehörigen nur noch widerwillig Unterkunftsmöglichkeiten anbieten. Bei ihren Aktionen werden die Regierungsstreitkräfte von tamilischen Anti-LTTE-Gruppen, u.a. der EPDP, unterstützt. Tamilen, die von der EPDP verhaftet und anschließend freigelassen werden, berichten von Folterungen und Demütigungen. Die Regierung läßt dabei der EPDP weitgehend freie Hand. Die Situation in Colombo wird vom UNHCR in seinem Schreiben vom 28.6.1991 als so bedrohlich geschildert, daß von Abschiebungen abgesehen werden soll, weil praktisch jedes neue Gesicht registriert wird und dies regelmäßig zu einer polizeilichen Befragung der betreffenden Personen führt. Tamilische Rückkehrer aus dem Ausland sind bei Razzien und screening actions besonders gefährdet (vgl. Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 39). Auch nach dem ai-Rundbrief 32, September.1991, ist der Aufenthalt in Colombo und in den singhalesischen Gebieten für tamilische Rückkehrer gefährlich, weil sie ihren ständigen Wohnsitz nicht in dieser Gegend haben und Gefahr laufen, festgenommen und verhört zu werden. Nach dem ai-Rundbrief vom 25.6.1991, S. 3 befürchtet die Regierung, daß die LTTE den Süden infiltrieren will, um dort ihre Angriffe fortsetzen zu können. Dabei wurde auch der Verdacht geäußert, daß die Tigers Kontakt mit der JVP aufnehmen würden. Aus diesem Grunde finden immer wieder - besonders in Colombo und Umgebung - Razzien statt, wobei junge Tamilen festgenommen werden, die ihren dauernden Wohnsitz nicht in diesem Gebiet haben. Da der Kläger gerade zu dieser Personengruppe gehört, trifft ihn diese Gefahr ebenfalls. Nach dem Attentat auf den Verteidigungsminister Wijeratne im März 1991 wurden die Razzien verstärkt. Hunderte von Tamilen wurden festgehommen. Seit die Tigers ihre Angriffe auf den Südosten von Sri Lanka ausgedehnt haben, muß davon ausgegangen werden, daß junge Tamilen, die sich vorübergehend in singhalesischen Gebieten aufhalten, noch mehr gefährdet sind. Aus diesen Verhältnissen und der Situation im Norden und Osten schließt amnesty international, daß zur Zeit srilankische Flüchtlinge nicht ohne Gefahr für Leib und Leben nach Sri Lanka zurückkehren können. Angesichts der harten Repressionswelle gegenüber Tamilen ist davon auszugehen, daß tamilische Rückkehrer regelmäßig als LTTE-Sympathisanten verdächtigt werden und damit Gefahren im Sinne des § 53 AuslG mit erheblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müssen (vgl. ai-Rundbrief, a.a.O., S. 38). Dieser Einschätzung entsprechen auch die Gutachten und Berichte von Wingler vom Juli und August 1991 sowie vom 2.8. und 30.7.1991. Nach dessen "Lagebericht" vom 30.7.1991 wurden aus dem Ausland zurückkehrende junge Tamilen eingehend beobachtet und verhört. Etliche junge Tamilen gelten seit ihrer Festnahme als "verschwunden" (was gleichbedeutend mit ihrer Tötung ist). Die srilankische Presse habe von eingehendem "Grillen" (=Weichmachen) junger Tamilen aus Anlaß der Ermordung von Verteidigungsminister Wijeratne berichtet. Am 5.3.1991 soll ein aus Deutschland zurückgekehrter junger Tamile in Colombo 7 aus dem Hause seines Rechtsbeistandes von der Polizei en einen unbekannten Ort zu Verhören gebracht worden sein (Wingler, 30.7.1991, S. 2). Der Betroffene soll seitdem als "verschwunden" (= getötet) gelten. Ferner wurde bereits am 20.7.1989 der abgeschobene Srilankaner Wenceslaos Edmond Rex von Sicherheitskräften verhaftet und ermordet. Das gleiche Schicksal traf den ihn vertretenden Rechtsanwalt in der Zeit um den 27.10.1989 (Wingler, Juli 1991, S. 9). Im Parlament wurde berichtet, daß junge Tamilien aus dem Hochland nicht vor Repressalien seitens der staatlichen Organe verschont bleiben würden. Dabei hieß es, daß immer, wenn in Colombo etwas los sei, im Hochland die jungen Tamilen aufgegriffen würden (vgl. Wingler, September 1991, S. 23; August 1991,.S. 17). In Colombo sei immer etwas los (Wingler, August 1991, a.a.O.). Im August 1991 wurde von einem mysteriösen Verschwinden junger Tamilen aus dem Hochland berichtet. Man vermutet, daß srilankische Organe dabei ihre Hand im Spiel gehabt hätten (Wingler, a.a.O.). Leben und Freiheit selbst von sog. jungen Indien-Tamilen im Hochland seien gefährdet (Wingler, Juli 1991, S. 21; 2.8.1991, S. 10). LTTE-Verdächtiger zu sein bedeute, nicht offenkundig nachweisen zu können, nicht mit der LTTE in Verbindung zu stehen (Wingler, August 1991, S. 19). Einen solchen Nachweis zu führen dürfte für die aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen, insbesondere die jüngeren unter ihnen, schwierig sein (Wingler, Juli 1991, S. 4). Jugendliche Tamilen würden im Berichtszeitpunkt unter Druck gesetzt werden, auf der Seite von PLOTE, TELO und EPDF zu operieren (Wingler, August 1991, S. 19). Aus dem Ausland zurückkehrende tamilische Jugendliche würden in Colombo und Umgebung in eine für sie schier ausweglose Lage geraten, es sei denn, daß sie sich freiwillig zum Einsatz gegen ihre Landsleute melden würden (Wingler, a.a.O.). Die Razzien richteten sich insbesondere gegen die Personengruppe junger Tamilen beiderlei Geschlechts, während alte Frauen und Männer unbehelligt blieben (Wingler, 2.8.,1991, S. 11). Wer bei den Razzien festgenommen wird, richtet sich nach den jeweiligen Verdachtsmomenten. Dabei kann sich bereits durch eine ungeschickte oder erpreßte Äußerung bei der Folter ein solcher Verdacht ergeben. Die Verhaftungspraxis ist willkürlich. Es genügt für die Festnahme, daß ein Tamile kein valid reason hat. Anlaßlich des Bombenanschlags vom 21.6.1991 soll der Armee freie Hand gegeben worden sein, wahllos und willkürlich junge Tamilen beiderlei Geschlechts aufzugreifen (Wingler, Juli 1991, S. 2). Bis zum 5.7.1991 sollen mehrere hundert junge Tamilen aus Colombo aus dem Gewahrsam von Armee und Polizei "verschwunden" sein. Man vermutet, daß sie aus der Stadt verschleppt und exekutiert worden sind (Wingler, a.a.O.). Seit dem 21.6.1991 hat eine Verhaftungswelle die aus dem Norden und Osten und insbesondere aus dem Ausland zurückgekehrten jungen Tamilen in Unterkünften, Schlafsälen, Hotels u.ä. durch staatliche Streitkräfte erfaßt (vgl.'Wingler, a.a.O., S. 12). Dabei wurde von der Presse immer wieder von einem "intensiven Grillen" gesprochen, d.h. von einem Weich - und Gefügigmachen (Wingler, Juli 1991, S. 8 f, 2.8.1991, S. 10).

c)         Eine weitere Gefahr für den Kläger, bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka festgenommen und gefoltert zu werden, ergibt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen für den Fall, daß der Kläger sich nach Norden oder Osten von Sri Lanka begeben sollte (AA, 30.8.1991, S. 5 f.). Bei einer Rückkehr in den Norden müßte der Kläger mit Kontrollen durch Sicherheitskräfte und ggf. mit vorläufiger Festnahme, einer erkennungsdienstlichen Behandlung und Mißhandlungen rechnen. Dies wäre um so wahrscheinlicher, je mehr sich der Betreffende in das Verdachtsraster für einen potentiellen LTTE-Kämpfer einfügte. Hinzu kommt derzeit im Falle von Rückkehrern das zusätzliche Mißtrauen der Sicherheitskräfte gegenüber Tamilen, welche angeben, aus dem westlichen Ausland in den Norden ihrer Heimat zurückzukehren, angesichts der Tatsache, daß die Mehrheit der dort wohnhaften Bevölkerung alle Hebel und Mittel in Bewegung setzt, genau den umgekehrten Weg Zu nähmen. Die Vermutung, daß hier etwas nicht stimmen könnte, wäre aus der Perspektive der Sicherheitskräfte naheliegend. Nicht auszuschließen wäre dann die weitere Vermutung, daß es sich vielleicht um LTTE-Ausiandskader handeln könnte, die zur Verstärkung der dezimierten Kampftruppen angefordert wurden. Für die Soldaten liegen dabei rationale Erwägungen ferner als irrational erscheinende Ängste. Insbesondere müßten auf dem Weg in den Norden sieben Kontrollpunkte passiert werden, nämlich Colombo-Kelaniya, Chilaw, Battulu Oya, Puttalam, Anuradhapura Süd und Nord, Medawachchiya, Vavuniya und Thandikulam Stadt (Keller-Kirchhoff, 10.9.1991, S. 15). Auf dem Weg in den Osten müssen fünf Kontrollstellen passiert werden (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Eine Rückkehr in den Norden ist derzeit allenfalls ein hypothetisches Gedankenspiel, weil die einzige Straßenverbindung über den Elephant-Paß wegen dort stattfindender Militäraktionen abgeschnitten ist (AA, 30.8.1991, S. 6 und vom 31.7.1991, S. 1). Rückführungen in den Norden sind daher bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich (AA, 31.7.1991, S. 1). Von gleichen Gefahren ist auf dem Weg nach dem Osten auszugehen. Auch Rückführungen in den Osten sind daher praktisch kaum durchführbar (AA, 31.7.1991, S. 4 und 6). Aus alledem ergibt sich, daß dem Kläger auf dem Weg nach dem Norden und Osten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Festnahme und menschenrechtswidrigen Behandlung droht.

