Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 5.11.1992-S 8 A1 42/90

Sozialgericht Regensburg

Urteil vom 5.11.1992-S 8 A1 42/90

Leitsatz der Redaktion:

Zieht sich das vorn Bundesbeauftragten eingelegte Klageverfahren gegen den Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über Gebühr in die Länge, kann es gerechtfertigt sein, diesen Umstand als »besondere Härte« im Sinne des Arbeitserlaubnisrechts zu werten.

Sachverhalt: Der Kläger ist Flüchtling aus Palästina. Bis zu seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1987 hielt er sich im Libanon auf Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.7.1989 wurde er mit seinen gleichzeitig eingereisten Familienangehörigen als Asylberechtigter anerkannt. Hiergegen hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragte) am 1.9.1989 Anfechtungklage erhoben, über die bislang nicht entschieden worden ist. Sein Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis wurde durch die Bundesanstalt für Arbeit zurückgewiesen. Dieser Bescheid sowie der auf den Widerspruch hin ergangene Widerspruchsbescheid wurden durch das Sozialgericht dahingehend abgeändert, daß die Beklagte dem Kläger ab dem 6.11.1992 eine Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 7 AEVO zu erteilen hat.

Aus den Gründen:

»Die Klage ist zulässig und nach Maßgabe des Schlußantrages des Bevollmächtigten des Klägers auch begründet.

Die angefochtenen Bescheide des Arbeitsamtes S. sind insoweit rechtswidrig, als dem Kläger zumindest ab dem 6.11.1992 die besondere Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 7 AEVO zu erteilen ist. Da ausdrücklich nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide für die Zeit vor dem 6.11.1992 beantragt worden ist, erübrigte sich eine Entscheidung dahingehend, ob dem Kläger die besondere Arbeitserlaubnis bereits in der zurückliegenden Zeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 6 AEVO in der Fassung vom 6.1.1987 bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 7 AEVO in der Fassung vom 31.12.1990 zugestanden hat, insbesondere dazu, ob die noch nicht rechtsverbindlich gewordene Entscheidung des Bundesamtes vom 27.7.1989 auch nur bis zum 31.12.1990 die vom Bevollmächtigten des Klägers behauptete Bindungswirkung haben kannte, wie sie nach § 18 (nunmehr § 4) AsylVfG nur die rechtsverbindlich gewordene Entscheidung des Bundesamtes haben kann (so auch der Beschluß des BSG vom 27.8.1990 - 7 RAr 90/89).

Weil sich aber Herr A. rechtmäßig seit dem Jahre 1987 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ihm der Aufenthalt jedenfalls bis zum Abschluß des Asylverfahrens gestattet ist (§ 55 AsylVfG in der Fassung vom 20.10.1992) und ihm auch die Arbeitsaufnahme von der Ausländerbehörde nicht verwehrt ist, war allein zu befinden, ob Herrn A. wenigstens ab dem 6.11.1992 die besondere Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 7 AEVO zusteht. Das ist dann der Fall, wenn die Versagung der (besonderen) Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 1 bis 5 AEVO >nach den besonderen Verhältnissen des Ausländers eine besondere Härte bedeuten würde,. Ist das der Fall, so ist ihm die Arbeitserlaubnis zu erteilen.

Bei seiner Entscheidung hatte das Gericht zu berücksichtigen, daß sich Herr A. seit dem Jahre 1987, somit bereits seit über fünf Jahren, rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, daß es ihm nicht anzulasten ist, daß sich das vom Bundesbeauftragten eingeleitete Klageverfahren, mit welchem bezweckt wird, Herrn A. den Status und die Rechte eines Asylberechtigten, die ihm durch den Bescheid des Bundesamtes vom 27.7.1989 zuerkannt worden sind, vorzuenthalten, über Gebühr in die Länge zieht und daß es vor allem bereits seit Jahren feststeht, daß selbst nach Ergehen eines Urteils, mit welchem der Klage oder einer Berufung des Bundesbeauftragten gegen das Urteil des VG Ansbach stattgegeben werden sollte - nach den Darlegungen des Bevollmächtigten des Klägers ist diese Klage bereits abgewiesen worden -, Herr A. als Palästinenser christlichen Bekenntnisses, dem nicht zugemutet werden kann, in den Libanon zurückzukehren, der weitere Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund einer Aufenthaltsbefugnis (§ 70 AsylVfG 1992) gesichert sein wird.

