Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. September 1998-2 BvR 2470/96

Bundesverfassungsgericht, 24 Sept. 1998

Leitastz (nicht amtlich):

Mißhandlungen durch staatliche Sicherheitskräfte während Festnahmen und Verhören kann nicht allein deswegen der politische Charakter der Verfolgung abgesprochen werden, Weil es zu keinem Strafverfahren gegen den Betroffenen gekommen ist.

Aus den Gründen:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Feststellung und Beurteilung des Charakters einer staatlichen Maßnahme als »politische Verfolgung« und an die Würdigung des Vorbringens eines Asylbewerbers zu seinen individuellen Verfolgungsgründen.

I.

1.

a)         Der am 20.1.1967 geborene Bf. ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und alevitischen Glaubens. Er reiste angabegemäß am 10. 11. 1994 auf dem Luftweg über den Flughafen D. in das Bundesgebiet ein, wo er mit Anwaltsschriftsatz vom 7.12.1994 seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragte. In seinem Asylantrag und bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 22.12.1994 gab der Bf. an, sich bereits von 1979 bis 1983 in Deutschland aufgehalten zu haben und dann gemeinsam mit seinem Vater in die Türkei zurückgekehrt zu sein. Während seiner dortigen Gymnasialzeit habe er sich für die Ziele der TDKP engagiert und an Propagandaaktivitäten beteiligt. Deshalb sei er auch Verfolgungsmaßnahmen wie Festnahme und Mißhandlung beim Verhör ausgesetzt gewesen. Auch während seines Militärdienstes sei er wegen seines Eintretens für die Rechte der Kurden massiv unterdrückt. worden und habe wegen Mißhandlungen durch einen Offizier längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden müssen. Danach habe er sich in G. erneut politisch engagiert. Nach der Festnahme eines Freundes sei nach ihm gesucht worden, und er habe 1989 fliehen müssen. Bei der Einreise nach Deutschland sei er jedoch zurückgewiesen und von Österreich aus in die Türkei abgeschoben worden. Auf dem Flughafen Istanbul habe man ihn schließlich festgenommen und überprüft. Wegen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens sei er nach G. überstellt und dort - nach einer ihn entlastenden Gegenüberstellung mit dem verhafteten Freund - auf freien Fuß gesetzt worden. Später sei er nach A. gegangen und habe dort Kontakte mit nationalbewußten Kurden unterhalten. Die dabei geführten Diskussionen hätten ihn veranlaßt, Anhänger der PKK zu werden. Durch einen Verwandten aus seinem Heimatdorf sei er veranlaßt worden, einen ihm unbekannten Mann einige Zeit zu beherbergen. Dieser sei dann festgenommen worden und habe gegenüber der Polizei angegeben, in der Wohnung des Bf. versteckt worden zu sein. Deshalb sei er, der Bf., festgenommen und bei den Verhören mißhandelt worden, damit er ein Geständnis zu dieser Beschuldigung ablege. Des weiteren habe er sich an Propagandaaktivitäten (zB Verteilen von Flugblättern und Sammeln von Spenden) vor allem in seinem Stadtteil beteiligt. Nach einem Bombenattentat auf ein Touristenrestaurant sei er - wie viele andere Kurden, die auch bereits wegen des Verdachts der Unterstützung der PKK auffällig geworden waren - verhaftet und mißhandelt worden, um ihn zu einem Geständnis über die Beteiligung an dem Attentat zu bewegen. Bei der Newroz-Feier 1994 seien ERNK-Fahnen aufgetaucht, und er sei mit w eiteren Personen verhaftet worden. Anfang 1994 habe er in A. einen Laden mit dem kurdischen Namen »B.« eröffnet und dort unter anderem alle linken Zeitungen verkauft. Sein Laden sei deshalb von der Polizei nicht nur bei Beschlagnahmeaktionen aufgesucht worden; man habe ihn massiv bedroht, damit er den Vertrieb der Zeitungen aufgebe. Immer wieder sei er von der Polizei befragt worden, an wen er die linken Zeitungen verkaufe. Dabei sei er auch aus seinem Geschäft mitgenommen, verhört, geschlagen und mit dem Tode für den Fall bedroht worden, daß er den Vertrieb der Zeitungen fortsetze. Seinen Lebensmittelladen in A. habe er Anfang Oktober 1994 schließen müssen. Ebenfalls Anfang Oktober 1994 hätten er und andere Flugblätter gegen die Zerstörung kurdischer Dörfer in D. verteilt. Später habe er aus gleichem Anlaß Freunde mit seinem Wagen nachts zu einer Plakatierungsaktion gefahren. Es sei verabredet gewesen, daß er sie etwa eine dreiviertel Stunde später wieder abholen sollte. Kurz vor der verabredeten Zeit seien die Freunde auf seinen Wagen zugerannt gekommen, und er habe dann verstanden, daß etwa passiert sei. Die Freunde habe er an den verabredeten Ort gefahren und sein Fahrzeug dann bei einem Freund untergestellt und andere Freunde aufgesucht. Dort habe er von den Vorfällen berichtet und bei einem Freund übernachtet. Zwei seiner Freunde seien festgenommen worden. Da seine Frau nicht zu Hause, sondern bei ihren Eltern gewesen sei, habe er telefonisch Kontakt mit einem Nachbarn aufgenommen. Dieser habe ihm berichtet, daß die Polizei in seine Wohnung eingedrungen sei und nach ihm dort immer noch suche. Im Anschluß an dieses Gespräch habe er telefonisch auch noch seine Frau -über Nachbarn ihrer Eltern - kontaktiert. Diese habe ihm berichtet, daß die Polizei auch dort bereits nach ihm gefahndet habe und es dabei zu einer Auseinandersetzung mit seinem Schwager gekommen sei. Aufgrund dieser Informationen habe er angenommen, daß die festgenommenen Freunde seinen Namen genannt hätten. Mit anderen Freunden habe er sich über seine Situation beraten. Man sei dabei übereingekommen, daß er A. oder sogar das Land verlassen müsse. Am 19. oder 20.10.1994 sei er dann mit Hilfe eines in der Tourismusbranche tätigen Freundes über B. nach Istanbul gefahren, wo er zunächst versucht habe, sich bei Verwandten zu verstecken. Am 10.11.1994 sei er dann ausgereist, nachdem er zuvor telefonisch aus A. noch erfahren habe, daß die Freunde tatsächlich festgenommen worden seien. Er habe nunmehr gewußt, daß auch nach ihm gesucht werde, weshalb er das Land verlassen habe. In Istanbul habe er nicht bleiben können, weil nach ihm gesucht worden sei und er bei jeder Polizeikontrolle aufgefallen wäre. Ob es einen Haftbefehl gegen ihn gebe, wisse er nicht. Aber wenn Wachen in seiner Wohnung seien, so werde auch nach ihm gesucht, und dies könne schwere Folgen haben.

