Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Januar 1995 - BVerwG 9 C 276.94

Leitsätze (nicht amtlich):

1.         Ansprüche auf Asyl und auf Abschiebungsschutz sind ausgeschlossen, wenn sich der Asylbewerber an der Beschaffung von Waffen für eine terroristische Organisation (hier: LTTE in Sri Lanka) beteiligt und damit deren terroristische Aktionen unmittelbar gefördert hat. Anders verhält es sich, wenn die Verfolgungsmaßnahmen in ihrer Intensität über die Bekämpfung des Terrors hinausgehen.

2.         Ein Attentat eines exifpolitischen Aktivisten auf Repräsentanten der Gegenseite hebt sich als konkretes, faßbares Einzelereignis auch in seiner sozialen Bedeutung von der exilpolitischen Betätigung ab und bildet auch dann einen eigenständigen Nachfluchtgrund, wenn der Asylbewerber davor und danach längere Zeit an herausgehobener Stellung an der politischen Auseinandersetzung beteiligt war.

3.         Ein bei dem Heimatstaat entstandener, Verfolgung auslösender Verdacht, der Ausländer habe vor seiner Ausreise eine Straftat begangen, stellt einen unbeachtlichen selbstgeschaffenen Nachfluchtgrund dar, wenn er diesem aufgrund eigenen Verhaltens über die bloße Ursächlichkeit hinaus zuzurechnen ist.

Aus den Gründen:

I.

Der im Jahre 1955 geborene Beigeladene ist srilankischer Staatsangehöriger und tamilischer Volkszugehöriger aus dem Bezirk Jaffna. Er reiste erstmals im Jahre 1980 in die BR Deutschland ein und bat unter Hinweis auf die gegen die Bildung eines eigenständigen Tamilenstaats und überhaupt gegen die Gleichberechtigung der Tamilen gerichtete Politik der srilankischen Regierung und wegen Verletzungen, die er 1977 bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit Singhalesen erlitten habe, um Asyl. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge machte er geltend, er sei von der Polizei gesucht und von Singhalesen verprügelt worden, weil er im Jahre 1980 als Mitglied der SLFP-Partei an einem Streik teilgenommen haben. Das Bundesamt hat diesen Antrag abgelehnt; eine daraufhin erhobene Klage hat der Beigeladene noch in der ersten Instanz zurückgenommen.

Im Jahre 1984 stellte der Beigeladene erneut einen Asylantrag. Er gab an, wegen mehrerer, im einzelnen geschilderter gewerkschaftlicher Aktivitäten habe die Regierung ihn aus dem Dienst als Postbeamter entlassen und schließlich von Armee und Polizei suchen lassen, um ihn festnehmen oder töten zu können.

Mit Bescheid vom 13.6.1985 erkannte das Bundesamt den Beigeladenen als asylberechtigt an; weil er als junger Tamile in Sri Lanka von vornherein verdächtigt werde, ein Terrorist zu sein, und aufgrund dieses Verdachts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe durch die Sicherheitskräfte zu befürchten habe. Gegen diesen Bescheid hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er na ausgeführt, einer Asylberechtigung des Beigeladenen stehe bereits entgegen, daß er sich von Deutschland aus an dem terroristischen Kampf der Organisation »Liberation Tigers of Tamil Eelam« - LTTE - gegen die srilankische Regierung beteiligt habe und auch künftig beteiligen wolle. Mit dieser Betätigung des Beigeladenen für die LTTE hat es folgendes auf sich: Durch rechtskräftiges Urteil des erstinstanzlich zuständigen OLG S. vom 6.3.1989 ist der Beigeladene wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung als Mitglied in Tateinheit mit Nötigung und versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Nach den Feststellungen des OLG hat der Beigeladene als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sektion der LTFE Gewaltakte gegen in Deutschland lebende Tamilen unternommen, diese insbesondere durch Schlägertrupps verprügeln oder auch sonstwie einschüchtern lassen, wenn sie sich dem Autoritäts- und Machtanspruch der LTTE widersetzten oder nicht die verlangten Geldbeträge zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes gegen den srilankischen Staat leisteten. Während seiner Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender wurden von der Deutschen Sektion der LTTE mehr als eine Million D-Mark gesammelt oder eingetrieben.