Herr A. wird demnach voraussichtlich für immer in der Bundesrepublik Deutschland bleiben. Es muß daher im Interesse der Allgemeinheit dieses Staates liegen, ihn so schnell und so gut wie möglich in die Gemeinschaft der Bewohner dieses Staates zu integrieren. Dazu wiederum gehört es vorrangig, ihm die Möglichkeit zu verschaffen, sich den Arbeitgeber zu suchen, bei welchem er die seiner Neigung entsprechende Arbeit verrichten und einen Verdienst erzielen kann, der ihm sein Auskommen sichert. Daneben ist die freie Wahl des Arbeitsplatzes auch eine Voraussetzung dafür, daß er an einem anderen Ort als dem Ort, der ihm zum Aufenthalt zu Beginn seines Asylverfahrens zugewiesen worden ist, Wohnung nehmen kann. Da sich der Kläger im gesamten Bundesgebiet aufhalten darf, ein Umzug an einen anderen Ort aber nur dann ratsam ist, wenn er dort auch Arbeit findet, also er vor diesem Umzug bereits die Möglichkeit haben muß, dort zu arbeiten, steht eine Arbeitserlaubnis, wie sie dem Kläger bislang nach § 1 Nr. 1 AEVO erteilt worden ist, also mit einer Beschränkung auf einen bestimmten Beruf und einen bestimmten Betrieb, der raschen und möglichst guten Integration in die hiesige Gesellschaft zwar nicht entgegen, verzögert sie aber.

Was die Notwendigkeit der raschen und möglichst guten Eingliederung eines Ausländers (angeht), dem zumindest aufgrund einer Aufenthaltsbefugnis voraussichtlich auf Dauer der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht wird, so unterscheidet sich auch der Fall des Klägers zwar nicht grundlegend von der Situation tausender abgewiesener Asylbewerber, deren Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Dieser Umstand alleine zwingt die Beklagte somit auch nicht, Herrn A. die Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 7 AEVO zu erteilen. Die >besonderen Verhältnisse des Klägers sind aber dadurch geprägt, daß er vom Bundesamt als Asylberechtigter bereits anerkannt ist und daß es ihm nicht anzulasten ist, daß sich das vom Bundesbeauftragten eingeleitete - erfolglose -Klageverfahren über Gebühr in die Länge gezogen hat, daß schließlich diese Klage abgewiesen worden ist und er nach Lage der Dinge ehedem sehr bald eine Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AEVO erhalten müßte. Zudem hält er sich bereits seit fünf Jahren rechtmäßig hierzulande auf. Wäre er abgelehnter Asylbewerber, der aber nicht abgeschoben werden kann und der daher zum weiteren Aufenthalt befugt ist, müßte ihm zudem nach Ablauf des sechsten Jahres seines ununterbrochenen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland die Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 AEVO erteilt werden. Alle diese Umstände lassen die Versagung der besonderen Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 1 AEVO als eine Härte erscheinen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Kläger hierzulande zu Beginn seines Aufenthaltes zweimal straffällig geworden ist. Da diese Straftaten seine Abschiebung nicht zur Folge gehabt haben, können sie wiederum nicht das Vorliegen einer besonderen Härte, wie sie in der Ablehnung der besonderen Arbeitserlaubnis zu sehen ist, ausschließen. Deshalb wiederum hatte ihm die Beklagte für die Zukunft diese Arbeitserlaubnis zu erteilen und war der Klage mit Maßgabe der beantragten Abänderung der angefochtenen Bescheide stattzugeben.«

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