Seine nunmehrige Einreise nach Deutschland sei unter Mitführung eines - durch Auswechseln der Fotos - gefälschten Reisepasses erfolgt. Den Namen des Paßinhabers wolle er nicht nennen, weil er diesem sein Leben verdanke und ihn deshalb nicht in Schwierigkeiten bringen wolle.

b)         Mit Bescheid vom 13.2.1995 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Bf. als offensichtlich unbegründet ab und drohte die Abschiebung in die Tiirkei an. Die Angaben des Bf. seien unglaubhaft.

2.         Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am 24.2.1995 Klage beim VG und stellte zugleich Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Mit Beschluß vom 29.3.1995 ordnete das VG die aufschiebende Wirkung der Klage an. Der Bf. wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem VG persönlich angehört. Durch in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluß lehnte das VG Beweisanträge des Bf. zu den von ihm vorgetragenen Ereignissen in der Türkei mit der Begründung ab, die behaupteten Tatsachen könnte als wahr behandelt werden.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das VG die Klage abgewiesen. Der Bf. habe eine politische Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Zwar sei sein Vorbringen im wesentlichen schlüssig; die vom Bf. geschilderten Vorgänge erreichten aber, selbst wenn er dabei mißhandelt worden sein sollte, noch nicht die für die Zuerkennung von Asyl erforderliche Intensität. So hätten insbesondere die drei Verhaftungen im Zeitraum 1992 bis 1994, nach denen der Bf. jeweils nach einigen Tagen wieder freigelassen worden sei, keine strafrechtlichen Konsequenzen gezeitigt. Dem Vorbringen des Bf. seien auch keine konkreten Hinweise darauf zu entnehmen, daß die Strafverfolgungsbehörden ihn im Falle seiner Rückkehr in die Türkei wegen vermuteter Beteiligung an der Plakatierungsaktion im Oktober 1994 politisch motivierter Verfolgung aussetzen könnten. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus dem Vorbringen, daß die geschiedene Ehefrau des Bf. mit dem Vorwurf konfrontiert worden sei, ihr Mann sei Mitglied oder Anhänger der PKK. Derartige Pressionsversuche seien vielmehr üblich, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Wie das Beispiel des Bf. zeige, führe diese Praxis indes nur selten oder nie zu Strafverfahren mit asylrelevanten Folgen für den Betroffenen. Daß auch der Bf. die Verfolgungsgefahr nicht sonderlich hoch einstufe, werde durch den Umstand belegt, daß er ausgerechnet über den gut bewachten Flughafen in I. ausgereist sei. Sein Verhalten, nämlich nähere Angaben über die Paßbeschaffung und Paßbenutzung zu verweigern, veranlasse das VG zu dem Schluß, daß er mit eigenen Papieren die Ausreise bewerkstelligt habe.