Mit Urteil vom 26.3.1993 hat das VG die Klage des Bundesbeauftragten abgewiesen. Das vom Bundesbeauftragten angerufene Berufungsgericht hat den Beigeladenen informatorisch gehört. Dieser hat dabei ua angegeben, »zuständige Person in Deutschland« sei er bei der Deutschen Sektion der LTTE von Mitte 1988 bis Mitte 1992 gewesen, dann habe er jeglichen Kontakt zu dieser Organisation und ihren Mitgliedern abgebrochen. Das OVG hat das erstinstanzliche Urteil geändert und den Anerkennungsbescheid des Bundesamts aufgehoben. Gegen dieses Urteil hat der Beigeladene die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, er macht geltend, das Berufungsgericht habe sowohl materielles als auch formelles Recht verletzt.

II.

Die Revision des Beigeladenen ist begründet. Das Berufungsurteil leidet zwar nicht an dem geltend gemachten Gehörsverstoß, es steht aber mit Art. 16a GG und § 51 Abs. 1 AusIG nicht in Einklang. Das OVG hätte einen Asyl- und einen Abschiebungsschutzanspruch des Beigeladenen wegen der Verfolgungsmaßnahmen, die diesem wegen Unterstützungen der LTFE in Deutschland und - seinen Behauptungen nach - zusätzlich wegen des Attentatsverdachts drohen, nicht mit der Erwägung verneinen dürfen, diese Übergriffe seien - im Fall des Attentatsverdachts besonders intensive - Sanktionen, mit denen der srilankische Staat auf die terroristische Betätigung des Beigeladenen reagiere, und deshalb nicht geeignet, einen Asyl- oder einen Abschiebungsschutzanspruch zu begründen. Vielmehr hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob zu erwarten ist, daß die dem Beigeladenen drohenden Maßnahmen wegen seines Einsatzes für einen unabhängigen tamilischen Staat und damit wegen seiner politischen Überzeugung in besonders intensiver Form angewandt werden. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings erkannt, daß dem Beigeladenen ein Asylanspruch nicht aufgrund einer vor der Ausreise aus Sri Lanka erlittenen Verfolgung zusteht. Das Bundesamt hatte dem Folgeantrag des Beigeladenen stattgegeben, ohne sich auf den im ersten Asylverfahren ergangenen bestandskräftigen Ablehnungsbescheid zu berufen. Deshalb waren auch VG und OVG nicht gehindert, einen in individuellen Vorfluchtgründen wurzelnden Asylanspruch sachlich zu prüfen (BVerwGE 78, 332 = EZAR 205 Nr. 6). Die tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts, das Vorbringen des Beigeladenen zu seinem Vorfluchtschicksal sei unglaubhaft, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Frei von Rechtsfehlem sind auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Gruppenverfolgung aller Tamilen verneint hat. Nach seinen Feststellungen zur Art der Auseinandersetzung des srilankischen Staats mit den tamilischen Separatisten im Norden Sri Lankas hat der srilankische Staat in diesem Teil seines Staatsgebiets die Gebietshoheit weitgehend verloren, ist dort nur noch mit seiner Armee militärisch präsent und bemüht sich, an die LTTE verlorene Gebiete im militärischen Kampf zurückzuerobern. In einer derartigen Lage erscheint die Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners durch staatliche Kräfte im allgemeinen nicht als politische Verfolgung. Anderes gilt dann, wenn die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, wenn die Kriegführung in die gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten aufständischen Bevölkerungsteils umschlagen (BVerfGE 80, 315, 340 = EZAR 201 Nr. 20). Die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben eine solche Art der Kriegsführung nicht. Zwar verfolgt die srilankische Armee ihre militärischen Ziele weitgehend ohne Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung, doch sind ihre Operationen nicht auf Tötung am Krieg unbeteiligter tamilischer Zivilisten oder gar auf die Vernichtung jeglicher Lebensgrundlage des tamilischen Bevölkerungsteils im Norden Sri Lankas gerichtet.

