Bundesverfassungsgericht, 14 May 1996

Leitsätze (amtlich):

1.

a)         Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.6.1993 hat der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Grundlage geschaffen, um eine europäische Gesamtregelung der Schutzgewährung für Flüchtlinge mit dem Ziel einer Lastenverteilung zwischen den an einem solchen System beteiligten Staaten zu erreichen.

b)         Der verfassungsändernde Gesetzgeber ist auch in der Gestaltung und Veränderung von Grundrechten, soweit nicht die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG berührt sind, rechtlich frei und gibt dem Bundesverfassungsgericht den Maßstab vor. Das Asylgrundrecht gehört nicht zum Gewährleistungsinhalt von Art. 1 Abs. 1 GG. Was dessen Gewährleistungsinhalt ist und weiche Folgerungen sich daraus für die deutsche Staatsgewalt ergeben, ist eigenständig zu bestimmen.

2.         Art. 16a Abs. 2GG besehränkt den persönlichen Geltungsbereich des in Art. 16a Abs. 1 GG nach wie vor gewährleisteten Grundrechts auf Asyl. Wer aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a. Abs. 2 Satz 1 GG anreist, bedarf des Schutzes der grundrechtlichen Gewährleistung des Abs. 1 in der BR Deutschland nicht, weil er in dem Drittstaat Schutz vor politischer Verfolgung hätte finden können.

3.         Die jeweiligen Mitgliedstaaten der EG sind unmittlbar kraft Verfassung sichere Drittstatten.

4.

a)         Die für eine Bestimmung zum sicheren Drittstaat durch Gesetz (Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG) erforderliche Sicherstellung der Anwendung von GK und EMRK setzt insbesondere voraus, daß der Staat den beiden Konventionen beigetreten ist und nach seiner Rechtsordnung einen Ausländer nicht in den angeblichen Verfolgerstaat abschieben darf, ohne vorher geprüft zu haben, ob ihm dort Verfolgung im Sinne von Art.33 GK oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe öder Behandlung im Sinne von Art.3 EMRK drohen.

b)         Dem Gesetzgeber steht bei der Bestimmung von Staaten zu sicheren Drittstaaten für die Gewinnung der Tatsachengrundlage ein Spielraum bei der Auswahl seiner Erkenntnismittel zu. Die Beurteilung des Gesetzgebers muß sich als vertretbar erweisen.

5.

a)         Der Ausländer, der in den Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden soll, kann den Schutz der BR Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der GK und der EMRK nicht erfüllt würden. Demgemäß kommen für ihn entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten Konzept normativer Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann (insbesondere §§ 51 Abs. 1, 53 AusIG), nicht in Betracht.

b)         Die BR Deutschland hat allerdings Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind.

c)         Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, daß er von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen.

6.

a)         Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG wendet sich nicht nur an den Gesetzgeber sondern auch unmittelbar an Behörden und Gerichte: Rechtsbehelfe gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen sollen keine aufschiebende Wirkung entfalten; Anträge an die zuständigen Gerichte mit dem Ziel, den Vollzug dieser Maßnahmen vorläufig auszusetzen, sollen ohne Erfolg bleiben.

b)         Diese Ausschlußwirkung des Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG reicht nicht über die Grenzen hinaus, die dem Konzept normativer Vergewisserung gesetzt sind.

Aus den Gründen:

A.

Die Verfassungsbeschwerden betreffen den in Art. 16a Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG und § 26a Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.1993 (BGBl. 1 1361) -AsylVfG - geregelten Ausschluß der Berufung auf das Grundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat und im Zusammenhang damit die Regelung über den sofortigen Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen (Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG, § 34a AsylVfG) sowie die gesetzliche Bestimmung Österreichs zu einem sicheren Drittstaat (§ 26a Abs. 2 AsylVfG iVm Anlage 1).

I.