Da auch die Gruppenverfolgung der kurdischen Volkszugehörigen in A., dem letzten Wohnort des Bf., nicht festgestellt werden könne, sei dieser unverfolgt und auch nicht aufgrund unmittelbar drohender Verfolgung ausgereist. Es könne dahingestellt bleiben, ob die in Deutschland entfalteten politischen Aktivitäten als Fortsetzung einer bereits in der Heimat gewonnenen und gelebten politischen Überzeugung zu werten seien. Denn ein beachtlicher subjektiver Nachfluchtgrund sei hierin nicht zu erblicken. Es sei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß bloße Teilnehmer an Demonstrationen oder ähnlichem im Falle der Rückkehr mit politischer Verfolgung zu rechnen hätten. Auch als zuffickkehrender abgelehnter Asylbewerber habe der Bf. nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politische motivierter Verfolgung zu rechnen. Ein Anspruch auf Abschiebeschutz aus § 51 Abs. 1 AusIG bestehe nicht. Abschiebungshindernisse iSd § 53 AusIG seien nicht ersichtlich.

3.         Den auf alle drei Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 AsylVfG gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hat das Niedersächsische OVG mit dem gleichfalls angegriffenen Beschluß vom 6.11.1996 abgelehnt.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Bf., die beiden Gerichtsentscheidungen verletzten ihn in seinem Grundrecht auf politisches Asyl aus Art. 16 a Abs. 1 GG und in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Nach dem vom VG zugrunde gelegten Sachverhalt sei der Bf. wegen des Verdachts der Unterstützung der PKK und Entfaltung von Aktivitäten für die PKK mehrfach festgenommen und im Polizeigewahrsam und bei Verhören mißhandelt worden. Wegen seiner Beteiligung an einer Plakatierungsaktion und Zugehörigkeit zur PKK sei er polizeilich gesucht worden; seine Ehefrau sei selbst nach der Scheidung noch von den Sicherheitskräften des Heimatstaats unter Druck gesetzt worden, damit sie ihn wieder herbeischaffe. der Bf. habe sonach bereits politische Verfolgung erlitten und sei im Zeitpunkt seiner Flucht unmittelbar von politischer Verfolgung bedroht gewesen. Die Auffassung des VG, daß die vom Bf. glaubhaft gemachten und vom Gericht als wahr unterstellten Mißhandlungen während der Festnahmen noch nicht die für die Zuerkennung von Asyl erforderliche Intensität erreichten, verletze seinen Asylapspruch. Denn jeder nicht ganz unerhebliche Eingriff in die körperliche Unversehrtheit habe generell das für die Annahme einer politischen Verfolgung erforderliche Gewicht. Mißhandlungen in der Polizeihaft und beim Verhör in Form von Schlägen und Fußtritten, die zudem zu körperlichen Beschwerden geführt hätten, könnten nicht als ganz unerhebliche Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit abgetan werden. Das VG habe den Begriff der »politischen Verfolgung« in unzulässiger Weise verengt, wenn es eine politisch motivierte Verfolgung nur in Verbindung mit der Durchführung eines Strafverfahrens für denkbar erachte. Politische Verfolgung finde in der Türkei zu einem wesentlichen Teil im Polizeigewahrsam statt, wo unter anderem zur Erlangung von Informationen über die Tätigkeit separatistischer Organisationen und zur Erzielung von Geständnissen über die Unterstützung der PKK psychischer und physischer Druck - auch in Form der Folter - eingesetzt werde. Jedenfalls aber hätten weder das Bundesamt noch das VG die erforderliche Sachaufklärung betrieben.

Das Urteil des VG verletze die Grundrechte des Bf. auch insoweit, als es auf wesentliche Teile des Vortrags nicht ernsthaft eingehe, in sich widersprüchlich sei und verfassungsrechtlich nicht tragfähige Erwägungen anstelle (Art. 16 a iVm Art. 103 Abs. 1 GG).