Rechtsfehlerfrei ist ferner auch die Konkretisierung der vom Berufungsgericht für seine Gefahrenprognose als entscheidend angesehene Aussage in einigen Sachverständigengutachten, daß »jüngere« Tamilen, die nach Ansicht der srilankischen Sicherheitskräfte ihrem Alter nach für eine Rekrutierung durch die LTTE in Betracht kommen, pauschal als LTTE-Kämpfer verdächtigt werden und deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu erwarten haben. Unter Berücksichtigung dessen, daß es insbesondere in dem Gutachten des Auswärtigen Amts vom 7.7.1993, auf das sich das Berufungsgericht maßgebend gestützt hat, heißt, bei Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren nehme die Gefährdung deutlich ab, Personen über 40 Jahre würden kaum noch inhaftiert, ist die Bestimmung der Altersgrenze, jenseits derer eine beachtliche Wahrscheinlichkeit pauschaler Verdächtigungen nicht mehr besteht, mit 35 Lebensjahren grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Rechtsfehlerhaft sind indessen die Erwägungen, mit denen das OVG einen Asyl- und einen Abschichungssehutzanspruch des Beigeladenen wegen Unterstützung der LTFE und wegen des Attentatsverdachts abgelehnt hat.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Beigeladene angesichts »seiner im Bundesgebiet entfalteten Unterstützertätigkeit für die LTTE... mit Verhaftungen und körperlichen Übergriffen« rechnen muß. Eine »Intensivierung def Folgen« seines Einsatzes für die LTTE droht ihm nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts wegen der von den srilankischen Behörden ihm zugeschriebenen Attentate, sofern sich der Verdacht seiner Beteiligung daran nicht wird ausräumen lassen. Soweit das Berufungsgericht eine »Steigerung« der zu erwartenden staatlichen Maßnahmen im Vergleich zur Behandlung eines unpolitischen Gewalttäters für »nicht vorstellbar« hält, ist der Senat hieran nicht gebunden, da diese Feststellung, wie der Beigeladene zu Recht rügt, den allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit, Mißhandlungen und Folter in - noch - verschärfter Form anzuwenden, widerspricht. Auf der Basis der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts können die dem Beigeladenen drohenden Verhaftungen und körperlichen Übergriffen bei zutreffender rechtlicher Würdigung politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG und § 51 Abs. 1 AusIG sein.

Verhaftungen und körperliche Übergriffe sind bei entsprechender Schwere dieser Eingriffe Verfolgung im Sinne der genannten Bestimmungen. Politische Verfolgung sind sie, wenn sie an die politische Überzeugung anknüpfen. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn die politische Betätigung in der Begehung oder Unterstützung einer terroristischen Tat besteht (vgl. BVerfGE 80, 315 EZAR 201 Nr. 20; BVerfGE 81, 142 = EZAR 200 Nr. 26; BVerwGE 87, 141, 146 EZAR 200 Nr. 27). So verhält es sichmit der »Unterstützertätigkeit für die LTTE« durch den Beigeladenen während der Zeit von 1984 bis 1986; sie war Unterstützung terroristischer Taten.

