Bayerischer Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil von 16. Maerz 1992-AN 19 K 91. 16278

Bayrisches Verwaltungsgercht Ansbach

Beschluss vom 16. Maerz 1992

X gegen

1.         die Bundesrepublik Deutschland

X gegen

2.         den Freistaat Bayern

IM NAMEN DES VOLKES

In der verwaltungsstreitsache

vertreten durch den Bundesminister des Innern in Bonn, dieser
vertreten durch den Präsidenten des Bundesamts für die
Anerkennung ausländisher Flüchtlinge in Zirndorf;

beteiligt: Bundesbeauftragter für Asylangelegenheiten, Zirndorf

vertreten durch die Landesanwaltschaft Ansbach

wegen Verfahren nach dem AsylVfG (B 1220175-138) erläßt das Bayer.

folgendes

URTEIL:

1.         Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.11.1991 und der Bescheid des Beklagten zu 2) vom 28.11.1991 werden aufgehoben.

2.         Das Bundesamt wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen.

3.         Das Bundesamt wird verpflichtet festzustellen, daß die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AusiG vorliegen.

4.         Die Beklagte zu 1) trägt 2/3, der Beklagte zu 2) 1/3 der Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten kosten abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5.         Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 20.03.1974 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Seine Heimat verließ er mit einem am 21.07.1990 ausgestellten jugoslawischen Reisepaß am 12.10.1991 mit dem Flugzeug. Am 18.10.1991 gelangte er mit dem Zug in die Bundesrepublik Deutschland. Über die zentrale Ausländerbehörde für Asylanträge Südbayern suchte er am 05.11.1991 um politisches Asyl nach.

Bei der Befragung durch die Ausländerbehörde führte er aus, er habe am 02.10.1991 eine Ladung zur Musterung erhalten. Seine Mutter sei dem Appell der LDK gefolgt und habe diese ignoriert, da der Kläger nicht daheim gewesen sei. Ansonsten wäre er sofort nach der Musterung als Soldat für die "jugoslawische Volksarmee" eingezogen worden. Er habe sich nicht mehr zuhause aufhalten können, weil die serbische Polizei ihn mit sicherheit gewaitsam eingezogen hätte. Daher habe er sich bis zu seiner Ausreise bei seinem Onkel in Knmanove verteckt. Weiter gab der Kläger noch an, er sei Mitglied der LDK seit deren Gründung.

Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung trug der Kläger am 08.11.1991 vor, er habe nach achtjährigem Besuch der Volksschule drei Jahre lang die Mittelschule besucht. Er habe jetzt mit der vierten Klasse beginnen sollen, dies aber nicht tun können, da die Schule geschlossen worden sei. Seit etwa eineinhalb Jahren sei er im Besitz eines Reisepasses. Jugoslawien habe er mit seinen Eltern zusammen am 12.10.1991 auf dem Luftweg verlassen und sich dann fünf Tage bei seinem Onkel in Wien aufgehalten. Am 18.10.1991 sei er dann mit der Bahn nach Deutschland gekommen. In Jugoslawien sei er Sympathisant der Demokratischen Union gewesen.

Auf die Frage, ob er sich in den letzten Monaten vor seiner Ausreise in irgendeiner Weise politisch aktiv betätigt habe, entgegnete der kläger, er habe wie alle anderen jungen Männer auch, regelmäßig an Demonstrationen teilgenommen. Ob diese Teilnahme den Behören seines Heimatlandes bekannt geworden sei, wisse er nicht.

Grund für seine Ausreise sei gewesen, daß ihm am 02.10.1991 die Vorladung zur Musterung hätte ausgehändigt werden sollen. Da er nicht anwesend gewesen sei, habe seine Mutter dem Boten erklärt, der Kläger sei bereits im Westen und können ihm die Musterung nicht ausgehändigt werden, weshalb sie Annahme verweigere.

Der Kläger selbst aber sei beim Fußballtraining gewesen. Nachdem scwohl sein Vater also auch er nach Hause gekommen seien, hätten sie beratschlagt, was zu tun sei. Letztlich hätten sie sich dann bis zu ihrer Ausreise bei einem Freund des Vaters in Kumanove aufgehalten. Der Kläger bejahte die Frage, ob es richtig sei, daß er seine Heimat nur deshalb verlassen habe, weil ihm jetzt die Einziehung zur Armee gedroht habe. Er vermöge nicht einzusehen, daß er für die Interessen der Serben gegen die Kroaten kämpfen solle. Den Krieg halte er für sinnlos. Dies sei sein einziger Asylgrund. Im Falle einer Rückkehr steckten ihn die Serben gleich in die Uniform und schickten ihn in den Krieg.

