Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

08.03.2016

Geschäftszahl

W161 2121583-1

Spruch

W161 2121583-1/2E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 08.01.2016, Zl. Damaskus-OB/KONS/2305/2015, aufgrund des Vorlageantrags des XXXX, geb. XXXX, StA. staatenlos, vertreten durch Roland Hermann, Caritas der Erzdiözese Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 01.12.2015, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer ist staatenlos (Palästinenser aus Syrien) und stellte am 12.08.2015 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden: "ÖB - Damaskus") einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte er aus, er möchte zu seinem Vater XXXX, geb. XXXX, reisen.

1.2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 06.11.2015 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass betreffend die antragstellende Partei die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährig gewesen wäre.

1.3. Mit Schreiben vom 10.11.2015, übernommen am 16.11.2015, wurde dem Antragsteller die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihm wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da er zum Antragszeitpunkt bereits volljährig gewesen wäre.

1.4. Am 21.11.2015 brachte der Antragsteller innerhalb offener Frist eine Stellungnahme ein und führte darin aus, nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei darauf hinzuweisen, dass über den Wortlaut des § 35 Abs. 5 AsylG es in Einzelfällen ausnahmsweise nach Art. 8 EMRK geboten sein könne, dass nahe Angehörige, die sich in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis befänden, das Familienleben mit ihren in Österreich asylberechtigten Familienmitgliedern auch in Österreich fortsetzen können. Ein solcher Ausnahmefall dürfte bei dem Antragsteller vorliegen, da er in Hinblick auf seine schwere Körperbehinderung auf die Pflege durch seine Eltern und Geschwister angewiesen sei, die alle, bis auf ihn - in Österreich asylberechtigt seien.

1.5. In einer ergänzenden Stellungnahme führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, die negative Wahrscheinlichkeitsprognose gemäß § 35 AsylG vom 02.02.2015 bleibe aufrecht.

1.6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.12.2015, zugestellt am 18.12.2015, verweigerte die ÖB Damaskus - die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG idgF iVm §35 AsylG 2005 idgF mit der Begründung, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe nach Prüfung mitgeteilt, dass in dem, dem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zugrunde liegenden Fall die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Der Antragsteller sei zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährig gewesen.

1.7. Gegen den Bescheid richtet sich die am 22.12.2015 eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen geltend gemacht wird, bei dem Beschwerdeführer handle es sich um den unverheirateten, knapp über 18-jährigen Sohn des asylberechtigten Zusammenführenden XXXX. Der Beschwerdeführer sei seit seinem 11. Lebensjahr schwerstens körperbehindert und leide an Muskelatrophie. Er sitze im Rollstuhl und könne weder alleine essen noch das WC aufsuchen, geschweige denn sonstige einfachste Alltagsverrichtungen versehen. Er habe von Geburt an und bis zu dessen Flucht stets im Familienverband des Zusammenführenden gelebt und sei ihm Hinblick auf seine Körperbehinderung vom Zusammenführenden und dessen Familienangehörigen abhängig. Den übrigen Familienangehörigen des Zusammenführenden sei bereits die Einreise nach Österreich bewilligt worden, nämlich, der Mutter, der Schwester und dem Bruder. Diese würden voraussichtlich am 09.03.2016 nach Österreich einreisen. Der Bruder des Beschwerdeführers leide an derselben Krankheit bzw. Körperbehinderung wie der Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer lebe gegenwärtig mit der Mutter und den Geschwistern in einer Mietwohnung in XXXX. Aus Sicht der Familie sei es unmöglich, ihn alleine in Syrien zurückzulassen. Der Beschwerdeführer habe die gegenständliche abgelehnte Einreisebewilligung innerhalb der in Art. 12 der Richtlinie 2003/86/EG gesetzten Frist beantragt, weshalb in diesem Fall auch die genannte Richtlinie beachtlich sei. Darüber hinaus seien auch noch die Art. 47 und 41 sowie 7 GRC beachtlich. Zusammenfassend ergebe sich, dass im vorliegenden Fall der angestrebte Familiennachzug sowohl grundrechtlich aufgrund des Art. 8 EMRK als auch unionsrechtlich vor dem Hintergrund der Familienzusammenführungs-Richtlinie als geboten angesehen werden müsse.

1.8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 08.01.2016 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass der Beschwerdeführer einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt habe und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Als alleintragender Grund für die Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags des Beschwerdeführers auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Da der Beschwerdeführer eben kein Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG sei, gehe auch die Bezugnahme auf die Familienzusammenführungs-Richtlinie und die Grundrechte-Charta, entgegen der Argumentation in der Beschwerde, ins Leere, zumal der Wortlaut des § 35 Abs. 5 AsylG eindeutig sei. Da es für die Stattgebung des Antrages nach § 26 FPG bzw. § 35 AsylG auf die Familienangehörigeneigenschaft ankomme, seien auch die Beschwerdeausführungen über "die Wahrscheinlichkeit einer originären (und nicht bloß einer nach § 34 AsylG vom Zusammenführenden abgeleiteten) Schutzgewährung" verfehlt bzw. würde die Regelung des Gesetzgebers (vom Rechtsanwender) eliminiert, dass eben nur minderjährige Kinder von der Familieneigenschaft des § 35 AsylG erfasst seien. Zu entscheiden, ob allenfalls auch volljährige Kinder einen Anspruch auf einen Einreisetitel nach § 26 FPG bzw. § 35 AsylG haben, sei allein dem Gesetzgeber vorbehalten.

Sofern auf die Erkenntnisse des VfGH B369/2013 vom 06.06.2014 und des VwGH 2011/22/0074 vom 13.11.2012 Bezug genommen werde, sei festgehalten, dass es sich dabei um andere Fallkonstellationen handle.