Die LTTE war in der genannten Zeit, als der Beigeladene die Aufgabe des stellvertretenden Vorsitzenden ihrer Deutschen Sektion wahrnahm, eine terroristisch agierende Organisation; sie hat damals ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf Unbeteiligte zu erreichen versucht. So hat sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Sri Lanka Mordanschläge auf Zivilisten und Raubüberfälle auf Banken, Geschäfte und Wohnungen unternommen, sogenannte Verräter und Informanten der Polizei ermordet («liquidiert«) und im Zuge ihres Vemichtungskampfes gegen die mit ihr rivalisierende Organisation TELO deren Lager überfallen und 100 bis 150 TELO-Mitglieder umgebracht. Der Einstufung dieser Gewaltaktionen als »terroristisch« steht nicht entgegen, daß die LTTE sich, wie der Beigeladene geltend macht, als »Befreiungsorganisation« versteht. Das Merkmal »terroristisch« bezeichnet im System der asyl- und abschiebungsschutzrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen die Art der Mittel, auf die der seine politische Überzeugung Betätigende zur Durchsetzung dieser Überzeugung zurückgreift; über die Berechtigung der politischen Überzeugung und damit des angestrebten politischen Zieles besagt das Merkmal nichts. Indem der Beigeladene nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sich daran beteiligt hat, der LTTE Mittel ua zum Waffenkauf zu beschaffen, die sich allein in den Jahren 1985 und 1986 auf eine Million DM beliefen, hat er deren - mit diesen Waffen begangene - terroristische Aktionen unmittelbar gefördert und damit im Vorfeld unterstützt.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Verhaftungen und körperlichen Übergriffe drohten dem Beigeladenen wegen seiner »Unterstützertätigkeit für die LTTE«, läßt aber auch Raum für das Verständnis, daß die Verfolgungsmaßnahrnen - jedenfalls in ihrer Intensität - über die Bekämpfung des Terrorismus hinausgehen und insoweit an die politische Überzeugung des Beigeladenen anknüpfen. Dieses Verständnis liegt insbesondere in bezug auf die körperlichen Mißhandlungen nahe, die dem Beigeladenen nach den Feststellungen des OVG durch die Polizei drohen. Körperliche Mißhandlung im Polizeigewahrsam ist, anders als die ebenfalls drohende Verhaftung, von vornherein nur als eine außerhalb des Kanons staatlicher Kriminalstrafen und strafprozessualer Anordnungen stehende polizeiliche Repressionsmaßnahme vorstellbar. Hinzu kommt, daß es eine »Unterstützertätigkeit für die LTTE« durch den Beigeladenen, nämlich durch Wahrnehmung des Amtes des Vorsitzenden der Deutschen Sektion der LTTE, nach dessen Angaben auch in der Zeit von 1988 bis 1992 gegeben hat, während eines Zeitraums also, für den der terroristische Charakter der LTTE vom Berufungsgericht - jedenfalls bisher -nicht festgestellt worden ist. Die in diesem Zusammenhang stehende Feststellung des Berufungsgerichts, die srilankischen Sicherheitskräfte schreckten generell nicht davor zurück, Delinquenten oder Verdächtige, derer sie habhaft geworden seien, körperlich zu mißhandeln, schließt die Annahme, der Beigeladene als ein den Sicherheitsbehörden bekanntes früheres Mitglied der LTTE-Führung werde besonders übel behandelt werden («Politmalus«), nicht aus. Im Gegenteil, wenn die srilankische Polizei mehr oder weniger jede in ihre Gewalt geratene Person mißhandelt, liegt es nahe, daß sie dem Beigeladenen als einem »Staatsfeind«, so wie er es behauptet, besonders schlimme Mißhandlungen zufügt.

Eine an die politische Überzeugung des Beigeladenen anknüpfende besondere Intensität der ihn in Sri Lanka erwartenden polizeilichen Übergriffe wäre hiernach politische Verfolgung. Einen Asylanspruch nach Art. 16a GG vermag sie jedoch nicht zu begründen. Denn bei dieser Überzeugung und ihrer Manifestation durch eine Tätigkeit im Vorstand der Deutschen Sektion der LTTE handelt es sich um einen selbstgeschaffenen Nachfluchtgrund. Wer politische Verfolgung zu befürchten hat, weil er nach der Ausreise aus dem Heimatstaat eine mißliebige politische Überzeugung vertreten und ihr entsprechend gehandelt hat (exilpolitische Betätigung), ist asylberechtigt in aller Regel nur dann, wenn die im Ausland vertretene politische Überzeugung bereits im Heimatland persönlichkeitsprägend vorhanden war und betätigt worden ist (st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18; BVerwG, EZAR 206 Nr. 5). An einer solchen Kontiunität der politischen Überzeugung des Beigeladenen fehlt es hier. Diese ist erst nach der Ausreise des Beigeladenen aus Sri Lanka entstanden; in Sri Lanka war er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht ein überzeugter Anhänger einer auf die gewaltsame Schaffung eines selbständigen Tamilenstaats gerichteten Politik. Sein Vorbringen zu seiner Mitwirkung bei der Organisation des Streiks der Postbediensteten und zu seiner Unterstützung der Parteien SLEP und TULF, die im übrigen nicht einmal die Identität der dahinterstehenden politischen Überzeugung mit der in Deutschland betätigten als LTTE-Aktivist ergeben, ist nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts unglaubhaft.