d)         Schließlich droht dem Kläger die Gefahr, als LTTE-Verdächtiger festgenommen und menschenrechtswidrig behandelt zu werden, falls es ihm doch gelänge, sich in den Osten von Sri Länka zu begeben. Lanka ist die Die Menschenrechtssituation im Ostteil von Sri Lanka vom dei schlimmste im ganzen Land. Sie wird geprägt durch brutale Vergeltungspraktiken der Armee, die unschuldige Zivilisten treffen und nicht das für Bürgerkriegsaktionen typisch militärische Gepräge haben, dem eine asylrechtliche Relevanz fehlt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10.7.1991, BVerfGE 80, 315/340). In erheblichem Maße finden Folterungen und außerlegale Tötungen sowie Massaker durch die Sicherheitsorgane, die Armee, Heimwehren und mit der Regierung zusammen arbeitende tamilische Konkurrenzorganisationen zur LTTE statt. Die Vereinigung "University Teachers for Human Rights" spricht von einem "new level of calculated terror, (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 19). Die Zeitung The Guardian berichtet in ihrer Ausgabe vom 11.8.1991: "Local human rights activists agree the past 15 manths have been the worst the beleaguered region has experienced." Im Rahmen der seit Juni 1990 immer heftiger geführter Kämpfe gab es zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung. So wird von 5.000 getöteten Zivilisten allein in der Zeit von Juni bis Dezember 1990 gesprochen bzw. von 12.000 Opfern (davon 8.000 bis 9.000 Zivilisten) in der Zeit seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe vom 11.6.1990 bis August 1991 (Keller-Kirchhoff, 17.9.1991, S. 2). Außerdem gab es umfangreiche Zerstörungen auch ziviler Einrichtungen, die insbesondere durch Angriffe der srilankischen Luftwaffe hervorgerufen wurden (Auskunft AA vom 29.8.1990; ai vom 12.4.1991; Keller-Kirchhoff, Gutachten vom 14.12.1990, S. 5 und vom 7.9.1991, S. 3; AdG 1991, S. 35212). Im Osten kam es zu zahlreichen Vergeltungsaktionen der Armee und einer speziellen Terrorismusbekämpfungstruppe, der Special Task Force – STF -, die zum Teil geplanten Charakter hatte. So berichtet Keller-Kirchhoff in seinen Gutachten vom 23. und 25.1.1991 von zwei unter der Zivilbevölkerung angerichteten Massakern in Saththumkodan Pillaiyardi. Insbesondere bekannt geworden ist ferner das sog. Kokadichcholai-Massaker, bei dem die Armee im Juni 1991 nach dem Tod zweier Soldaten mehrere Dörfer umstellte und alle anwesenden Menschen ermordete, wobei weder Kinder noch Greise geschont und Frauen vorher noch vergewwaltigt wurden. Die offiziellen Zahlen der Opfer sprechen von 67 Toten, 58. Vermißten und 47 Verwundeten. Das Auswärtige Amt schätzt die Zahl der Todesopfer auf 180 (AA, 31.7.1991, S. 1; Wingler, 30.7.1991, S. 2; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 18). Ein ähnliches Massaker gab es im Dezember 1990 in Neelawanai (Wingler, a.a.O.,). In einem dem Senat vorliegenden Brief von tamilischen Komitees an die Vereinten Nationen vom 27.1.1991 werden insgesamt 116 Übergriffe der Armee und der mit ihr kooperierenden Gruppen in der Zeit zwischen August und Dezember 1990 aufgezählt. Von zwei weiteren Massakern vom 10.7.1991 (in Kinniyadi) und vom 14.8.1991 (in Chavalakadai) berichtet Keller-Kirchhoff im Gutachten vom 17.9.1991, S. 5/6. Bei den zahlreichen Vergeltungsangriffen arbeiten reguläre Streitkräfte, paramilitärische Gruppierungen, Bürgerwehren und sonstige Killerkommandos Hand in Hand (Keller-Kirchhoff, 17.9.1991, S. 1/2 und 8/9). Dabei wird erkennbar, daß der srilankische Staat Übergriffe ganz offenbar duldet, jedenfalls nicht verfolgt (AA, 29.11.1990, S. 4/5 und 14.12.1990, S. 4, Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 43 f. und 17.9.1991, S. 3 ff.; Wingler, September 1991, S. 10). Amnesty international stellt in seinem Bericht vom Februar 1991, S. 3 dar, daß es eine ganz große Zahl von extralegalen Hinrichtungen und verschwundenen Personen gibt, So sollen allein im Bezirk Amparai zwischen Juni und Oktober 1990 3.000 Tamilen verschwunden oder getötet worden sein. Dabei wird insbesondere deutlich, daß die srilankische Armee offiziell kaum Gefangene macht und statt dessen Personen, die von der Armee gefangengenommen werden, verschwinden und wahrscheinlich umgebracht werden (AA, 6.5.1991, S. 3). In diesem Zusammenhang spricht das Auswärtige Amt von Ausnahmen und Grauzonen, innerhalb welcher derartige Übetgriffe und Menschenrechtsverletzungen immer wieder vorkommen (AA, 29.11. und 14.12.1990, S. 3). Die Zahl der im hart umkämpften Osten vermißten Personen wird vom Auswärtigen Amt in der Auskunft vom 31.7.1991, S. 2 als hoch bezeichnet (s.a. Auskunft AA vom 6.5.1991, S. 3). Dabei führen die Regierungstruppen (oft mit Hilfe tamilischer Informanten) nach militärischen Operationen sog. Screenings durch, bei denen es zwar um das Auffinden von Terroristen der LTTE geht, die aber zu zahlreichen Tötungen auch Unschuldiger führen (AA, 8.8., 29.11. und 14. 12.,1990). Im Osten werden solche Großrazzien mit zahlreichen Opfern durchgeführt (Keller-Kirchhoff, 21.12. 1990, S. 3 und 25.1.1991, S. 5). Zielgruppe der Razzien ist die Gruppe junger Tamilen (15 bis 36 Jahren), die im kampffähigen Alter sind (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Wegen der Beteiligung tamilischer Informanten (aus politisch mit der LTTE, verfeindeten Gruppen) besteht dabei das Risiko von Denunziation und Racheakten unter dem Deckmantel der Terroristenbekämpfung. Zahlreiche bei solchen Screenings festgenommene Personen zählen später zu den Verschwundenen und eindeutig Getöteten. Das Schicksal vieler ist unbekannt (vgl. ai-Rundbrief 32, September 1991, S. 17 und 23). Inzwischen agieren insbesondere im Osten auch sog. Todesschwadrone, die neben der Armee Jagd auf junge Tamilen machen (ai-Bericht vom 25.6.1991, S. 2 und Rundbrief 32, September 1991, S. 7) sowie Spezialeinheiten der Armee und. Polizei und paramilitärische Verbände und die im geheimen operierenden sog. Vigilante-Gruppen, wobei es sich bei den letzteren vermutlich um Angehörige der Militärs und der Polizei handeln dürfte (Keller-Kirchhoff, 17.9.1991, S. 9). Seit Ende April 1991 kommt es fast täglich zur Entführung von Zivilisten, liegen halbverkohlte Leichen am Straßenrand, werden enthauptete Leichen an den Strand gespült (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Im Osten werden zudem neue Ausweise ausgegeben, um die Bevölkerung besser unter Kontrolle halten zu können (Wingler, Juli 1991, S. 18). Nach dem Gutachten von Keller-Kirchhoff vom 17.9.1991, S. 4 f. wird der Kampf staatlicher Kräfte immer wieder in einer Weise geführt, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind. Bei dieser Vorgehensweise der Streitkräfte handelt es sich oft um bloßen Gegenterror.