1.9. Am 21.01.2016 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

1.10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 15.02.2016 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 12.08.2015 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.

Als Bezugsperson wurde XXXX, geb. XXXX, StA. staatenlos, genannt, welcher der Vater des volljährigen Beschwerdeführers sei.

Dem Vater des nunmehrigen Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2015 zu Zahl 15-10506969908-150089276 der Status des Asylberechtigten zuerkannt, gleichzeitig wurde festgestellt, dass ihm nach Art. 3 Abs. 5 AsylG kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da der Antragsteller zum Antragszeitpunkt bereits volljährig gewesen sei und somit nicht unter den Begriff eines Familienangehörigen nach Art. 35 Abs.5 AsylG falle.

Diese Einschätzung wurde auch nach Einbringung einer Stellungnahme des Antragstellers aufrechterhalten.

Der Mutter, der minderjährigen Schwester und dem minderjährigen Bruder des Beschwerdeführers wurde die Einreise nach Österreich bereits bewilligt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der Österreichischen Botschaft Damaskus und wurden von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§35 Asylgesetz 2005 (AsylG) idF BGBl. I. Nr. 68/2013 lautet:

(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf die Erteilung eines Einreisetitels bei der konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4)Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

§ 11 und 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

...

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das

Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zur Zulässigkeit der Beschwerde ist - im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen - und in Hinblick auf die durch die Beschwerdevorentscheidung klarer gefasste Erledigung festzuhalten, dass eindeutig ein Bescheid vorliegt und die Beschwerde daher insoweit zulässig ist.

Zum oben dargelegten Beschwerdevorbringen ist auszuführen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die österreichische Vertretungsbehörde in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Asylgesetz 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (vormals Bundesasylamtes) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden ist. Die Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung kommt durch die Botschaft in der Regel nicht in Betracht (VwGH 2007/21/0423 vom 19.06.2008, VwGH 2013/21/0152 vom 17.10.2013 mwN, siehe weiterführend auch VfGH U 1233/2013 vom 27.09.2013).

Der erstinstanzlichen Behörde ist darin zuzustimmen, dass der volljährige Beschwerdeführer nicht unter die in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 genannten Familienangehörigen fällt.

Der Beschwerdeführer hat jedoch im Verfahren vorgebracht, an einer schweren Körperbehinderung zu leiden und auf die Pflege seiner Eltern und Geschwister angewiesen zu sein, welche mit Ausnahme des Beschwerdeführers alle in Österreich asylberechtigt seien. Dieses Vorbringen wurde keiner Beweiswürdigung unterzogen und fehlen im angefochtenen Bescheid jegliche Feststellungen hierzu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 13.11.2012, 2011/22/0074 darauf verwiesen, dass für den Fall, dass ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug bestehe, als Familienangehöriger im § 46 Abs. 4 NAG demnach aus verfassungsrechtlichen Gründen auch jener - nicht im Bundesgebiet aufhältige Angehörige erfasst sei, dem ein derartiger Anspruch zukomme und gerügt, dass die belangte Behörde Feststellungen unterlassen habe, die zur Beurteilung der Zulässigkeit des Eingriffs nach Art. 8 EMRK erforderlich wären.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.06.2014, B369/2013 in einem Fall, in dem der Vater und Ehemann der Beschwerdeführer in Österreich subsidiär schutzberechtigt war und der Kindesmutter im Gegensatz zu den Kindern kein Visum erteilt worden war, ausgesprochen, dass es nach Art. 8 EMRK geboten sein könnte, dass die Beschwerdeführerin als Mutter der vier Kinder, denen die Einreiseerlaubnis wie im § 35 Abs. 2 AsylG 2005 vorgesehen, nach Österreich erteilt worden wäre, das Familienleben mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in Österreich fortsetze. Eine dies verweigernde Entscheidung hätte die Gründe dafür entsprechend darlegen müssen. Auch in dieser Entscheidung wird gerügt, dass auf diese spezifische Konstellation des Falles weder in der Mitteilung des Bundesasylamtes eingegangen worden sei, noch diese mit der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde in Islamabad in geeigneter Weise erörtert worden sei.

Aus den oben zitierten Erkenntnissen der Höchstgerichte ergibt sich zumindest, dass eine konkrete und individuelle Prüfung der beteiligten Interessen nach den Kriterien des Art. 8 EMRK stattzufinden hat und eine eventuelle Ablehnung eines Einreisetitels entsprechend begründet werden muss. Die vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung ist wohl auch in geeigneter Weise mit dem Antragsteller zu erörtern. Im gegenständlichen Fall wurde eine solche Prüfung nicht vorgenommen bzw. zumindest nicht begründet dokumentiert.

Die erstinstanzliche Behörde hätte sich in casu mit der angegebenen Behinderung des Beschwerdeführers, seiner tatsächlichen Lebenssituation und der ihn erwartenden Lebenssituation nach Abreise der im Verfahren genannten Familienmitglieder, näher auseinandersetzen und dies mit dem Beschwerdeführer erörtern müssen. Aufgrund der besonderen Konstellation des Falles wäre zu prüfen gewesen, ob es durch die angefochtene Entscheidung zu einem möglichen Eingriff nach Art. 8 EMRK kommt.

Aufgrund der Besonderheiten und der verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11 a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens kann die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zum Familienleben und dem tatsächlichen Grad der behaupteten Erkrankung der beschwerdeführenden Partei nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch das erkennende Gericht selbst durchgeführt werden. Es war daher mit der ersatzlosen Behebung des gegenständlichen Bescheids vorzugehen.

Gemäß § 11 a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2016:W161.2121583.1.00

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