1.         Der durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.6.1993 BGBl. I 1002) anstelle von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG aF in das Grundgesetz eingefügte Art. 16a GG wie auch das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher vorschriften vom 30.6.1993 (BGBl. I 1062) gehen zurück auf den sogenannten Asylkompromiß zwischen CDU/CSU, SPD und FDP vom 6.12.1992 (vgl. Blätter für deutsche und internationale Politik 1993, S. 114). Ziel des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP am 19.1.1993 eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (BT-Drs. 12/4152) sollte es sein, »den wirklich politisch Verfolgten weiterhin Schutz und Zuflucht zu gewähren, aber eine unberechtigte Berufung auf das Asylrecht zu verhindern und diejenigen Ausländer von einem langwierigen Asylverfahren auszuschließen, die des Schutzes deswegen nicht bedürfen, weil sie offensichtlich nicht oder nicht mehr aktuell politisch verfolgt sind. Außerdem ist das Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Verfahrens weiter zu beschleunigen« (vgl. BT-Drs. 12/4152, 3).

Am 11.3.1993 fand zum Entwurf der Grundgesetzänderung eine Anhörung von Sachverständigen durch den Innen- und den Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags sowie die Gemeinsame Verfassungskommission statt (vgl. Sten. Prot. der 55. Sitzung des Innenausschusses, der 7 1. Sitzung des Rechtsausschusses und der 8. Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission). Am 26.5.1993 wurde die zu Art. 16a Abs. 1, 2 und 5 GG unveränderte Vorlage abschließend im Bundestag beraten und fand dort die nach Art. 79 Abs. 2 GG erforderliche Mehrheit (vgl. Plen. Prot. 12/160 S. 13499 ff., 13629 f.). Der Bundesrat stimmte dem Gesetzesbeschluß auf seiner 657. Sitzung am 28.5.1993 zu (vgl. BR-Drs. 352/93). Das Gesetz trat am 30.6.1993 in Kraft.

2.

a)         Am 2.3.1993 brachten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur gesetzlichen Ausfüllung von Art. 16a GG den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften ein (vgl. BTDrs. 12/4450). Nach dem neu in das AsylVfG einzufügenden § 26a AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat iSd Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG in die BR Deutschland eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen und nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. § 31 Abs. 4 des Entwurfs sah vor, daß das Bundesamt in solchen Fällen nur festzustellen habe, dem Ausländer stehe aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zu. Nach § 34a des Entwurfs ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den Drittstaat an, sobald feststeht, daß sie durchgeführt werden kann; sie darf nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 des Entwurfs ist dem Ausländer die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat anreist.

b)         Nach § 26a Abs. 2 des Entwurfs werden die sicheren Drittstaaten außer den Mitgliedstaaten der EG durch den Gesetzgeber festgelegt und in einer Anlage 1 im einzelnen aufgeführt. Für die einzelnen in die Anlage 1 aufzunehmenden Staaten waren vom Bundesministerium des Innern unter Beteiligung des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums der Justiz Prüfberichte erstellt worden. Der Entwurf der Anlage 1 (zu § 26a) nennt ua auch Österreich. Der dazu abgegebene Prüfbericht des Bundesministeriums des Innern vom 4.1.1993 kommt nach ausführlicher Darstellung der Rechtslage in Österreich ua zu dem Ergebnis, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß asyisuchende Ausländer in die behaupteten Verfolgerstaaten oder in Staaten zurückgeschickt würden, die das Refoulementverbot nicht anwendeten. Zwar kritisierte der UNHCR das neue österreichische Asylgesetz; »gravierende Verstöße gegen das Refoulement-Verbot« würden von ihm aber nicht geltend gemacht. Das Auswärtige Amt hatte in seinem Bericht vom 18.12.1992 ua darauf hingewiesen, daß in der österreichischen Verwaltungspraxis eine inforrnelle Liste sicherer Herkunfts- und Transitstaaten angewandt werde; zu den Transitstaaten gehöre auch Ungarn. Asylbewerber, die einen solchen sicheren Staat »transitiert« hätten, könnten an der Grenze zurückgewiesen oder in ihn abgeschoben werden. Zurückweisungen seitens Österreichs erfolgten nur in einen sicheren Transitstaat. Rechtsmittel gegen die Zurückweisung hätten keine aufschiebende Wirung.