e)         Bei all den genannten Situationen muß im Falle einer Festnahme eines jungen Tamilen durch Sicherheitskräfte bei Razzien und screening actions oder bei anderer Gelegenheit mit der Gefahr von Mißhandlungen und Folterungen, ja der Tötung gerechnet werden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.5.1991, S. 4 sind zumindest Prügel an der Tagesordnung. Für LTTE-Verdächtige bejaht das Auswärtige Amt in einer Auskunft vom 30.8.1991, S. 13 ein follterrisiko, das allerdings niedriger sein soll als das JVP-Angehöriger. In der ergänzenden Auskunft vom 30.9.1991 wird jedoch bestätigt, daß es bei der Festnahme von der LTTE-Mit-gliedschaft verdächtigen Personen verstärkt zu Folterungen kommt Von einem Folterrisiko zeugen auch andere Auskünfte (ai-Rundbrief 32, September 1991, S. 31; Wingler, 2.8.1991, S. 12 und 30.7.1991, S. 1 f. sowie Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 34 und 39). Die Einschätzung, daß bei den Screenings LTTE-Verdächtige nicht geprügelt werden (Auskunft vom 30.8.1991), hat das Auswärtige Amt in der Ergänzung vom 30.9.1991 nicht mehr aufrechter-halten. Von vielen bei den Screenings festgenommenen Personen weiß man, daß sie umgebracht sind (Wingler, 20.1.1991, S. 14; Keller-Kirchhoff, 7.9,1991, S. 40). Von der EPDP verhaftete Tamilen berichten von Folterungen und Demütigungen (Keller-Kirchhoff, 10.9.1991, S. 14). Zu den Tötungs - und Foltermethoden gehören Scheinexekutionen, Exekutionen durch Kopfschuß, Knebeln mit Reifen und Verbrennen mit Kerosin, Aufhängen an Füßen, Ausreißen von Nägeln, Einschlagen von Nägeln in den Kopf, Einschlagen von Glasflaschen in den After, Mißhandlungen mit Fahrradketten, Elektroschocks der Genitalien, homosexuelle Vergewaltigungen, über den Kopf Stülpen eines Sacks mit Chily-Pulver (Wingler, August 1991, S. 21; Keller-Kirchhoff, Mai 1990, S. 66 und ai, Mai 1989, S. 11 und Jahresbericht 1986, S. 335). Zudem besteht für die Festgenommenen die Gefahr des "Verschwindens", d.h. einer extralegalen Tötung, was in Sri Lanka derzeit häufig vorkommt (ai-Auskunft vom 12.4.1991, S.7 und Februar 1991, S. 6/7 der deutschen Übersetzung; Wingler, 20.1.1991, S. 6 und 2.8.1991, S. 12). Für eine bei einer screening action festgenommenen Person ist nicht absehbar, wie lange sie inhaftiert sein wird. Das Auswärtige Amt spricht von einer 24-stündigen Dauer des eigentlichen Screenings, Keller-Kirchhoff dagegen von Festnahmen zwischen zwei Stunden und 18 Monaten. Nach Dr. Wingler (Gutachten vom 2.8.1991, S. 12) dauern die Festnahmen zwischen drei bis sechs Tagen bzw. Wochen. Der Verbleib der bei den Screenings Festgenommenen bleibt unbekannt, weshalb ein Kontakt zu Angehörigen oder Rechtsanwälten ausgeschlossen ist (AA, 14.12.1990, S. 4/5 und vom 6.5.1991, S. 4; Keller-Kirchhoff 7.9.1991, S. 27/28). Da auch Zivilisten Verhaftungen durchführen, ist oft nicht feststellbar, wer verantwortlich ist (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 36 und vom 10.9.1991, S.10). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.11.1991, II,3, wird die auch bei Verhaftungen nach dem Notstandsrecht vorgesehene richterliche Haftanordnung mehr als nachlässig gehandhabt. Nach der Kenntnis des Auswärtigen Amtes findet in keinem Fall die vorgeschriebene Vorführung des Häftlings vor dem Richter statt. Die Richterunterschreiben die Haftbestätigungen vielmehr blind. In keinem Fall haben sie die Unterschrift unter eine Haftbestätigung abgelehnt. Zahlreiche Inhaftierte, die von Gerichten freigesprochen worden sind oder deren Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurden, werden weiterhin ohne Rechtsgrundlage gefangengehalten (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 6). Zahlreiche Gefangene befinden sich, obwohl ihre Haftbefehle abgelaufen sind, nach wie vor in Haft. Auch wird eine Anzahl von Personen über längere Zeit in Polizeistationen festgehalten (vgl. Keller-Kirchhoff, a.a.O.).

3.         Aus alledem folgt, daß dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka in den singhalesischen Gebieten sowie im Osten der Insel oder bei einem Weg in den Osten bzw. Norden Verhaftung und Folter, sogar der Tod drohen können. Die Verhaftungen erfolgen, sofern nicht Entführungen durch mit staatlicher Billigung handelnde Gruppen stattfinden, auf der Grundlage des § 6 des Gesetzes Prevention of Terrorism Act-PTA-(zum Gesetzeswortlaut vgl. Anlage zu AA, 29.11.1988), bei dem vor allem § 2 Abs. 1 h gegen tatsächliche oder vermeintliche Angehörige oder Sympathisanten militanter Gruppen zur Anwendung kommt (AA, 8.8. und 29.11.1988). Die drohenden Maßnahmen haben die für eine Asylanerkennung erforderliche Intensität, denn sie gefährden die Gesundheit und körperliche Integrität des Klägers, im Extremfall sogar dessen Leben, also Rechtsgüter von höchstem Gewicht.

Die drohenden Verfolgungsmaßnahmen knüpfen auch an asylrechtliche beachtliche Merkmale an. Es ist höchstrichterlich geklärt, daß bereits eine zweitägige Festnahme und Mißhandlung eines jungen Tamilen eine asylrechtlich beachtliche politische Verfolgung dearstellen kann, wenn sich die menschenrechtswidrige Behandlung nach ihre erkennbaren Gerichtetheit auf die tamilsche Volkszugehörigkeit der betreffenden Personen oder auf seine politische Überzeugung richtet (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.11.1990-9 C 72.90-,- 9C 74.90-,-9C 76.90-und-9 C 73.90-, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nrn. 136, 137 und 139 sowie InfAuslR 1991, 181). Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung rechtfertigen nämlich nicht den Einsatz brutaler Gewalt gegenüber Personen, bei denen keine über allgemeine Merkmale wie Volkszugehörigkeit, Alter und Geschlecht hinausgehenden objektivierbaren Verdachtsmomente bestehen (BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, Buchholz, a.a.O.). Zwar ist eine menschenrechtswidrige Behandlung als solche nach Wortlaut und Sinn des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zwangsläufig asylerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.11.1990-9 C 73.90-, a.a.O.). Auch stellen staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus grundsätzlich keine politische Verfolgung dar, wenn sie aktive Terroristen oder deren Unterstützer treffen sollen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315/339 und vom 25.4.1991, InfAuslR 1991, 257). Wenn aber sonstige Umstände - wie etwa die besondere Intensität der Verfolgungsmaßnahmen - darauf schließen lassen, daß der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird oder daß sich die Maßnahmen auf diejenigen Personen erstreckt, die zwar für separatistische oder sonstige politische Ziele eintreten, terroristische Aktivitäten aber nicht oder nur gezwungenermaßen unterstützen, kann eine politische Verfolgung vorliegen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Dies gilt namentlich für Aktionen bloßen Gegenterrors, die zwar der Bekämpfung des Terrorismus dienen, aber darauf ausgerichtet sind, die am bestehenden Konflikt nicht unmittelbar beteiligte zivile Bevölkerung unter den Druck brutaler Gewalt zu setzen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Dabei kann es ausreichen, wenn der Verfolgerstaat eine Person wegen des - objektiv unberechtigten - Verdachts der Trägerschaft von bestimmten asylerheblichen Merkmalen verfolgt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8.11.1990, InfAuslR 1991, 25). Eine politische Verfolgung ist nicht schon dann zu verneinen, wenn der Staat separatistische oder politisch - revolutionäre Aktivitäten mit strafrechtlichen Sanktionen bekämpft, um so das Rechtsgut des eigenen Bestandes und seiner politischen Identität zu verteidigen. Um den Maßnahmen den Charakter politischer Verfolgung zu nehmen, bedarf es vielmehr zusätzlicher, an objektive Umstände ahknüpfender Kriterien. Ein solches Kriterium ist zunächst der Rechtsgüterschutz. Die Verfolgung von Straftaten, die sich gegen Rechtsgüter anderer Bürger richten, ist keine politische Verfolgung. Politische Verfolgung liegt auch dann nicht vor, wenn objektive Gründe darauf schließen lassen, daß die Verfolgung einer sich gegen ein politisches Rechtseut richtenden Tat nicht der mit dem Delikt behafteten politischen Überzeugung als solcher gilt, sondern einer in ihr zum Ausdruck kommenden kriminellen Komponente, deren Strafwürdigkeit der Staatspraxis geläufig ist. Auch in diesen Fällen kann allerdings eine politische Verfolgung dann gegeben sein, wenn der Betroffene eine Behandlung erleidet, die härter ist als die sonst zur Verfolgung ähnlicher - nicht politischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat übliche (sog. Politmalus; BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315/338 und vom 20.12.1989, BVerfGE 81, 142). Folter ist nur dann asylerheblich, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale eingesetzt oder im Blick auf diese Merkmale in verschärfter Form angewendet wird (vgl. BVerfG, Beschluß vom 20.12.1989, a.a.0. und vom 8.10.1990, InfAüslR 1991, 18). Bei alledem kommt es nicht auf die der jeweiligen staatlichen Maßnahme zugrundeliegende Motivation, sondern auf die anhand des inhaltlichen Charakters zu beurteilende Gerichtetheit der Maßnahme selbst an (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.12.1989, a.a.O.,S. 151, vom 10.7.1989, a.a.O., S. 335; vom 8.10.1990, a.a.O.; vom 8.11.1990, InfAuslR 1991, 25 und vom 4.4.1991, InfAuslR 1991, 262).