Ein Asylanspruch nach Art. 16a GG kann allerdings bestehen, falls der Beigeladene aufgrund des Attentatsverdachts wegen seiner politischen Überzeugung mit einer besonders üblen Behandlung durch die Sicherheitsbehörden rechnen muß. Die Entstehung dieses Verdachts im Jahre 1991 ist ein gegenüber der Tätigkeit im Vorstand der Deutschen Sektion der LTTE eigenständiger verfolgungsauslösender Umstand und damit entgegen der Ansicht der Berufungsgerichts ein eigenständiger Nachfluchtgrund. Ein Attentat eines politischen Aktivisten auf Repräsentanten der Gegenseite ist, auch wenn der Täter davor und danach längere Zeit an herausgehobener Stellung an der politischen Auseinandersetzung beteiligt gewesen ist, ein konkretes, faßbares, auch seiner sozialen Bedeutung nach sich von der exilpolitischen Betätigung im übrigen deutlich abhebendes Einzelereignis (vgl. dazu auch BVerwG, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 162).

Asylbegründend kann eine in dem Attentatsverdacht wurzelnde Gefahr politischer Verfolgung indessen nur sein, wenn es sich bei diesem Attentatsverdacht um einen objektiven, nicht aber um einen asylrechtlich grundsätzlich unerheblichen selbstgeschaffenen Nachfluchttatbestand handelt. Maßgebend ist, ob der die Verfolgung auslösende Umstand von demjenigen Ausländer geschaffen worden ist, der unter Berufung auf ihn Asyl begehrt (vgl. BVerwGE 88, 92 = EZAR 200 Nr. 28). Bei einem »Verdacht« als Verfolgung auslösenden Umstand ist jedoch zu berücksichtigen, daß es auf die bloße Ursächlichkeit des Verhaltens des AsyIsuchenden für die Verdachtsentstehung nicht ankommen kann. Der Verfolgerstaat kann nämlich, etwa je nach dem Grad seines Mißtrauens und seiner Voreingenommenheit, völlig harmlose und unverfängliche Verhaltensweisen zum Anlaß für Sanktionen nehmen. Entscheidend ist deshalb, ob die Entstehung des Verdachts dem Asylsuchenden über die bloße Ursächlichkeit seines Verhaltens hinaus aufgrund einer wertenden Betrachtung zurechenbar ist. Welche Verhaltensweisen des Beigeladenen zur Folge haben müßten, daß die Entstehung des bei den srilankischen Behörden aufgekommenen Verdachts, er sei an den Attentaten beteiligt gewesen, ihm zugerechnet wird, kann hier mangels tatsächlicher Feststellungen zu den Attentaten und den näheren Lebensumständen des Beigeladenen zur Tatzeit nicht beurteilt werden. Jedenfalls reicht es für eine Zurechnung nicht aus, daß der Beigeladene nach seinen Angaben damals Vorsitzender der Deutschen Sektion der LTTE gewesen ist und im Frühjahr 1991 in Indien seine zuvor nach dort verzogenen Eltern besucht hat. Von Bedeutung für die Frage, ob dem Beigeladenen die Entstehung des gegen ihn gerichteten Verdachts zuzurechnen ist, kann aber sein, ob auch die deutschen Strafverfolgungsbehörden im Verhalten des Beigeladenen einen Anlaß gesehen haben, ihn der genannten Taten zu verdächtigen, und mit welchem Ergebnis ein etwaiges Errnittlungsverfahren geendet hat.