c)         Am 24.3.1993 hörte der Innenausschuß des Deutschen Bundestags zu dem Gesetzentwurf Sachverständige an (vgl. Sten. Prot. der 56. Sitzung des Innenausschusses). Ein Antrag der Fraktion der SPD, in § 34a Abs. 2 AsylVfG die Möglichkeit offen zu halten, mit einem Antrag nach § 123 VwGO die Abschiebung in den Drittstaat auszusetzen, wurde im Innenausschuß des Deutschen Bundestages mehrheitlich abgelehnt (vgl. dazu BT-Drs. 12/4984 S. 39, 45, 47 und zuvor schon BT-Drs. 12/4450 S. 15, 24). Der in den hier maßgeblichen Bestimmungen unveränderte Entwurf wurde am 26.5.1993 im Bundestag abschließend beraten (vgl. Plen. Prot. 12/160 S. 13499 ff., 13629 f.). Dabei wurde ein von der Fraktion der SPD erneut eingebrachter Änderungsantrag zu § 34a Abs. 2 des Entwurfs (vgl. BT-Drs. 12/5019) wiederum mehrheitlich abgelehnt (vgl. Plen. Prot. 12/1 60 S. 13629 A). In seiner 657. Sitzung vom 28.5.1993 stimmte der Bundesrat dem Gesetzesbeschluß zu (BR-Drs. 353/93). Das Gesetz trat am 1.7.1993 in Kraft.

II.

1.

a)         Die Bfin. zu 1 ist irakische Staatsangehörige. Sie landete - aus Athen kommend - am 19.8.1993 auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen und suchte bei der Grenzbehörde um Asyl nach. Im Hinblick darauf, daß sie aus Griechenland kam und keinen Paß hatte, wurde sie zurückgewiesen. Hiergegen beantragte sie einstweiligen Rechtsschutz. Mit Beschluß vom 20.8.1993 gab das VG der Grenzbehörde auf, der Bfin. unverzüglich Gelegenheit zur Stellung eines Asylantrags und zur Durchführung eines Asylverfahrens bei der Außenstelle des Bundesamts FrankfurvFlughafen zu geben und bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung nach § 18a AsylVfG von einer Zurückschiebung abzusehen. Die Bfin. wurde daraufhin im Transitbereich des Frankfurter Flughafengebäudes untergebracht. Bei ihrer Anhörung durch die Außenstelle des Landratsamtes des M.-T.-Kreises gab sie an, sie werde als Christin im Irak durch Mitglieder der Baath-Partei verfolgt.

b)         Mit Bescheid vom 24.8.1939 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, daß der Bfin. aufgrund ihrer Einreise aus Griechenland kein Asylrecht zustehe. Weiter wurde entschieden, daß die Bfin. nur nach Griechenland zurückgewiesen oder im Falle der Einreise nur nach Griechenland abgeschoben werden dürfe. Mit Bescheid vom 24.8.1993 verweigerte das Grenzschutzarnt Frankfurt/Main der Bfin. gern. § 18a Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die Einreise mit der Maßgabe, daß die Zurückweisung nach Griechenland erfolge.

c)         Gegen die Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzamts erhob die Bfin. Klage beim VG, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig beantragte sie, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung die Einreise zu gestatten und das Bundesamt zu verpflichten, ein reguläres Asylverfahren ohne Anwendung des § 26a Abs. 1 AsylVfG durchzuführen. Dazu machte sie geltend: Sie sei nicht »aus« einem sicheren Drittstaat eingereist. In Griechenland habe sie keine tatsächliche Möglichkeit gehabt, um Schutz zu bitten. Mit Bescheid vom 7.9.1993 wies das VG F. den Eilantrag zurück.

2.

a)         Der Bf. zu 2 ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste über Ungarn illegal nach Österreich und von dort einen Tag später, am 18.7.1993, in die BR Deutschland ein. Dort beantragte er am 20.7.1993 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid vom 21.7.1993 stellte das Bundesamt fest, daß dem Bf. aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe. Gleichzeitig wurde die Abschiebung nach Österreich angeordnet und auch vollzogen.

b)         Von Österreich aus erhob der Bf. beim VG Klage gegen den Bescheid des Bundesamts und beantragte, ihm unter Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage die Wiedereinreise in die BR Deutschland zu gestatten (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO). Das VG lehnte den Antrag mit Beschluß vom 14.9.1993 als unzulässig ab. § 34a Abs. 2 AsylVfG schließe auch Maßnahmen nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO aus.