Nach diesen Maßstäben handelt es sich um staatliche Willkür- bzw. Gegenterrormaßnahmen, jedenfalls soweit sich die Festnahme und Mißhandlung vermeintlicher LTTE-Anhänger auf Personen erstrecken, die - wie der Kläger - lediglich als Merkmal die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe junger Tamilen in der Altersgruppe von 11 bis 36 Jahren aufweisen und im übrigen nur durch zusätzliche vage oder gar willkürlich herangezogäne Verdachtsmomente gekennzeich net sind. Insoweit knüpfen die staatlichen Maßnahmen an asylrechtlich relevante Merkmale, nämlich an die Volkszugehörigkeit, das, Alter und das Geschlecht sowie an die beim Kläger vermutete politische Überzeugung an. Da die zur Festnahme führenden Verdathtsmomente in Wahrheit nicht solche objektiver und sachlicher Art, sondern, wie bereits dargelegt, zunehmend vager und willkürlich herangezogen werden, läuft die Verfolgungspraxis staatlicher Sicherheitskräfte Sri Lankas jedenfalls zu einem erheblichen Teil auf eine reine Willkür hinaus, bei der auch unbeteiligte Personen allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Geschlechts und ihrer Altersgruppe mißhandelt werden, um zu Informationen zu gelangen und keine auch nur entferntest als LTTE-Anhänger in Betracht kommenden Personen "durch die Maschen schlüpfen" zu lassen und schließlich um die als potentielle Kämpfer der LTTE in Betracht kommenden jungen Tamilen durch Verhöre und Mißhandlungen einzuschüchtern und an einem Kampfeinsatz zu Gunsten der LTTE zu hindern. Bei einer Festnahme läuft der Kläger Gefahr, zumindest für einige Tage festgenommen und dabei mißhandelt bzw. gefoltert zu werden, also eine Behandlung zu erfahren, die, wie dargelegt, für eine politische Verfolgung unter Anknüpfung an asylrechtlich beachtliche Merkmale ausreicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.11.1990 - 9 C 73/74 und 76.90 -, a.a.O.). Im Extremfall kann sich die Festnahme auf eine längere oder gar unbestimmte Zeit erstrecken, innerhalb derer Folterungen stattfinden, die im Einzelfall zum Tod des Opfers führen können.

Die politische Verfolgungstendenz zu erwartender Folterungen ergibt sich nach dem Dargelegten nicht nur daraus, daß die fraglichen Maßnahmen an asylrelevante Merkmale anknüpfen, sondern auch daraus, daß die Foltermethoden, wie sie vor allem im Bericht Dr. Wingler vom August 1991, S. 21 sowie in den ai-Jahresberichten 1980, S. 308; 1984, S. 344; 1985, S. 330 und 1986, S. 335 sowie im Gutachten der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 27.12.1984, S. 6 geschildert sind, in ihrer nicht mehr zu überbietenden Bestialität erheblich über das hinausgehen, was in Sri Lanka ansonsten, etwa bei der Bekämpfung kriminellen Unrechts, oder bei anderer Gelegenheit üblich ist (vgl. dazu BVerfG, Beschluß vom 20.12.1989, BVerfGE 81, 142). Die Foltermethoden der geschilderten Art sind vielmehr Extremformen staatlicher Verfolgungspraktiken, wie sie sich bei der Bekämpfung der LTTE aufgrund von Ausnahme - und Terrorismusvorschritten, etwa des PTA sowie der Emergency Regulations, entwichelt haben. Sie heben sich dabei in qualitativer Hinsicht grundlegend von den normalen Polizeimethoden ab, bei der zwar im Einzelfall auch Prügel und in wenigen Übergriffsfäll auch Folter angewendet wird, bei der jedoch grundsätzlich die aus der angelsächsischen Rechtstradition folgenden rechtsstaatliähen, Garantien Beachtung finden. Die srilankische Verfassung von 1978 gewährleistet nach rechtsstaatlichem Vorbild Grundrechte und insbesondere das Verbot der Folter und aller Formen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung (vgl. Stanek, Politische Chronologie der demokratischen sozialistischen Republik Sri Lanka, 2. Aufl., 1983, S. 21 und AA, 26.10.1981, S. 5). Die Abweichung von diesen rechtsstaatlichen Grundsätzen hat sich dagegen im Rahmen der Terrorismus - und Notstandsgesetze, in der en Vollzug sich die srilankischen Sicherheitskräfte immer mehr vom Boden des Rechts und der Menschlichkeit entfernen, entwickelt, wobei sich im Zuge einer immer repressiver werdenden Bekämpfung der LTTE eine Verfolgungspraxis herausgepildet hat, die eine neue qualitative Dimension erreichte und mit den bislang üblichen Formen menschenrechtswidrigen Verhaltens nicht vergleichbar ist. Dieser verschärften, über das normale Maß hinausgehenden Verfolgungspraxis entspricht es auch, daß aufgrund der PTA inhaftierte Verdächtige ohne Kontakt mit Verwandten und Rechtsanwälten, zum Teil über geraume Zeit, in sog. incommunicado-Haft gehalten werden, in deren Verlauf angewandte Folterpraktiken unkontrollierter und leichter möglich sind als in normalen Haftfällen (vgl. ai-Jahresbericht 1981, S. 342). Ferner ist auf Art. 15 der srilankischen Verfassung zu verweisen, wonach aus Gründen der nationalen Sicherheit von der Unschuldsvermutung mit der Folge abgesehen werden kann, daß mit Folter erpreßte Geständnisse solange berücksichtigt werden können, wie nicht der Betroffene nachweisen kann, die Aussagen unter Zwang abgegeben zu haben (vgl. ai-Jahresbericht 1987, 371). Alles in allem erleiden die nach der PTA festgenommenen Personen eine Behandlung, die erheblich härter ist als die sonst zur Verfolgung ähnlicher - nicht politischer - Straftaten von gleicher Gefährlichkeit im Verfolgerstaat übliche (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315). Dem entspricht es, daß in den - die allgemeine Menschenrechtslage in Sri Lanka wiedergebenden-Jahresberichten von amnesty international seit dem Jahr 1979 nicht dieselbe-Folterpraxis auch für allgemeine Kriminalverfahren behauptet wird, wie sie für die statlichen Verfolgungsmaßnahmeh gegen LTTE- und JVP-Angehörige kennzeichnen ist. Vielmehr wird nur für den letzten Bereich von Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der Notstands- und Antiterrorismusgesetze berichtet.

Mit der dargelegten Zweck- und Zielrichtung stellt die den Kläger treffende Gefahr einer Inhaftierung und Mißhandlung eine an asylrelevante Kriterien anknüpfende politische Verfolgung dar, durch die der Kläger aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates Sri Lanka ausgegrenzt wird. Dies gilt auch für die Verfolgungssituation im Osten der Insel. Der Annahme einer politischen Verfolgung in diesem Bereich steht nicht etwa das Fehlen einer effektiven Gebietsgewalt und damit einer Verfolgungsmächtigkeit des srilankischen Staates entgegen (vgl. BVerfG, Beschluß, vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315/340). Zwar findet im Osten von Sri Lanka derzeit ein Guerilla-Krieg statt. Der srilankische Staat übt jedoch überwiegend im Osten durch seine Verwaltungsbeamte (Government Agents), z.B. in Trincomalee, Ampara und Batticaloa, sowie durch Assistant Government Agents in den kleineren Städten und durch die Polizei Verwaltungsfunktionen aus. Deren Vollzug wird allerdings stellenweise und vorübergehend durch Guerilla-Überfälle der LTTE gehemmt (AA, 30.8.1991, S. 3), Die LTTE nimmt jedoch im Osten nur punktuell-ordnungsmachtähn liche Funktionen wahr (AA, a.a.O.). In dünn besiedelten Gebieten und in Dschungelbereichen ist die staatliche Gewalt allerdings wegen der relativen Übermacht der LTTE nur unter Einsatz der Streitkräfte- und dann auch nur für die Zeit des Einsatzes durchsetzbar (AA, a.a.O.). Nach alledem liegt jedenfalls für den größten Teil des Ostens von Sri Lanka eine prinzipielle Aufhebung der übergreifenden staatlichen Friedensordnung ungeachtet terroristischer Aktionen der LTTE und der sich daran anschließenden Vergeltungsmaßnahmen der srilankischen Armee nicht vor. Aber auch soweit die staatliche Gebietsgewalt für bestimmte Bereiche des Ostens nicht mehr besteht, handelt es sich jedpngallg insoweit um politische Verfolgungsmaßnahmen des Staates Sri Lanka, als die Armee und die Sicherheitsorgane den Kampf gegen die LTTE in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht mehr beteiligt sind (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 341 i.V.m. S. 340). Dies gilt auch und gerade für diejenigen blindwütigen Vergeltungsaktionen der Armee, die kein typisch militärisches Gepräge aufweisen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 340), sondern sich willkürlich gegen unbeteiligte Zivilisten richten, wie dies in den verschiedenen Massakern-etwa in dem von Kokkadichcholai-geschehen ist. Dabei handelt es sich nicht um asylrechtlich unerhebliche Exzesse einzelner Kommandeure und Einheiten, sondern um eine über Jahre systematisch betriebene Strategie zur Bekämpfung tatsächlicher und vermeintlicher LTTE-Anhänger. Schließlich sind die in Grauzonen stattfindenden Verfolgungsmaßnahmen etwa der Todesschwadrone, der Vigilance-Gruppen sowie gewisser Bürgerwehren zu berücksichtigen, deren Aktivitäten dem Staat Sri Lanka zuzurechnen sind, da sie auf einer Linie mit den dargelegten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen stehen und nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert werden (AA, 29.11.1990, S. 4 und 14.12.1990, S. 4; ai-Jahresbericht 1990, S. 367 f.; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 43 f., 17.9.1991, S. 4/5, Wingler, 21.10.1991, S. 1).

4.         Der Kläger hat die dargelegte politische Verfolgung auch mit der für die Anerkennung als Asylberechtigter erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten (vgl. BVerwG, Urteile vom 29.11.1977, BVerwGE 55, 82/83 und vom 25.9.1984, BVer wGE 70, 169/171).