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei schließlich auch darin zu erblicken, daß das VG trotz Wahrunterstellung aufgrund eines entsprechenden Beweisantrags die in Polizeihaft erlittenen Mißhandlungen in den Urteilsgründen in Zweifel ziehe. Hätte das Gericht dies erkennen lassen, so wäre es dem Bf. möglich gewesen, sein Verfolgungsschicksal durch detaillierten Vortrag der erlittenen Mißhandlungen glaubhaft zu machen.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Bf. angezeigt ist (§ 93 b iVm § 93 a Abs. 2 Bst. b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer begründenden Weise offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das BVerfG bereits entschieden (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

1.         Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Verfolgung dann eine »politische«, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebfiche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (vgl. BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20). Das BVerfG hat in bezug auf den Tatbestand »politisch Verfolgter« sowohl hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts selbst als auch seiner rechtlichen Bewertung zu prüfen, ob die tatsächliche und rechtliche Wertung der Gerichte sowie Art und Umfang ihrer Ermittlungen der Asylgewährleistung gerecht werden (vgl. BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20). Den Fachgerichten ist ein gewisser Wertungsrahmen zu belassen, den das BVerfG lediglich auf Fehler hin zu überprüfen hat, die geeignet sind, die Geltung des Grundrechts in Frage zu stellen (vgl. BVerfG, aa0).

2.         Hieran gemessen halten die Erwägungen des VG zur Qualifizierung der dem Bf. widerfahrenen Behandlung durch staatliche Stellen der verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Mit seiner Beurteilung, der Bf. sei unverfolgt ausgereist, weil die von ihm erlittenen Maßnahmen nicht die für die Zuerkennung von Asyl erforderliche Intensität erreichten, zumal sie auch nicht zu einer strafrechtlichen Verfolgung geführt hätten, hat das VG den ihm eröffneten fachgerichtlichen Wertungsrahmen überschritten.

a)         Nach dem vom VG seiner Beurteilung zugrunde gelegten Sachverhalt ist der Bf. in den Jahren 1992, 1993 und 1994 anläßlich von Festnahmen und Verhören von Sicherheitskräften - wegen seiner betätigten oder jedenfalls vermuteten politischen Überzeugung - mißhandelt worden. Indem das VG die für die Zuerkennung von Asyl erforderliche Intensität dieser Maßnahmen ohne nähere Darlegung verneint und dazu maßgeblich darauf abstellt, daß es nicht zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Bf. gekommen sei, wird es dem verfassungsrechtlichen Begriff der politischen Verfolgung nicht gerecht und überschreitet den ihm eröffneten Wertungsrahmen. Es ist nicht ersichtlich, warum insbesondere den vom Bf. erlittenen Eingriffen in seine körperliche Integrität das für das Asylgrundrecht kennzeichnende Merkmal einer Ausgrenzung aus der innerstaatlichen Friedensordnung fehlen soll (vgl. BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20; BVerfG-Kammer, InfAusIR 1993, 142). Mit dem verfassungsrechtlichen Begriff der politischen Verfolgung läßt es sich jedenfalls nicht vereinbaren, den vom Bf. vorgebrachten Mißhandlungen die Asylerheblichkeit ohne weiteres deshalb abzusprechen, weil es zu keinem Strafverfahren gegen den Bf. gekommen sei.

b)         Das Urteil des VG beruht auf den dargelegten verfassungsrechtlichen Mängeln. Denn hatte der Bf. bei früheren Festnahmen und Verhören bereits Mißhandlungen erlitten, so bestand für ihn begründeter Anlaß, ähnliche Maßnahmen auch aufgrund der Vorfälle im Oktober 1994 zu befürchten. Er ist dann aus begründeter Furcht vor ihm unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist. Zu der damit aufgeworfenen Frage, ob er - als Vorverfolgter - für den Fall seiner Rückkehr vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher ist, hat sich das VG nicht geäußert. Vielmehr hat es nur subjektive Nachfluchtgründe und auch eine Rückkehrgefährdung lediglich allgemein für den Personenkreis abgelehnter und nicht vorverfolgt ausgereister Asylbewerber verneint.

Das VG hat eingangs seiner Entscheidung zur Begründung, daß der Bf. »eine politisch motivierte Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe«, auf die »insoweit zutreffenden Ausführungen« im Bescheid des Bundesamts verwiesen. Auch mit diesem Verweis läßt sich jedoch die Abweisung der Asylklage nicht verfassungsrechtlich tragfähig begründen. Das Bundesamt hatte den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, weil der Bf. mit seinem Vortrag die behauptete Verfolgungsfurpht nicht glaubhaft gemacht habe. Hingegen sieht das VG das Vorbringen des Bf. - insoweit abweichend vom Bundesamt - als »im wesentlichen in sich schlüssig« an und unterstellt entscheidungserhebliche Angaben, unter anderem über die erlittenen Mißhandlungen des Bf., als wahr. Damit hat es sich die Begründung, welche die ablehnende Entscheidung des Bundesamts trägt, sgerade nicht als Bestandteil seiner Urteilsgründe zu eigen gemacht.

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