c)         Im Anschluß an seine Abschiebung nach Österreich stellte der Bf. bei der Bundespolizeidirektion Salzburg am 27.7.1993 einen Asylantrag. Dazu trug er vor, er werde im Iran wegen seiner Arbeit für die Organisation »Democratic Khalgh« verfolgt. Das österreichische Bundesasylamt lehnte den Antrag ab. Das Vorbringen des Bf. zu seinem Verfolgungsschicksal sei nicht glaubhaft. Daüber hinaus lägen Ausschließungsgründe gern. § 2 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 des (österreichischen) Asylgesetzes (AsylG) vor. Der Bf. sei über den Drittstaat Ungarn illegal nach Österreich eingereist. Ungarn sei Mitgliedstaat der GK und wende diese auch auf nicht-europäische Flüchtlinge an; es hätte den Bf. auch nicht entgegen Art. 3 EMRK abgeschoben. Schließlich könne ihm auch deshalb kein Asyl gewährt werden, weil er bereits in der BR Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, der abgewiesen worden sei.

Mit der Berufung gegen diesen Bescheid machte der Bf. geltend, Ungarn habe die GK nur mit einem regionalen Vorbehalt unterzeichnet und gewähre nur Flüchtlingen aus europäischen Ländern ein dauerndes Aufenthaltsrecht. Die Schutzansprüche nach Art. 3 EMRK und Art. 33 GK seien nicht deckungsgleich. In der BR Deutschland sei über seine Flüchtlingseigenschaft nicht entschieden worden. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof der Republik Österreich den die Berufung zurückweisenden Bescheid des Bundesministeriums für Inneres aufgehoben hatte, ist die Berufung des Bf. mit Bescheid vom 17.8.1995 erneut abgewiesen worden. Diese Entscheidung ist nunmehr ausschließlich darauf gestützt, der Bf. habe nicht glaubhaft gemacht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder der politischen Gesinnung im Iran verfolgt zu werden. Über die dagegen erneut erhobene Beschwerde war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG noch nicht entschieden. Der Bf. hält sich nach wie vor in Österreich auf.

III.

1.         Die Bfin. zu 1 hat gegen die Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzamts sowie gegen den Beschluß des VG Verfassungsbeschwerde erhoben und zugleich den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Durch Beschluß der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13.9.1993 (NVwZ-Beil. 1993, 11) wurde das Grenzschutzamt verpflichtet, die Einreiseverweigerung nicht zu vollziehen und der Bfin. die Einreise in die BR Deutschland zu gestatten. Sie hält sich seitdem im Bundesgebiet auf. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Bfin. vornehmlich eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 3 Abs. 1, 16a Abs. 1, 19 Abs. 4 GG.

2.         Der Bf. zu 2 hat gegen den Bescheid des Bundesamts und gegen den Beschluß des VG Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlaß einer einstweiligem Anordnung beantragt. Mit Beschluß vom 26.10.1993 (NVwZ-Beil. 1994, 3) hat die 1. Kammer des Zweiten Senats den Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Bf. vornehmlich die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 GG.

IV.

Namens der Bundesregierung, die dem Verfahren beigetreten ist, hat sich das Bundesministerium des Innern zu den Verfassungsbeschwerden geäußert.

V.

Für das BVerwG hat sich dessen 9. Senat zu den Verfassungsbeschwerden geäußert. Die Vertreterin des UNHCR in der BR Deutschland hat sich zur völkerrechtlichen Bedeutung des Grundsatzes des Non-Refoulement und zu Rechtslage und Rechtspraxis des Flüchtlingsschutzes in Griechenland und Österreich geäußert.

VI.

In der mündlichen Verhandlung haben die Bf. sowie der Bundesminister des Innern namens der Bundesregierung und deren Bevollmächtigter das schriftsätzliche Vorbringen bekräftigt und vertieft. Auf Bitte des Gerichts hat sich Prof. Dr. Walter Kälin (Universität Bern) in der mündlichen Verhandlung als Sachverständiger zu Fragen der Auslegung und Anwendung der GK und der EMRK - insbesondere zu den in ihnen enthaltenen Reoulement-Verboten - im Zusammenhang mit dem Konzept sicherer Drittstaaten geäußert. Ferner hat das Gericht zu Fragen der Anwendung der beiden Konventionen und des jeweiligen innerstaatlichen Flüchtlingsrechts in Griechenland und Österreich Vertreter des UNHCR und von amnesty international sowie zu einzelnen Aspekten und Problemen der Durchführung von Asylverfahren nach den ab 1.7.1993 geltenden Vorschriften Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland, des Deutschen Caritas-Verbands und Bedienstete des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Auskunftspersonen gehört.