Maßgeblich ist, ob dem Asylsuchenden bei verständiger, nämlich objektiver, Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so daß ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbeträcht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden Furcht Vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer "quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden "zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts" die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.2.1988, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 80, vom 15.3.1988, BVerwGE 79, 143/150 f. = Buchholz, a.a.0. Nr. 83 und vom 5.11.1991-9 C 118.90-). Maßgeblich ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, DVB1. 1991, 1089/1092 und vom 5.11.1991, a.a.O.). Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist; ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei reicht allerdings die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 134 und vom 5.11.1991-9 C 118.90-). Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besonaere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (vgl. BVerwG, Urteilvom 5.11.1991, a.a.O.). Ist unter Anlegung dieser Umstände der Eintritt einer Verfolgung gleichermaßen wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, so fehlt es jedoch an der erforderlichen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluß vom 5.3.1990, InfAus1R 1990, 165). Eine nach den obigen Kriterien dem Asylbewerber zuzumutende konkrete Möglichkeit einer politischen Verfolgung reicht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Asylanerkennung nicht aus, denn diese Fallkonstellation ist für die unterhalb der Schwelle einer erlittenen oder drohenden politischen Verfolgung anzunehmenden sog. latenten Gefährdungslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.5.1989, DÖV 1989, 995) begriffstypisch.

In diesem sinne droht dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, denn ihm ist eine Rückkehr nach Sri Lanka wegen der Schwere der ihn u.U. treffenden Verfolgungsmaßnahmen des srilankischen Staates und wegen der Häufigkeit bereits stattgefundener und in Zukunft zu erwartender Referenzfälle nicht zuzumuten.

Die Unzumutbarkeit der Rückkehr ergibt sich zum einen daraus, daß dem Kläger politische Verfolgungsmaßnahmen von äußerster Schwere, nämlich die Tötung und grausamste Foltermaßnahmen, drohen können. Damit ist die Zumutbarkeitsschwelle niedriger anzunehmen als in Fällen weniger schwerer politischer Verfolgungsmaßnahmen. Darüber hinaus folgt aber die Unzumutbarkeit einer Rückkehr nach Sri Lanka vor allem aus der Häufigkeit bereits eingetretener und in Zukunft zu erwartender Verfolgungsfälle, aus denen sich für den Kläger eine unzumutbare, "reale" und nicht nur eine theoretische Verfolgungsmöglichkeit ergibt.

Bei Ermittlung der im vorliegenden Fall einschlägigen Referenzfälle bereits stattgefundener politischer Verfolgung sind zunächst die in den vorliegenden Erkenntnismitteln belegten Verfolgungsfälle von nach Sri Lahka zurückkehrenden Tamilen zu bewerten. Im einzelnen handelt es sich um die Folterung dreier aus England abgeschobener Tamilen (vgl. Hellmann-Rajanayagam, 5.9.1979), die im Jahre 1989 erfolgte Festnahme und Ermordung des abgeschobenen Srilankaners Wenceslaos Edmond Rex und dessen Rechtsanwalts (Wingler, Juli 1991, S. 9), die Verhaftung und das "Verschwinden" eines am 5.3.1991 aus Deutschland eingereisten jungen Tamilen (Wingler, 30. 7.1991, S. 2) sowie die Inhaftierung von sechs aus Saudi Arabien ausgewiesenen Tamilen. Soweit bezüglich des Schicksals der zuletzt genannten Tamilen verläßliche Erkenntnisse nicht vorliegen, ändert dies nichts an der Vermutung, daß wegen eines LTTE-Verdachts insoweit eine menschenrechtswidrige Behandlung der Inhaftierten erfolgt sein kann. Für das Jahr 1986 hat darüber hinaus die Gesellschaft füt bedrohte Völker in ihrem Bericht vom 5.4.1986 allein die Festnahme von 26 aus Italien abgesahobenen Tamilen mitgeteilt. All diese Festnahmen sind im Zusammenhang mit der begrenzten Anzahl von Abschiebungen und Rückführungen von Tamilen aus der Bundesrepublik und dem westlichen Ausland nach Sri Lanka zu sehen, wobei von diesen Zahlen nur die Fälle abgeschobener Asylbewerber mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar sind. So haben von Juli bis November 1991 lediglich 30 Abschiebungen aus Frankreich bzw. der Schweiz stattgefunden (AA, 15.11.1991). Für die Zeit von Januar bis Juni 1991 sind zwölf Straftäter ausgewiesen worden; ferner sind sechs. Rückführungen und 17 Abschiebungen erfolgt (AA, 6.5. und 31.7.1991). Im Lagebericht vom 16.1.1991 wurden 24 Abschiebungsfälle erwähnt, die die Zurückweisung von Tamilen wegen illegaler Einreise betrafen, und ferner drei Abschiebungsfälle von Straftätern. Nach den Lageberichten vom 28.5. und 29.8.1990 erfolgten insgesamt 18 Abschiebungen, nach dem Lagebericht vom 19.2.1990 64 Abschiebungen von Tamilen nach dem Versuch, mit gefälschten Sichtvermerken einzureisen. Im Lagebericht vom 11.8.1989 ist die Rede von 18 Abschiebungen und 13 Rückführungen.

Neben den nachgewiesenen Fällen der Inhaftierung tamilischer Rückkehrer sind jedoch die wesentlich größeren Dunkelziffern. (vgl. dazu Wingler, Juli 1991, S. 27) zu werten, die aus dem westlichen Ausland zurückkehrende junge Tamilen im Alter von 11 bis 36 Jahren betreffen, deren Festnahme und menschenrechtswidrige Behandlung unbekannt geblieben sind. Angesichts der in weiten Teilen außerhalb rechtsstaatlicher Normen oprierenden Verfolgungspraxis srilankischer Sicherheitsbehörden und Armeeseinheiten liegt es in der Natur der Sache, daß Fälle von Folterungen etwa von zurückkehrenden jungen Tamilen nach außen hin nicht vollständig und zuverlässig dokumentiert werden können, sondern sich weitgehend unbemerkt in einer Art Grauzone abspielen (AA, 29.11.1990, S. 3 und 14.12.1990, S. 3). Bereits für das Jahr 1986 hat das Auswärtige Amt die Festnahme tamilischer Rückkehrer auf der Grundlage des PTA als "keine Seltenheit" bezeichnet, ohne allerdings konkrete Fälle benennen zu können (vgl. AA, 11.7.1986, S. 3). Unter diesen Umständen kommen den in den einzelnen Erkenntnisquellen dargelegten Berichten zur allgemeinen Menschenrechts- und Verfolgungssituation von Sri Lanka besondere Bedeutung zu, aus denen Schlußfolgerungen auch auf die den Einzelnen treffende Verfolgungswahrscheinlichkeit zu ziehen sind. Demgemäß können auch allgemeine Erkenntnisse zur verfolgungssituation eines Landes in Verbindung mit einer nur begrenzten Anzahl dokumentierter Verfolgungsfälle im Einzelfall die Schlußfolgerung rechtfertigen, daß in Wahrheit die Zahl der tatsächlichen Verfolgungsfälle erheblich über der der dokumentierten Sachverhalte liegt bzw. für die Zeit nach der Rückkehr des Ausländers in sein Heimatland liegen wird. Nicht dagegen kann eine Asylanerkennung ausschließlich von einer nach Namen und Schicksal der Opfer genau spezifizierten Auflistung von konkreten Verfolgungsfällen abhängen. Denn dies würde bedeuten, daß eine Verfolgungswahrscheinlichkeit für solche Länder zu verneinen wäre, deren Repressionspraxis zwar allgemein bekannt ist, deren konkrete Opfer nach Namen und Zahl jedoch deshalb weitgehend unbekannt bleiben müssen, weil sich die betreffenden Unterdrückungsstaaten nach außen hin so gut wie vollständig abschirmen. Daß eine solche Konsequenz mit der humanen Intention des Asylrechts unvereinbar ist, liegt auf der Hand. Entsprechendes gilt für eine Auffassung, nach der erst in Form einer Art "Lebendversuch" aufgrund von Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber und der sich daran anschließenden Fälle politischer Verfolgung das "statistische Material" zur Feststellung einer Verfolgungswahrscheinlichkeit gewonnen werden muß. Vielmehr ist es gerade vornehmste Pflicht der Gerichte, aufgrund einer verläßlichen, mit Überzeugungsgewißheit gewonnenen Verfolgungsprognose unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation im Lande zu verhindern, daß infolge der Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern neue Verfolgungsfälle auftreten.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Kläger als Angehöriger der Altersgruppe von 11 bis 36 Jahren und zudem nach langjährigem Auslandsaufenthalt aus der Bundesrepublik Deutschland zurückkehrender und damit potentiell verdächtiger Tamile, der für einen Aufenthalt in singhalesischen Gebieten über kein valid reason in Gestalt einer dauernden Arbeits- und Wohnstelle verfügtund sich zudem bei den Polizeibehörden registrieren lassen muß, zur Überzeugungsgewißheit des Senats mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu erwarten. Maßgeblich ist die vor allem zufolge der letzten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15.11.1991 dramatisch verschlechterte Menschenrechtssituation in Sri Lanka zu sehen. Diese Situation ist geprägt durch ein brutales und willkürliches Vorgehen srilankischer Sicherheitskräfte und Armeeangehöriger gegen tatsächliche und vermeintliche LTTE-Anhänger, bei der mehr oder weniger vage und zum Teilwillkürliche Indizien ausreichen, verhaftet und mißhandelt zu werden. Diese Aussagen sind dahin zu werten, daß in Wahrheit völlige Willkür herrscht, bei der aus dem Ausland nach mehrjährigem Aufenthalt zurückkehrende junge Tamilen jederzeit der Gefahr ausgesetzt sind, willkürlich verhaftet und ggf. als vermeintlich LTTE-Verdächtige bzw. in Betracht kommende Träger von Informationen mißhandelt zu werden. Dabei stehen die Sicherheitskräftä teilweise auch unter dem Druck, Erfolge, und seien sie auch aufgrund erpreßter Falschaussagen, zu melden: (Wingler, Juli 1991, S. 13). Bei alledem ist offensichtlich, daß bei zukünftigen Attentaten der LTTE, mit denen in der vorliegenden verschärften Bürgerkriegsphase jederzeit zu rechnen ist, ganz besonders gerade auf diejenige Personengruppe, der der Kläger angehört (junger, männlicher Tamile, fehlender valid reason, polizeiliche Registrierung), im Zuge menschehrechtswidriger Gegenaktionen der Sicherheitskräfte zurückgägegriffen wird. Dabei spricht vieles dafür, daß die srilankischen Sicherheitskräfte bei ihren Verhüren ähnlich dem Muster verfahren, die die LTTE-Organe bei Verhören prktizieren und bei dem sie detaillierte Angaben zum Aufenthalt der betreffenden Personen in den Jahren 1983 bis 1990 erfragen (vgl. Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 24).