Mit Bescheid vom 19.11.1991 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländisher Flüchtlinge den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorligen. Daraufhin forderte ihn das Landratsamt Fürstenfeldbruck mit Bescheid vom 28.11.1991 unter Fristsetzung zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung an (§ 28 AsylVfG).

Gegen die am 12.12.1991 zugestellten Bescheide erhob der Kläger am 23.12.1991 Klage.

Er stellt den Antrag, den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.11.1991 und den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 28.11.1991 aufzuheben, sowie die Beklagte zu 1) zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

Die Beklagten stellen jeweils den Antrag, die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen.

Im übrigen wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift und die beigezogenen Behördenakten des Bundesamtes und der Ausländerbehörde Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Verpflichtungsbegehren auf Anerkennung als Asylberechtigter führt zum Erfolg, da dem Kläger ein hierauf gerichteter Anspruch zusteht (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Das Asylgrundrecht des Art. 16 Abs 2 S. 2 Grundgesetz (GG) schützt vor politischer Verfolgung, die der in das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gelangte Asylbewerber bei einer Rückkehr in das Herkunftsland gegenwärtig sowie in überschaubarer Zukunft zu befürchten hat. Allgemein liegt dem Asylgrundrecht die von der Achtung der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmten überzegung zu Grunde, daß kein Staat das Recht besitzt, Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des Einzelnen aus Gründen zu gefährden oder zu verletzen, die alleine in seiner politischen überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn inverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen (sogenannte asylerhebliche Merkmale). Demgemaß ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn - ihrer Intensität nach - aus der übergreifenden Friedensordung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BverfGE 80, 315). Nach dem durch den Zuflchtgedanken geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberchtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Herkunftsland zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Der Asylantrag muß Erfolg haben, wenn die fluchtbegrüdenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ohne wesentliche Anderung fortbestehen. Maßgeblich für die Verfolgungsprognose ist der Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz (BverfGE 54, 341).

Hat ein Asylbewerber Nachfluchtgründe nach Verlassen des Heimatstaates aus eigenem Entschluß geschaffen, darf eine Asylberechtigung in aller Regel nur dann in Betracht gezogen werden, wenn er bei Entstehung des Nachfluchttatbestandes in einer für ihn ausweglosen Lage war (BverfGE 74, 51).

Die Gründe für die Unzumutbarkeit der Rückkehr muß der Asylbewerber wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich ein Asylsuchender hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des geltungsbereichs des Asylverfahrensgesetzes befindet, lediglich glaubhaft machen (BVerfGE 55, 86; BVerfGE NVwZ 1985, 658). Hierbei ist zu berücksichtigen, daß einem Asylbewerber meist die Beweismittel für die von ihm vorgetragenen Asylgründe nicht zur Verfügung stehen und das Fehlen solcher Beweismittel noch nicht zur Abweisung des Asylbegehrens führen muß. Vielmehr kommt in derartigen Fällen dem persönlichen Sachvortrag des Asylbewerbers erhöhte Bedeutung zu, den das Gericht im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu würdigen hat. Andererseits ist aber gerale deshalb im Asylrecht regelmäßig eine genaue Darlegung des erlittenen Schicksals oder derjenigen Umstände, auf die sich die Angst vor Verfolgung gründet, erforderlich. Insoweit trifft den Asylbewerber eine Mitwirkungspflicht. Er muß, soweit es seinen eigenen Erlebnisbereich betrifft, grundsätzlich entsprechend seinem Vermögen unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich sitmmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, daß er einen Asylanspruch hat. Die Darlegungen müssen daher scheidung gebrachten Sachverhalt ermöglichen.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er hat glaubhaft gemacht, daß er am 02.10.1991 eine landung zur Musterung bekommen hat, zum fraglichen Zeitpunkt aber nicht zu Hause war. In der folgezeit gelang es ihm zusammen mit der Familie, das Kosovo zu verlassen. Er reiste anschließend über Mazedonien aus und konnte sich auf diese Weise dem Wehrdienst entziehen, den er ablehnte, weil er nicht auf serbischer Seite gegen Kroaten hat kämpfen wollen.