B.

1.         Die Verfassungsbeschwerde der Bfin. zu 1., mit der diese sich zum einen gegen die Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzaints vom 24.8.1993 und den Beschluß des VG vom 7.9.1993, zum anderen - mittelbar - gegen die diesen Hoheitsakten zugrundeliegenden Bestimmungen der asylrechtlichen Drittstaatenregelung wendet, ist Zulässig.

a)         Die im Eilverfahren ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG), der Rechtsweg ist insoweit erschöpft. Die Verfassungsbeschwerde ist aber auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzamts richtet. Zwar hat das VG über die gegen diese Bescheide erhobene Klage noch nicht entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch angesichts der Tragweite der Reform des Asylrechts von allgemeiner Bedeutung (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Sie wirft grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen zur Auslegung und Anwendung von Art. 16a Abs. 2 GG bei Einreise eines AsyIsuchenden aus einem Mitgliedstaat der EG auf. Außerdem schafft eine Entscheidung des BVerfG für Behörden und Gerichte Klarheit in einer Vielzahl gleichliegender Fälle (vgl. BVerfGE 84, 133).

b)         Die Bfin. trägt vor, Bundesamt und VG hätten verkannt, daß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG einschränkend auszulegen sei: Im Drittstaat müsse es rechtlich und tatsächlich möglich gewesen sein, einen Asylantrag zu stellen. Ferner müsse bei Zurückweisung oder Abschiebung in den Drittstaat dort auch tatsächlich Schutz gefunden werden können. Dieses Vorbringen der Bfin. läßt es im Zusammenhang mit ihrer Darstellung der Verhältnisse in Griechenland als möglich erscheinen, daß die angegriffenen Entscheidungen sie in ihrem Asylgrundrecht verletzen.

2.         Die Verfassungsbeschwerde des Bf. zu 2, mit der er sich gegen den Bescheid des Bundesamts vom 21.7.1993 und gegen den Beschluß des VG vom 14.9.1993 sowie mittelbar - gegen die Aufnahme Österreich in die Anlage 1 zu § 26a Abs. 2 AsylVfG und gegen §§ 31 Abs. 4 und 34a Abs. 2 AsylVfG wendet, ist ebenfalls zulässig.

a)         Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts richtet, ergibt sich ihre Zulässigkeit vor Erschöpfung des Rechtswegs auch hier aus § 90 Abs~ 2 Satz 2 BVerfGG. Die Verfassungsbeschwerde wirft grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen zur Auslegung und Anwendung von Art. 16a Abs. 2 GG bei Einreise aus einem »anderen Drittstaat« auf, deren Klärung für die Praxis von Behörden und Gerichten in einer Vielzahl gleichliegender Fälle von erheblicher Bedeutung ist.

b)         Der Regelungsgehalt des Art. 16a Abs. 2 GG ist bisher verfassungsgerichtlich nicht geklärt. Deshalb erscheint es möglich, daß die gemäß §§ 26a, 34a Abs. 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung des Bf. nach Österreich und die auf § 34a Abs. 2 AsylVfG gestützte Ablehnung seines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Vollzug der Abschiebung ihn in seinen Grundrechten aus Art. 16a Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG verletzen.

c)         Soweit die Verfassungsbeschwerde sich mittelbar gegen die Bestimmung Österreich zum sicheren Drittstaat (§ 26a Abs. 2 AsylVfG iVm Anlage 1) wendet, hat sie sich nicht dadurch erledigt, daß Österreich seit dem 1.1.1995 Mitgliedstaat der EG ist. Nach der Sachund Rechtslage zum Zeitpunkt der verfassungsgerichtlichen Entscheidung hängt die Anwendung des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG und der §§ 26a Abs. 1, 31 Abs. 4, 34a AsylVfG freilich nicht mehr davon ab, ob die Bestimmung Österreich zum sicheren Drittstaat in Anlage 1 zu § 26a AsylVfG Bestand hat. Diese Bestimmung war aber Rechtsgrundlage dafür, daß die Abschiebung des Bf. angeordnet und vollzogen und sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt worden ist. Der Bf. hat deshalb ein berechtigtes Interesse an der verfassungsrechtlichen Prüfung, ob die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen sich auf eine gültige Rechtsgrundlage stützen konnten.