Bei der quantitativen Wahrscheinlichkeit einer den Kläger treffenden Verfolgung muß aber über das Gesagte hinaus auch auf die Zahlen zurückgegriffen werden, die die Inhaftierung, Folterung und Ermordung bzw. das "Verschwindenlassen" junger Tamilen allgemein betreffen, denn der Kläger gehört gerade zu dieser Gruppe. Zunächst ist auf die Aussage des Auswärtigen Amtes abzustellen, wonach das höchste Risiko gerade für junge Tamilen im Alter von 11 bis 36 Jahren gilt, die potentiell verdächtig und damit gefährdet sind. Bei den fortdauernden screening actions wird vorwiegend auf junge Tamilen der genannten Altersgruppe ohne valid reason zurückgegriffen (Lagebericht vom 15.11.1991, II 2). Bezüglich der Verfolgungshäufigkeit, die junge Tamilen betrifft, ist zunächst auf die diese Bevölkerungsgruppe betreffende Anzahl getöteter, hingerichteter oder verschwundener Personen zu verweisen. Im Osten von Sri Lanka standen nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31.7.1991 (S. 3/4) 1.368.Vermißten lediglich 675 Inhaftierte oder Freigelassene gegenüber, so daß der Restteil der Personen zu den sog. Verschwundenen zu zählen ist. Von Mitte Juli bis September 1991 verschwanden mindestens 124 Personen (vgl. AA, 15.11.1991, II 1 b). Seit Juni 1990 sind allein im Batticaloa-Distrikt annähernd 3.000 Personen verschwunden (Keller-Ki rchhoff, 17.9.1991, S. 1 an VG Gelsenkirchen; ai-Jahresbericht 1991, S. 407). Die verschwundenen Personen dürften überwiegend jüngere Tamilen sein, die besonders verdächtig sind (vgl. Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Das Schicksal von 156 im Jahre 1990 wegen LTTE-Zugehörigkeit verhafteter tamilischer Jugendlicher ist weiterhin unbekannt (Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 8). Nach einem Zeitungsbericht wurden im Osten in einem Zeitraum von neun Monaten über 1.000 Jugendliche inhaftiert und waren seither nicht gesehen (ai-Rundbrief Nr. 32, September 1991, S. 9). In den singhalesischen Gebieten verschwanden etwa 80, von Sicherheitskräften festgenommene Personen (ai-Rundbrief, a.a.O., S. 23). Im Osten sind seit 1990 5.500 Personen verschwunden (ai-Bericht vom 23.9.1991). Auch aus den Unterkünften in Colombo sollen in großem AusAgß jugendliche Tamilen verschwunden sein, um gegen ihre Landsleute im Osten eigesetzt zu werden (Wingler, 30.7.1991, S. 9 a).

Insgesamt wird die Zahl der durch Sicherheitskräfte, Homeguards und Hitsquads ums Leben gekommene Tamilen auf etwa 12.000 geschätzt (Wingler, 2.8.1991, S. 3; Lagebericht vom 30.7.1991, S. 9),. Amnesty, internaticnal hat über 1.000 in der Haft erlittene Todesfälle untersucht (Bericht ai, September 1991, Der Nordosten, S. 35). Nach der Zeitschrift Südasien, Januar 1991, S. 6 sollen seit 1987 60.000 Perscnen "verschwunden" sein, wozu allerdings in erheblichem Teil aucn die nichttamilischen JVP-Opfer gehören (so auch Wingler, September 1991, S. 1). Dabei ist auch der auf JVP-Mitglieder entfallende Anteil an Verfolgungsopfern für dag vorliegende Verfahren nicht bedeutungslos, nachdem die srilankischen Sicherheitskräfte eine Verbindung zwischen JVP und LTTE befürchten und ihre Maßnahmen danach ausrichten.

Neben diesen Fällen menschenrechtswidriger und die Merkmale der politischen Verfolgung aufweisender Verfc1gung vermeintlicher LTTE-Verdächtiger sind vor allem auch die Opfer bei den im Osten stattfindenden und als asylrechtlich beachtliche Gegenterrormaßahmen einzustufenden Vergeltungsaktionen der Militärs einschließlich der Massaker unschuldiger Zivilisteh zu berücksichtigen.

Außer den dargelegten Fällen von Tötungen tamilischer Bürger in Sri Lanka ist aber auch der Anteil der aus politischen Gründen-etwa nach dem PTA-inhaftierten und in ihrem Gewahrsam mißhandelten Personen bei der Ermittlung der beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit angemessen zu bewerten. Auch insoweit ist eine statistische Auflistung der aus legitimen zimen Gründen inhaf-tierten Personengruppen einerseits und derjenigen Tamilen, deren Verhaftung eine politische Verfolgung darstellt, mit letzter Sicherheit nicht möglich. Nach Überzeugung des Senats besteht jedoch die Vermütung, daß die nach dem PTA inhaftierten Tamilen in einer Weise mißhandelt bzw. gefolterz werden, die über das normale Niveau staatlicher Übärgriffe grundlegend hinausgeht und daher als politische Verfolgung eingestuft werden muß. Im einzelnen waren nach den ai-Jahresberichten von 1986 (S. 332) und 1987 (S. 365/370) in den Jahren 1985 und 1986 jeweils mehrere tausend Personen aufgrund des PTA verhaftet worden, davon allein 2.000 Personen in dem wegen seiner Folterpraktiken berüchtigten Boosa-Lager der srilankischen Armee. Im Jahresbericht 1988, S. 369 ist trotz der Freilassung von 3.750 inhaftierten Tamilen noch von etwa 1.700 festgenommenen Tamilen die Rede. Ferner waren Ende des Jahres wiederum mehrere hundert Tamilen neu festgenommen worden. Für das Jahr 1989 hat das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 11.8.1989, S. 3) von der Festnahme von ca. 2.100 Verdächtigen allein für die Zeit vom 18. Juni bis August 1989 berichtet. Im Bericht des Auswärtigen Amtes vom 28.5.1990 ist von der Inhaftierung von ca. 14.000 Verdächtigen die Rede, worin allerdings ein (im vorliegenden Verfahren mit zu berücksichtigender) Anteil auf JVP-Mitglieder entfällt. Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 13.7.1990 waren im Jahre 1990 7.000 Tamilen in Schutzhaft genommen worden. Bei Ermittlung der Gesamtzahl der Folteropfer in Sri Lanka sind die erheblichen Dunkelziffern zu berücksichtigen, so daß die Zahl der Opfer erheblich über die berichteten Zahlen hinausgehen. Auch fällt ins Gewicht, daß im Laufe der Jahre eine Summierung der Zahl der Betroffenen insofern eingetreten ist, als im Zuge von Amnestien, Vereinbarungen oder anderer politischer Entscheidungen mehrfach in die Tausende gehende Entlassungen von aufgrund des PTA inhaftierten Personen stattgefunden hatten, an die sich jeweils wieder neue Verhaftungsaktionen angeschlossen haben. So waren nach dem ai-Bericht vom Dezember 1989 und dem Jahresbericht 1990, S. 428 1.519 nach den Notstandsgesetzen verhaftete Personen freigelassen worden. Im Rahmen indisch-srilankischer Vereinbarungen waren weitere 3.750 der 5.400 inhaftierten Tamilen entlassen worden (ai-Jahresbericht 1988, S. 369). Diesen entlassenen Häftlingen stehen die jeweils wieder neu vor allem im Jahre 1991 verhafteten Tamilen gegenüber. Allein bis Mitte Juli 1991 wurden in Colombo und Umgebung sowie im zentralen Hochland 1.177 Personen, vorwiegend jüngere männliche Tamilen im Alter zwischen 16 bis 36 Jahren, überprüft (AA, 30.8.1991, S. 11). Gegen 114 Verdächtige wurde Haftbefehl erlassen. Soweit nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 30.8.1991, S. 13 keine nach dem 21.6.1991 inhaftierten Personen gefoltert worden sein sollen, steht dem die Aussage im Bericht Dr. Wingler, Juli 1991, S. 2, entgegen, wonach bis zum 5.7.1991 mehrere hundert Personen verschwunden waren. Am 24.6.1991 wurden 46, am 28.6.1991 mehr als 100 und nach dem Anschlag auf das Hauptquartier der srilankischen Armee zahlreiche Tamilen festgenommen. Am 4.7.1991 berichtete die Zeitung."Virakesari" von gefolterten tamilischen Jugendlichen. Im Juli wurden rund 41 tamilische Jugendliche in Puttalam und Badulla festgenommen (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 33 f.). In Colombo und Umgebung sowie im Hochland fanden nach dem Anschlag auf das Hauptquartier der Armee zahlreiche Festnahmen statt, in deren Zusammenhang es in vielen Fällen zu Folterverhören gekommen ist, bei denen auch das Nervensystem schädigende Injektionen angewandt worden sein sollen (Wingler, 30.7.1991, insbes. S. 3). Auch Flüchtlingslager werden nach jungen Tamilen durchkämmt, so daß sich in ihnen so gut wie keine jungen Tamilen mehr befinden (Wingler, a.a.O., S. 7). Aus alledem ergibt sich eine entsprechend größere Anzahl von Folteropfern, als sie der Zahl der jeweils in einer bestimmten Zeitperiode inhaftierten Personen entspricht. In Übereinstimmung damit ist nach einem Bericht der Zeitschrift pogrom Nr. 129, September 1987, S. 37, bereits im Jahre 1987 die Zahl der Tamilen, die aufgrund von Verhören und Folterungen einschlägige Erfahrungen gemacht hatten, mit etwa 20.000 angegeben worden. Rechnet man allein diese Zahl auf die gegenwärtigen Verhältnisse unter Berücksichtigung der immer repressiver werdenden Verfolgungspraktiken des srilankischen Staates hoch, so ergibt dies eine Gesamtzahl von tamilischen Folteropfern in Sri Lanka in einer Größenordnung von mehreren zehntausend Personen, wobei hierauf ein maßgeblicher Teil auf jugendliche, männliche Tamileh entfällt. Bezogen auf den Bevölkerungsanteil aller jugendlichen, männlichen Tamilen in Sri Lanka macht damit die Zahl der zu dieser Bevölkerungsgruppe gehörenden Folteropfer bereits jetzt einen Anteil von einigen Protent aus.

