Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Beschluss vom 13. Mai 1992-D 1017521-273

Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge

- Anerkennungsverfahren -

13 Mai 1992

BESCHEID

In dem Asylverfahren des X

geb. 00.00. in Somalia

ergeht folgende Entscheidung:

1.         Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wird abgelehnt.

2.         Die Voraussetzungen des §.51 Abs. 1 AuslG liegen nicht vor.

Begründung:

Der Antragsteller, somalischer Staatsangehöriger, verließ sein Heimatland eigenen Angaben zufolge am 18. 07. 1990 und reiste am 19. 07. 1990 auf dem Luftweg in den Geltungsbereich des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) ein. Am 25.07.1990 stellte er bei der zuständigen Ausländerbehörde Asylantrag.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Antragsbegründung wird auf den Akteninhalt - insbesondere auf die Niederschrift der persönlichen Anhörung beim Bundesamt vom 01. 04. 1992 - Bezug genommen.

Der Asylantrag ist weder hinsichtlich des Anerkennungsbegehrens nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) noch hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) begründet.

Für das begehrte Asyl nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) bzw. die Feststellung nach § 51 Abs. 2 Satz 2 Ausländergesetz (AuslG) ist wesentliche Voraussetzung eine bei Rückkehr ins Heimatland drohende politische und damit grundsätzlich staatliche Verfolgung. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem einzelnen gerade in Anknüpfung an seine Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politischen Überzeugung oder andere für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, welche ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (grundlegend s. BVerfGE 80/315 ff.).

Die Gewährung von Asyl scheidpt aus, wo keine staatliche Verfolgung vorliegt. "Schutz Vor den Folgen anarchischer Zustände oder der Auflösung der Staatsgewalt (ist) nicht durch Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG versprochen" (BVerfG, Beschluß vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a.- S. 28 - BVerfGE 80, 315 -). Dies gilt für vorverfolgt Ausgereiste und nicht Vorverfolgte gleichermaßen.

In Somalia bietet sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Bild anarchischer Zustände nach der Auflösung der Staatsgewalt. Nach dem Sturz von Siad Barre ernannten sich u.a. Mitglieder der USC am 26.01.1991 selbst zur Regierung. Diese Regierung ist weder in ihren eigenen Reihen unbestritten, noch findet sie die Zustimmung anderer Oppositionsgruppen, die sich selbst untereinander bekämpfen. Die Situation ist geprägt von einem weiterhin anhaltenden Bürgerkrieg der Oppositionsgruppen untereinander und dem Machtkampf innerhalb der Gruppierungen selbst (mit wechselnden Zweckallianzen). Die traditionellen Stammeantagonismen werden derzeit vom chaotischen Kampf "jeder gegen jeden" und von persönlichen Abrechnungen überlagert. Das Rechts- und Ordnungssystem ist völlig zusammengebrochen; die Entwicklung in Somalia hat archaische Züge angenommen (insgesamt: Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 08.05.1991 an das VG Ansbach; Lagebericht Somalia des Auswärtigen Amtes vom 06.01.1992; UNHCR vom 03.04.1991 an Rechtsanwalt Becher, Bonn; s. VG Stuttgart, Urteil vom 13.08.1991 - A 17 K 9072/91 -).

Der Norden Somalias hat sich im Mai 1991 einseitig für unabhängig erklärt und eine "Republik Somaliland" ausgerufen. Dieser Landesteil Somalias wird vom Isaaq-Stamm und dem von diesem getragenen "Somalia National Movement (SNM)" dominiert. Im Raum Mogadischu traten an Stelle der früheren kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Rebellenorganisation "United Somali Congress (USC)" und den dem gestürzten Staatschef Siad Barre ergebenen militärischen Verbänden bewaffnete interne USC-Auseinandersetzungen Hier Kommt es seither zu erbitterten Bürgerkriegsauseinandersetzungen zwischen den USC-Fraktionen des selbst ernannten Interims-Staatspräsidenten und des USC-Vorsitzenden. Selbst nach Friedensgesprächen in New York im Februar 1992 nahmen die Kämpfe noch erheblich zu.

Im übrigen Südsomalia herrscht allgemeine Instabilität und Unsicherheit. Stämme und Sippen unterhalten eigene bewaffnete Organisationen. Dort halten sich ebenfalls gut gerüstete Barre-An-hänger auf, mit denen - selbst bei einem Ende der blutigen Kämpfe in und um Mogadischu - weitere verschärfte Auseinandersetzungen zu erwarten sind.

Die chaotische Lage in Somalia wird noch vestärkt durch Raubüberfälle, Plünderungen und Morde durch bewaffnete Banditen und durch Rauschmittel aufgeputschte Jugend-banden.

Im Zuge all dieser Machtkämpfe und Auseinandersetzungen ist der Staat Somalia zusammengebrochen und befindet sich abseits jeglicher organisierten Gesellschaft (zur Lage in Somalia vgl. a. amnesty international, Bericht vom 12.09.1991, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.10.1991; Neue Züricher Zeitung vom 23.10.1991 und 03.12.1991; Nürnberger Nachrichten vom 30.01.1992; Die Zeit vom 31.01.1992; pogrom Januar/Februar 1992, Somalia: ein geteiltes Land?; Süddeutsche Zeitung vom 12.02.1992; Frankfurter Rundschau vom 14.02.1992; Die Welt vom 17.02.1992; taz vom 18.02.1992).

Hieraus ergibt sich, daß eine Staats- oder staatsähnliche Gewalt, von der eine unmittelbare oder mittelbare Verfolgung ausgehen könnte, in Somalia nicht mehr existiert. Es fehlt somit ein grundsätzliches Kriterium für eine politische Verfolgung i.S. des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und des § 51 Abs. 1 AuslG.

Nach alledem ist festzustellen, daß bei Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt in das Heimatland keine Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG droht.

Aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts besteht auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG.

Die beigefügte Rechtsmittelbelehrung ist Bestandteil dieses Bescheides; sie bezieht sich auf beide Entscheid ungen, die getrennt angefochten werden können.

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