C.

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. § 26a AsylVfG iVm § 18 Abs. 2 Nr. 1, § 31 Abs. 4, § 34a Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG sowie die Aufnahme Österreich in die Anlage 1 zu § 26a AsylVfG sind mit den Grundgesetz vereinbar. Die angegriffenen Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzamts sowie die Beschlüsse der VG begegnen im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

I.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.6.1993 ist das Asylgrundrecht vom verfassungsändemden Gesetzgeber neu gestaltet worden. Diese Neugestaltung ist, auch soweit sie Einschnitte gegenüber dem bisherigen Charakter des Grundrechts enthält, als Einheit zu sehen und als solche bei der Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlichen Regelung im einzelnen zugrunde zu legen. Das Grundgesetz gibt der Befugnis und Verantwortung des verfassungsändemden Gesetzgebers auch hinsichtlich der Gestaltung und Veränderung von Grundrechten weiten Raum. Er ist, soweit nicht die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG berührt sind, rechtlich frei und gibt dem BVerfG den Maßstab vor.

Mit der Reform des Asylrechts hat der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Grundlage geschaffen, um durch völkerrechtliche Vereinbarung der Zuständigkeit für die Prüfung von Asylbegehren und die gegenseitige Anerkennung von Asylentscheidungen eine europäische Gesamtregelung der Schutzgewährung für Flüchtlinge mit dem Ziel einer Lastenverteilung zwischen den an einem solchen System beteiligten Staaten zu erreichen (Art. 16a Abs. 5 GG). Unbeschadet derartiger Regelungen auf der Ebene des Völkerrechts berücksichtigt er in Art. 16a Abs. 2 GG die aus den weltweiten Flucht- und Wanderungsbewegungen entstehende Lage und wendet sich deshalb von dem bisherigen Konzept ab, die Probleme, die mit der Aufnahme von politischen Flüchtlingen verbunden sind, allein durch Regelungen des innerstaatlichen Rechts zu lösen. Er geht unverändert von einem Bedürfnis nach Gewährung von Schutz vor politischer Verfolgung aus', verweist aber asylbegehrende Ausländer auf den anderweitigen Schutz, den sie in einem sicheren Drittstaat erlangen können.

1.         Demgemäß kann sich nach' Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG auf das in dessen Abs. 1 gewährleistete Asylgrundrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der EG oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - GK - vom 28.7.1951 (BGBl. 1953 II 560) und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 11953) sichergestellt ist. Drittstaaten außerhalb der EG werden durch Bundesgesetz bestimmt (Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG).

Diese Regelung tritt gegebenenfalls hinter völkerrechtlichen Vereinbarungen im Sinne von Art. 16a Abs. 5 GG zurück. Solche Vereinbarungen sind in Art. 28 bis 38 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14.6.1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der BR Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 19.6.1990 (BGBl. 1993 II 1010) enthalten. Dieses Übereinkommen ist für die Erstunterzeichnerstaaten sowie für die Beitrittsstaaten Spanien und Portugal zum 26.3.1995 in Kraft gesetzt worden (vgl. die Bekanntmachung vom 19.12.1995, BGBl. 1996 II 242). Auf der Ebene der Europäischen Union enthält das Dubliner Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staats für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der EG gestellten Asylantrags vom 15.6.1990 (BGBl. 1994 II 792) vergleichbare Regelungen; es ist allerdings bisher noch nicht in Kraft getreten. Diesen Übereinkommen ist als allgemeine Zielsetzung zu entnehmen, daß immer nur ein Staat für die Prüfung des Asylantrags eines Ausländers zuständig ist. Damit soll zugleich verhindert werden, daß der Ausländer von einem Mitgliedstaat in den anderen abgeschoben wird, ohne daß sich einer dieser Staaten für die Prüfung des Asylantrags für zuständig erklärt. Ferner soll dem Ausländer nach Ablehnung seines Asylantrags die Stellung weiterer Anträge in anderen Mitgliedstaaten verwehrt werden.