Außer den dargelegten Referenzfällen sind aber ganz besonders die in Zukunft aufgrund der dargestellten repressiveren Verfolgungspraxis srilankischer Sicherheitsorgane zu erwartenden Fälle politischer Verfolgung in Rechnung zu stellen. Dabei ist, wie nachstehend im einzelnen erläutert wird, zufetider neueren Erkenntnisquellen (z.B. Äußerungen des AA vom 30.8. und 15.11.1991) davon auszugehen, daß in Sri Lanka eine Verschärfung der Verfolgungssituation qualitativ in der Zeit etwa seit Juni 1990, vor allem aber seit dem Jahre 1991 eingetreten ist. Damit aber hat sich die verschärfte Verfolgungspraxis srilankischer Sicherheitsbehörden noch nicht über eine längere Zeit in einer entsprechend großen Anzahl von Verfolgungsfällen auswirken können. Dies aber bedeutet, daß über die bereits festgestellten Verfolgungsfälle hinaus eine erheblich größere Zahl politischer Verfolgungsfälle als Folge der dargelegten verschärften Sicherheitslage prognostiziert werden muß.

Nach alledem hat der Klager als junger, nach mehrjährigem Aufenthalt aus dem westlichen Ausland zurückkehrender Tamile ohne valid reason für einen Aufenthalt in den singhalesischen Gebieten und mit der Pflicht zur polizeilichen Registrierung sowie im Hinblick auf die sich aus seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt ergebenden Verdachtsmomente im Falle einer Wiedereinreise nach Sri Lanka mit der für die Asylanerkennung erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung sowohl in den singhalesischen Gebieten (Westen, Süden und im Hochland) und daneben besonders auch im Osten zu erwarten. Dem Kläger ist im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Rückkehr nach Sri Lanka nicht zuzumuten, da er im Hinblick auf die Schwere der drohenden Verfolgungsmaßnahmen und die stattgefundenen sowie in Zukunft noch zu befürchtenden Verfolgungsfälle nach dem Maßstab eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschendie wohlbegründete Furcht vor einer politischen Verfolgung haben kann, falls er nach Sri Lanka einreisen und sich in den singhalesIschen oder östlichen Gebieten aufhalten oder nach dem Norden oderOsten begeben wurde. Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände haben damit das größere Gewicht gegenüber den dagegen ins Feld zu führenden Gesichtspunkten. Dagegen ist aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse nicht davon auszugehen, daß für den Kläger bei einer Rückkehr nach Sri Lanka lediglich eine für ihn zumutbare konkrete Möglichkeit einer politischen Verfolgung im Sinne einer latenten Gefährdungslage oder gar eine bloße theoretische Verfolgungsmöglichkeit besteht. Dabei hat der Senat auch keine zusätzlichen Erkenntnismöglichkeiten, zu einer weiteren Ermittlung einer bestehenden Verfolgungswahrscheinlichkeit für die aus dem westlichen Ausland zurückkehrenden jungen Tamilen. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.11.19910 Ziff, II, 4, bestehen keine Erkenntnisse über die Behandlung von tamilischen Rückkehrern. Auch zahlreiche Gutachter sind zur Frage einer Verfolgungswahrscheinlichkeit für tamilische Rückkehrer bereits befragt worden.

Aufgrund der dargelelten Verfolgungssituation in Sri Lanka folgt der Senat daher der gutachtlichen Wertung, wonach jüngere, aus dem westlichen Ausland nach langjährigem Aufenthalt zurückkehrende Tamilen ganz besonders gefährdet sind (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 39; Wingler, 30.7.1991, S. 1 f. und 4 sowie Juli 1991, S. 12). Dementsprechend schließt sich der Senat auch der Wertung im Bericht von Dr. Wingler vom Deiember 1991, S. 23 an, wonach die statistische Wahrscheinlichkeit, daß der Kläger im Hinblick auf seine besonderen Gefährdungsmerkmale umgebracht, gefoltert oder beseitigt wird, besteht. Insoweit befindet sich der Senat auch im Einklang mit der Einschätzung von amnesty international im Rundbrief 32, September 1991, S. 38, wonach mit erheblicher Wahrscheinlichkeit bei einem tamilischen Rückkehrer mit Gefahren im Sinne des § 53 AuslG zu rechnen ist.

5.         Zu einer anderen Einschätzung besteht auch bei Einbeziehung der künftigen Entwicklung und dessen, was in absehbarer Zeit ernsthaft zu erwarten ist (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 31.3.1981, BuchholZ 402.24 § 28 AuslG Nr. 27 und vom 15.3.1988, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 83 = E 79, 143), keine Veranlassung. Ein Ende der Kämpfe zwischen der srilankischen Armee und der LTTE ist nicht abzusehen. Trotz ständiger Verstärkung der Armee und Teilsiegen, die sie in jüngster Zeit erringen konnte, ist die LTTE ungeachtet erlittener Verluste nach wie vor imstande, den Krieg im Norden fortzusetzen und im Osten mit ihrer Guerilla-Taktik weiter zu kämpfen. Auch wenn die LTTE zu geschwächt sein dürfte, um die Streitkräfte der Regierung zu besiegen, ist auch umgekehrt die Herstellung der völligen Gebietsgewalt des Staates nicht absehbar (AA, 29.11.1990, S. 3; 16.1.1991, S. 1; 30.8.1991. 3; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 20/22; ai, Rundbrief 31, Mai 1991, S. 2; Rundbrief 32, September 1991, S. 1). Die Regierung hat zwar schon mehrfach neue Offensiven mit dem Ziel der völligen Vernichtung der LTTE angekündigt und dafür auch einen Zeitpunkt angegeben, ohne diese Ankündigungen verwirklichen zu können. So hat sie zuletzt nach ihrem militärischen Erfolg am Elephant-Paß von einem nahen endgültigen Sieg gesprochen. Dies war, wie die derzeitige militärische Lage zeigt, aber offensichtlich verfrüht. Auch ist seither nicht mehr die Rede davon (ai, Rundbrief 32, September 1991, S. 1). Ebenso liegen für das Zustandekommen einer friedlichen Lösung keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Die Regierung hatte schon mehrfach erfolglos den Versuch unternommen, mit der LTTE Gespräche aufzunehmen (vgl. oben 1.a), zuletzt offenbar auch nach ihrem Erfolg am Elephant-Paß. Die LTTE war und ist dazu aber nicht bereit (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 21, der auf das Dilemma der LTTE hinweist und darauf, daß diese eine Lösung offenbar in der Rekrutierung neuer Kader sieht). Eine militärische oder friedliche Lösung ist zwar nicht auszuschließen, da die militärische wie die politische Situation von vielen Faktoren abhängt und sich rasch verändern kann, eine dahingehende Vorhersage bedürfte aber der Kunst der Weissagung und der Prophetie, über die der Senat nicht verfügt. Nach den tatsächlichen Gegebenheiten ist für eine derartige Veränderung in absehbarer Zeit aber nichts ersichtlich.

Auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß sich die Verfolgungssituation für den Kläger ohne eine Änderung der derzeitigen politischen und militärischen Lage verbessern könnte, liegen nicht vor. Vielmehr hat sich die Verfolgungssituation seit Juni 1990 zusehends verschlimmert und ist nunmehr durch einen mit immer brutaleren Mitteln geführten Kampf des srilankischen Staates gegen tatsächliche, aber eben auch gegen nur vermeintliche Terroristen sowie Maßnahmen bloßen Gegenterrors gekennzeichnet. Dem Kläger ist daher auch bei Einbeziehung der abzushenden Entwicklung eine Rückkehr nicht zumutbar.

6.         Dem Kläger steht auch keine inländische Fluchtalternative zu Gebote. Da die Verfolgungsgefahr für alle singhalesischen Gebiete und für den Osten von Sri Lanka mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit gegeben ist, käme nur der unter LTTEHerrschaft stehende Norden als inländische Fluchtalternative in Betracht. Dieses Gebiet scheidet jedoch als inländische Fluchtalternative bereits aus tatsächlichen Gründen deshalb aus, weil es faktisch nicht erreicht werden kann, aber auch deshalb, weil das Aufsuchen dieses Gebiets für den Kläger wegen der geschilderten Gefahr, auf dem Weg dorthin verhaftet und mißhandelt zu werden, als inländische Fluchtalternative nicht zugemutet werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.1. und 30.4.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nrn. 141 und 145 und vom 23.7.1991-9 C 154.90 - m.w.N.).