Dieser Sachverhalt steht zur überzeugung der Kammer aufgrund des widerspruchsfreien und detaillierten Vortrags des klägers fest. Daß sich in Jugoslawien Wehrpflichtige in großer Zahl geweigert haben, den Wehrdienst anzutreten, ist überdies allgemein bekannt und ergibt sich auch aus dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Lagebericht "Jugoslawien" des Auswärtigen Amtes vom 19.12.1991.

Da der Kläger Serbien und Jugoslawien schon in der Absicht verlassen hat, sich aus den oben angeführten Gründen dem Wehrdienst zu entziehen, ist die wehrdienstentziehung kein unbeachtlicher subjektiver Nachluchtgrund, vielmehr die Fortsetzung einer schon in der Heimat innegehabten und damals schon seine Einstellung zum Wehrdienst prägenden überzeugung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.1989, NVwZ 1990, 267, 268). Diese überzeugung hat der Kläger dadurch erkennbar betätigt, daß gegenüber dem Boten, der die Vorladung zur Musterung überbrachte, geäußert wurde, der Kläger befinde sich bereits im westlichen Ausland und dadurch, daß sich der Kläger nicht zur Musterung eingefunden hat.

Indem sich der Kläger der Musterung entzogen hat, hat er sich nach Art. 214 Abs. 3 des jugoslawischen Strafgesetzbuches - jug StGB - vm 28.07.1976, Amtsblatt der Sozialistischen Freien Republik Jugoslawien Nr. 44/1976 strafbar gemacht. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der übereinstimmenden Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes vom 01.03.1991 und von amnesty international vom 29.01.1991 fest. Nach Art. 214 Abs. 3 jug StGB in der auch ab 06.08.1990 unverändert weiter gültigen Fassung wird mit Gefängnis mit einem bis zu zehn Jahren bestraft "wer das Land verläßt oder im Ausland bleibt, um der Musterung oder der Ableistung der Wehrpflicht, einer Militärübung oder anderen Wehrübungen zu entgehen". Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.03.1991 erscheint As als möglich, daß dabei die Eigenschaft als ethnischer Albaner den das Strafmaß festsetzenden Richter zu höherer Strafe veranlassen kann. Amnesty international hält dies in seiner Auskunft vom 29.01.1991 für sehr wahrscheinlich. Die Kammer hält die zuletzt genannte Auskunft in Anbetracht der weiteren Verschlechterung der Situation im Kosovo für ethnische Albaner, in der Verfolgungsmaßnahmen schon allein wegen der albanischen Volkszugehörigkeit nicht mehr ausgeschlossen werden können (vgl. die Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 21.01.1991 und 19.12.1991) für überzeugend. Für diese Einschätzung spricht auch, daß die serbische Führung mit den Mitteln des Strafrechts die ethnischen Albaner im Kosovo wegen einer vermuteten antiserbischen Einstellung bekämpft. Dies wird dadurch deutlich, daß im Laufe des Ende Februar 1989 im Kosovo proklamierten und am 18.04.1990 aufgehobenen Ausnahmezustandes etwa 240 Albaner in "Verwaltungshaft" oder "Isolationshaft" genommen und bis zu drei Monaten von Polizei und Sicherheitsbehörden im Gefängnis gehalten wurden, ohne einem konkreten Strafvorwurf ausgesetzt, einem Richter vorgeführt oder mit einem Verteidiger in Kontakt gebracht worden zu sein (vgl. den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.05.1990). Auch die Besonderheiten bei der Durchführung des. Strassverfahrens gegen ethnische nämlich in nichtöffentlicher Sitzung und ohne Verteidiger (vgl. die Auskunft von amnesty international vom 14.09.1989) spricht. für die Bekämpfung der albanischen Bevölkerungsmehrheit durch den völlig unter serbischer Kontrolle stehenden Gerichts - und Polizeiapparat mit Mitteln des Strafrechts. Dem entspricht auch, daß das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 19.12.1991 darauf hinweist, daß wegen des überaus starken ethnischen Bezugs der politischen Forderungen der Albaner ein Überziehen staatlicher Gewalt gegenüber Albanern bei polizeilichen Festnahmen, bei Untersuchungshaft und bei den Gerichten im Rahmen der Festsetzung des Strafmaßes nicht auszuschließen ist.