Aus dem Asyl-Erfahrungsbericht 1994 des Bundesministeriums des Innern vom 20.6.1995 geht hervor, daß die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG seit Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) in bezug auf Asylsuchende, die aus Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal oder Spanien kommen, »keine Anwendung mehr« findet. Vielmehr prüft das Bundesamt anhand der Kriterien des Art. 30 SDÜ im Einzelfall, ob die Zuständigkeit eines anderen SchengenStaats zur Durchführung des Asylverfahrens gegeben ist. Eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ergeht erst dann, wenn dieser Staat einer Übernahme des Asytsuchenden zugestimmt hat. Damit wird auch nach Auffassung der dazu in der mündlichen Verhandlung gehörten Vertreterin des UNHCR jeweils sichergestellt, daß der Asylsuchende Zugang zu einem Asylverfahren im Drittstaat erhält.

2.         Das vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewählte Konzept der sicheren Drittstaaten beschränkt den persönlichen Geltungsbereich des in Art. 16a Abs. 1 GG nach wie vor gewährleisteten Grundrechts auf Asyl. Die Regelung knüpft an den Reiseweg des Ausländers Folgerungen für dessen Schutzbedürftigkeit: Wer aus einem sicheren Drittstaat iSd Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG anreist, bedarf des Schutzes der grundrechtlichen Gewährleistung des Abs. 1 in der BR Deutschland nicht, weil er in dem Drittstaat Schutz vor politischer Verfolgung hätte finden können. Der Ausschluß vom Asylgrundrecht ist nicht davon abhängig, ob der Ausländer in den Drittstaat zurückgeführt werden kann oder soll. Ein Asylverfahren findet nicht statt. Es entfällt auch das als Vorwirkung eines grundrechtlichen Schutzes gewährleistete vorläufige Bleiberecht. Hieran knüpft Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG die Folge, daß in den Fällen des Satzes 1 aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden können.

3.         Der verfassungsändernde Gesetzgeber sieht mit der Regelung des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den Schutz vor politischer Verfolgung (Art. 16a Abs. 1 GG) als gewährleistet an, wenn der schutzbegehrende Ausländer in einem anderen Staat Aufnahme finden kann, in dem die GK angewendet und insbesondere das Refoulernent-Verbot des Art. 33 GK beachtet wird. Außerdem muß in dem Drittstaat auch die EMRK, insbesondere ihr Art. 3, Anwendung finden; damit trägt das Grundgesetz für die Verweisung auf die Schutzmöglichkeit in anderen Staaten den fließenden Übergängen zwischen asylrechtlich erheblichen Verfolgungsmaßnahmen und unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung Rechnung (vgl. auch Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG und dazu das Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 2 BvR 1507 u.a., EZAR 207 Nr. 1).

a)         Die Mitgliedstaaten der EG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG selbst zu sicheren Drittstaaten bestimmt. Aus der Entstehungsgeschichte -der Norm wie auch aus der Zielsetzung, die der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Drittstaatenregelung verfolgt, ergibt sich, daß die Mitgliedstaaten unmittelbar kraft Verfassung sichere Drittstaaten sind. Der zweite Halbsatz in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (»... in dem die Anwendung... sichergestellt ist«) bezieht sich ausschließlich auf »den anderen Drittstaat«, mithin auf Staaten außerhalb der EG. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß ein Ausländer in allen Mitgliedstaaten der EG generell Schutz vor politischer Verfolgung und vor Weiterschiebung in einen Staat finden kann, in dem ihm politische Verfolgung oder sonstige menschenrechtswidrige Behandlung oder Bestrafung droht; nur für andere Staaten ist diese Annahme noch von der vorgängigen Prüfung abhängig, ob dort ein Schutz entsprechend der GK und der EMRK gewährt wird (vgl. BT-Drs. 12/4152, S. 4).