Wie bereits dargelegt (II, 2 c) läßt sich der Norden wegen der Kriegshandlungen am Elephant-Paß bzw. wegen der auf dem Weg dorthin zu passierenden Kontrollstellen nicht erreichen. Auch vom Osten aus besteht keine Möglichkeit, in den Norden zu gelangen, da die Armee zwischen den beiden Landesteilen einen Sperriegel errichtet hat (Gabriele Venzky in FR, 22.1.1992, S. 5). Schließlich könnte der Kläger nicht von Indien aus über den Seeweg in den Norden Sri Lankas kommen, da dieser Weg von der indischen und srilankischen Marine stark überwacht wird (vgl. AA, Lagebericht vom 15.11.1991, Ziff. II, 1).

Zumindest ist dem Kläger ein Aufsuchen des Nordens Sri Lankas wegen der Gefahr, auf dem Weg dorthin festgenommen und mißhandelt zu werden, nicht zuzumuten. Eine inländische Fluchtalternative setzt aber voraus, daß der Ausländer in dem betreffenden Landesteil vor politischer Verfolgung nach dem sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab sicher ist (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 344.f.; Rühmann, ZAR 1984, 30/32). Hieran aber fehlt es, wenn eine politische Verfolgungsgefahr, wie oben festgestellt, sogar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bereits auf dem Weg zu dem in Betracht kommenden Ort einer inländischen FluchtaIternative besteht. Ebenfalls nicht zumutbar ist dem Kläger ein Aufenthalt in der eigentlichen nördlichen Frontzone im Bereich des Elephant-Passes und entlang der von der LTTE kontrollierten Gebiete im Norden, denn insofern würden dem Kläger aufgrund der dortigen Bürgerkriegslage Nachteile und Gefahren treffen, die ihrer Intensität nach denen einer asylrechtlichen Rechtsgutbeeinträchtigung entsprechen, ohne daß sie so am Herkunftsort des Klägers bestünden (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315/344). Dabei gehört die Frontzone nicht zu dem bei Jaffna gelegenen Herkunftsort des Klägers, für den die dargelegten anderen Gefahren und Nachteile asylrechtlich unbeachtlich wären.

7.         Die nach alledem dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka drohende politische Verfolgung stellt einen asylrechtlich beachtlichen objektiven Nachfluchtgrund dar, denn er ist vom Kläger nicht nach dessen Ausreise aus Sri Lanka aus eigenem Willensentschluß geschaffen worden (vgl. BVerfG, Beschluß vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51/64 f. und BVerwG, Urteil vom 9.4.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 144), sondern infolge-vom Willensentschluß des Klägers unabhängiger-Umstände in Gestalt einer sich verschärfenden Sicherheits - und Verfolgungssituation in Sri Lanka eingetreten. Es liegt ein für einen objektiven Nachfluchtgrund begriffstypischer Fall einer nachträglichen Veränderung der politischen Verhältnisse im Herkunftsland vor (vgl. BverfG, Beschluß vom 26.11.1986, a.a.O.; GK-AsylVfG; II - § 1 a RdNr. 5). Denn seit seiner Ausreise hat eine qualitative und quantitative Verschärfung der Verfolgungssituation in Sri Lanka stattgefunden, die für den Kläger nicht vorhersehbar war. Damit liegt ein-für einen subjektiven Nachfluchtgrund charakteristischer-Fall einer Verfolgungsprovokation vom sicheren Ort der Bundesrepublik Deutschland aus (vgl. BVerfG, Beschluß vom 26.11.i986, a.a.O.) nicht vor.

Die dem Kläger nach dem oben Dargelegten drohende Gefahr einer politischen Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka im gegenwärtigen Zeitpunkt ist erst nach der Ausreise des Klägers entstanden und konnte mithin füir die genannte Ausreise nicht ursächlich sein (vgl. BVerfG, Beschluß vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51; BVerwG, Urteil vom 19.5.1987, BVerwGE 77, 258 ff. Und 260/261, vom 30.8.1988, BVerwGE 80, 131 ff. und vom 9.4.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 144). Denn im Vergleich zu den Verhältnissen im Jahre 1979 beinhaltet die gegenwärtige Verfolgungssituation in Sri Lanka eine grundlegend qualitative und quantitative Verschlechterung, aus der sich nunmehr eine politische Verfolgungsgefahr für den Kläger mit der dafür erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit ergibt. In diesem Sinne spricht das Auswärtige Amt in seinem letzten Lagebericht vom 15.11.1991, I, 3 erstmalig für die singhalesischen Gebiete von einer "qualitativen" Verschlechterung der Situation. Der Gutachter Dr. Wingler berichtet in seinem Gutachten vom Dezember 1991, S. 4 von einer "erheblichen Verschlechterung der Siclhgrheitslage", im Gutachten vom Juli 1991, S. 28 von der Tötung von Zivilisten im Norden und Osten in "monumentalen Ausmaßen" und im Gutachten vom 2.8.1991 "von einer drastischen Verschlechterung der Situation für zurückkehrende Tamilen" (S. 8). Die im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.11.1991 durch Unterstreichungen hervorgehobene Feststellung, daß die zu Festnahmen und Mißhandlungen von Tamilen führenden verdachtsbegründenden Indizien zunehmend vager und zum Teil willkürlich herangezogen werden, und die mehrfach geäußerte Warnung, keine Abschiebungen ohne Einzelauskünfte des Auswärtigen Amtes vorzunehmen, sind zur Überzeugung des Senats als Beleg für eine dramatische Verschlechterung der Verfolgunggsituation in Sri Lanka zu werten. Dem entsprechen auch die Feststellungen im ai-Jahresbericht 1990, in der von einer "neuen Entwicklung" bezüglich der Aktivitäten der Vigilante-und paramilitärischen Gruppen die Rede ist (S. 430 des Berichts). Ferner wird von einer "drastischen" Zunahme extralegaler Hinrichtungen berichtet (Bericht, a.a.O.).

Alles in allem hat sich das Verhalten der Sicherheitskräfte gegenüber: den Tamilen allgemein und gegenüber der Bedrohung durch die LTTZ nicht nur quantitativ, sondern qualitativ verändert. Ging es-wenn auch zum Teil mit menschenrechtswidrigen Methoden-inden Jahren bis zum Eingreifen der indischen Truppen im Juli 1987 um die Bekämpfung der wirklichen Terroristen, so ist nunmehr offenbar vorrangiges Ziel, das Tamilenproblem-koste es was es wolle-zu lösen und dabei in immer zunehmendem Maße keinerlei Rücksicht mehr auf Unschuldige zu nehmen. Der Kampf in den Gebieten des Nordens und des Ostens erreicht immer wieder die Qualität eines Gegenterrors und die Überwachung der überwiegend singhalesisch bewohnten Gebiete des zentralen Hochlands, des Südens und Westens hat ein bisher unbekanntes Ausmaß erreicht, nach dem praktisch kein aus dem Ausland einreisender Tamile unerkannt bleibt und schon geringste, willkürlich bestimmte Verdachtsmomente ausreichen, um dem Feind zugerechnet zu werden. Ganz offenbar geht es dabei nicht mehr nur um die Bekämpfung aktiver Terroristen und damit des militärischen Gegners, sondern um ein Vorgehen gegen jeden, der in abstraktem und weitestem Sinne dem Gegner zugerechnet oder als dessen Unterstützer angesehen werden kann. Damit wird gewissermaßen jeder Tamile, der keinen stichhaltigen Grund für seinen Aufenthalt in Singhalesen-Gebieten hat, aus der staatlichen Friedensordnung ausgegrenzt und zum Gegen stand polizeilicher Ermittlungen gemacht. Bei geringstem, auch willkürlich entstehenden Verdacht läuft er Gefahr, Schaden an Leib und Leben zu nehmen. Eine solche Zuspitzung der Verhältnisse hat es in den nunmehr über 10 Jahre andauernden Auseinandersetzungen nach Auffassung des Senates nicht gegeben. In der Folge der neuen Auseinandersetzungen ab Juli 1990 hat sich die Lage gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers ganz maßgeblich verändert.

Diese ohne Zutun des Klägers entstandene Veränderung ist bei der Beurteilung seines Asylbegehrens zu berücksichtigen, da ihm nicht zugemutet werden kann, in das Land zu gehen, in dem ihm eine solche Gefahr droht. Da sich der Kläger somit auf einen erst während seines Aufenthalts im Bundesgebiet entstandenen objektiven Nachfluchtgrund berufen kann, kommt eine Anwendung von § 2 Abs. 1 AsylVfG nicht in Betracht und den Umständen seines Aufenthalts im Irak somit keine Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.1991-9 C 131.90 -, InfAus1R 1991, 310 = NVwZ 1992, 274).

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nicht gegeben sind.

Rechtsmittelbelehrumg:

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, Postfach 10 32 64, 6800 Mannheim 1, schriftlich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen und beim Verwaltungsgerichtshof innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen.

Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen. In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen.

gez.: Dr. Bosch

Hertel

Schaber

Beschluß

vom 6. Deyember 1991

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000, -- DM festgesetzt (§ § 13 Abs. 1 Satz 2 und 25 Abs. 1 GKG).

gez.: Dr. Bosch

Hertel

Schaber

 

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