Wegen des in Jugoslawien und damit auch in Serbien für die Zuständigkeit der Gerichte geltenden Tatortprinzips (vgl. Gutachten Dr. Kuss vom 08.07.1989) ist auf die Verhältnisse im Kosovo abzustellen.

Nach den Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens lagen auch keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative vor. Dasselbe galt und gilt noch für Mazedonien und Bosnien (vgl. den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.12.1991, Seite 13).

Auch das gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Verpflichtungsbegehren auf Feststellung, daß die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, führt zum Erfolg. Die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AusIG sind schon deshalb erfüllt, weil der Kläger asylberechtigt ist (§ 51 Abs. 2 Nr. 1 AuslG).

Das auch nach Erfolg der Verpflichtungsbegehren zulässig gebliebene Anfechtungsbegehren (vgl.-insoweit BVerwG, NVwZ 1989, 862) ist begründet. Zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde lagen Umstände vor, die ein vom Asylverfahren unabhängiges Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 2 AuslG begründeten. Nach § 28 Abs. 1 S. 2 AsylVfG war daher von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen. Der Kläger hat dadurch, daß er sich der Musterung durch das Verlassen des Landes und durch seinen Verbleib im Ausland entzogen hat Art. 214 Abs. 3 jug StGB verletzt. Nach dem gleichfalls trotz der Strafrechtsnovelle in Kraft gebliebenen Artikel 226 Abs. 3 jug StGB wird ein Verstoß gegen Art. 214 Abs. 3 jug StGB nicht unter fünf Jahren oder mit dem Tode bestraft, wenn eine unmittelbarer Kriegsgefahr vorliegt. Das jugoslawische Rumpfpräsidium hat das Vorliegen unmittelbarer Kriegsgefahr mit Wirkung ab 03.10.1991, also vor der Entscheidung der Ausländerbehörde festgestellt (vgl. den Lagebericht "Jugoslawien" des Auswärtigen Amtes vom 19.12.1991, Seite 9, ferner Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung, jeweils vom 07.10.1991). Zwar ist bisher die Verhängung der Todesstrafe nicht bekannt geworden. Es waren aber zum maßgebenden Zeitpunkt, dasselbe gilt jetzt noch, die meisten der mehrere tausend zählenden Strafverfahren wegen Wehrdienstentziehung noch nicht abgeschlossen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 19.12.1991), so daß die Gefahr der Todestrafe auch nicht verneint werden konnte. Daß generell eine Verfolgungsabsicht bei der Wehrdienstentziehung im Wege der Flucht in das Ausland besteht, ergibt sich aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.12.1991, in dem nicht nur von zahlreichen anhängigen Strafverfahren die Rede ist, sondern auch berichtet wird, daß es bei der Rückkehr aus dem Ausland möglich ist, daß Festnahmen mit dem Ziel der unmittelbaren Zuführung zum Wehrdienst oder Strafverfahren stattfinden. Dies gilt sogar für jugoslawische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, die mit deutschen Autokennzeichen einreisen. Entsprechende Verhaftungen sind bekannt geworden. Festnahmen auf dem Reiseweg etwa zwischen der ungarischen Grenze und Nis sind wegen der dort durchgeführten Polizeipatrouillen mehrfach vorgekommen.

Selbst wenn man von fehlender Kenntnis der Ausländerbehörde über die Gefahr der Todesstrafe ausgehen wollte, würde dies nicht zur Abweisung des Anfechtungsbegehrens führen. Denn nach § 8 a Abs. 2 AsylVfG (in der ab 15.10.1990 geltenden Fassung) sind im Klageverfahren auch Umstände in Rechnung zu stellen, die zwar zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde schon objektiv vorgelegen haben, aber wegen fehlender Angaben des Ausländers nicht berücksichtigt worden sind (vgl. OVG Münster, Beschluß vom 28.02.1991, 18 E 180/91; Benassi InfAuslR, 1991, 354, 358). Die Präklusionswirkung des § 8 a Abs. 1 AsylVfG beschränkt sich auf das Verwaltungsverfahren (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 27.01.1990, Bundestagsdrucksache 11/6321 S. 89). Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Beschluß vom 11.04.1989, BVerwGE 82, 1), die auf den Kenntnisstand der Ausländerbehörde abstellte, ist insoweit überholt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 AsylVfG nicht vorliegen.

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