Ein Asylanspruch wäre jedoch auch bei Erfüllung der Voraussetzungen eines asylerheblieben Nachfluchttatbestandes ausgeschlossen, wenn der Beigeladene die Absicht hätte, das angestrebte Asyl dazu zu nutzen, von Deutschland aus mit terroristischen Mitteln gegen die srilankische Regierung zu kämpfen (BVerfGE 81, 142, 152 = EZAR 200 Nr. 26; ferner BVerfG-Kammer, EZAR 201 Nr. 23 = NVwZ 1992, 261; BVerfG-Kammei, EZAR 630 Nr. 33 = AuAS 1995, 7). Der Beigeladene hat nach dem, was er vor dem VG und dem OVG hierzu und insbesondere über seine seit 1992 bestehende Einstellung zur LTTE angegeben hat, diese Absicht nicht. Nach seiner Behauptung hat er Mitte des Jahres 1992 nicht nur das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Sektion der LTTE niedergelegt, sondern ist auch aus der Organisation ausgeschieden und hat seither nicht einmal mehr Kontakt zu LTTE-Mitgliedern. Trifft es zu, daß der Beigeladene sich jeder Möglichkeit, künftig auf die Aktionen der LTTE maßgeblichen Einfluß zu nehmen, begeben hat, dann befindet er sich nicht (mehr) außerhalb der in der Rechtsprechung des BVerfG (aaO) aufgezeigten Grenzen des Schutzbereichs des Asylgrundrechts. Unterstützt der Beigeladene jedoch entgegen seinen Angaben auch gegenwärtig noch als Angehöriger im Führungszirkel der Deutschen Sektion der LTFE den Kampf dieser Organisation gegen die srilankischen Regierung, kommt es darauf an, ob die LTTE diesen Kampf auch heute noch mit terroristischen Mitteln führt. Dies müßte das Berufungsgericht gegebenenfalls aufklären.

Sofern der Beigeladene im Falle seiner Rückkehr nach Sri Lanka von den dortigen Sicherheitskräften, die gegen ihn wegen Unterstützung der LTTE und Verdachts der Beteiligung an den Attentaten vorgehen, wegen seiner politischen Überzeugung eine besonders üble Behandlung zu befürchten hat, so ist er auch abschiebungsschutzberechtigt nach § 51 Abs. 1 AusIG, und zwar auch insoweit, als die Verfolgung ihm wegen seiner erst in Deutschland gewonnenen politischen Überzeugung droht. Denn ein Abschiebungsschutzanspruch nach § 51 Abs. 1 AusIG wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich die drohende politische Verfolgung aus einem selbstgeschaffenen Nachfluchtgrund herleitet (BVerwG, EZAR 221 Nr. 35 = Buchholz 402.25 § 28 AsylVfG Nr. 20).

§ 51 Abs. 3 AusIG würde einem Abschiebungsschutzanspruch nicht entgegenstehen. Die Vorschrift erlaubt die Abschiebung in den Verfolgerstaat nur bei schwerwiegender Gefahr für die innere oder äußere Sicherheit der BR Deutschland oder für die Allgemeinheit (BVerwGE 49,202,207 ff. = EZAR 134 Nr. 1; ebenso BVerwG, InfAusIR 1988,167). Die mehrere Jahre zurückliegende Tätigkeit des Beigeladenen als führendes Vorstandsmitglied einer Organisation, die im Heimatstaat mit terroristischen Mitteln kämpft, sowie die Begehung von Straftaten in dieser. Funktion vor nunmehr zehn Jahren erfüllen diese Voraussetzungen nicht, zumal dem Beigeladenen im Beschluß des OLG S. am 19.6.1990 über die Strafaussetzung eine günstige Sozialprognose gestellt und eine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

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