aa)        Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat sich bei dieser Regelung davon leiten lassen, daß in allen Mitgliedstaaten der EG die beiden Konventionen gelten, ferner davon, daß diese Konventionen auf der Grundlage gemeinsamer Grundüberzeugungen im Rahmen der Flüchtlingspolitik prinzipiell auch angewendet werden (vgl. auch Art. F Abs. 2 EUV): Auch wenn das Asylrecht nicht zu den Grundrechten gehört, die die Union gemäß Art. F Abs. 2 EUV achtet - es ist weder in der EMRK gewährleistet, noch ergibt es sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als eigenes Grundrecht -, wird die Asylpolitik nach Art. K. 1 Nr. 1 EUV von den Mitgliedstaaten als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse betrachtet. Hierfür legt Art. K.2 Abs. 1 EUV fest, daß die Asylpolitik unter Beachtung von EMRK und GK sowie unter Berücksichtigung des Schutzes zu behandeln ist, den die Mitgliedstaaten politisch Verfolgten gewähren. Eine Harmonisierung des Ausländer- und Flüchtlingsrechts zwischen den Staaten der EG steht zwar derzeit noch in den Anfängen. Der verfassungsändernde Gesetzgeber baut aber mit der Regelung des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG auf eine im wesentlichen einheitliche Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten der EG auf diesem Gebiet.

bb)        Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG schreibt den Kreis der Mitgliedstaaten der EG als sichere Drittstaaten nicht auf den Stand zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 30.6.1993 fest. Er erfaßt den jeweils aktuellen Bestand der Mitgliedstaaten. Auch insoweit stützt sich der verfassungsändemde Gesetzgeber auf die in Art. F Abs. 2 EUV niedergelegten Grundsätze sowie auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gemäß Art. K.2 Abs. 1 iVm Art. K. 1 Nr. 1 EUV, denen sich jeder neu in die EU eintretende Staat unterwirft.

Das Erfordernis eines Zustimmungsgesetzes zum jeweiligen Beitrittsvertrag (Art. O EUV; Art. 59 Abs. 2 GG) bietet Gelegenheit, auf die Einhaltung dieser Verpflichtungen durch beitretende Staaten hinzuwirken. Gemäß Art. 23 Abs. 1 GG bleibt für die Mitgliedschaft der BR Deutschland in der EU ein Mindestmaß an Verfassungshomogenität zwischen den Mitgliedstaaten unabdingbar. Wird ein durch Gesetz nach Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG zum sicheren Drittstaat bestimmter Staat Mitglied der EU, so beurteilt sich vom Wirksantwerden seines Beitritts an seine Eigenschaft als sicherer Drittstaat allein nach Art. 16a, Abs. 2 Satz 1 GG. Die Anlage 1 zu § 26a AsylVfG wird insoweit gegenstandslos.

b)         Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG ermächtigt den Gesetzgeber, durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, andere Staaten zu bestimmten, auf die die Vbraussetzungen des Satzes 1 zutreffen. Eine solche Bestimmung setzt voraus, daß in dem Staat die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.

aa)        Davon kann nur die Rede sein, wenn der Staat den beiden Konventionen beigetreten ist. Da die GK gemäß ihrem Art. 1 A Abs. 2 ursprünglich nur auf vor dem 1.1.1951 eingetretene fluchtauslösende Ereignisse anwendbar war und diese Stichtagsregelung erst mit Art, 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.I.1967 (BGBl. 1969 II 1294) entfallen ist, muß der Staat auch diesem Protokoll beigetreten sein. Ferner muß er sich den Kontrollverfahren unterworfen haben, die die Konventionen vorsehen und die dazu bestimmt sind, die Einhaltung der mit ihrer Ratifizierung übernommenen Verpflichtungen zu gewährleisten. Dies gilt zum einen für die in Art. 35 GK vorgesehene Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Amt des UNHCR wenden können. Zum anderen muß sich entsprechend Art. 25 EMRK jedermann wegen einer Verletzung der in dieser Konvention festgelegten Rechte mit der Individualbeschwerde an die Europäische Kommission für Menschenrechte wenden können.

bb)        Ferner müssen die Organe des Staats nach dessen Rechtsordnung verpflichtet sein, die Konventionen auch anzuwenden. Dies setzt voraus, daß der Staat nach seiner Rechtsordnung einen Ausländer nicht in den angeblichen Verfolgerstaat abschieben darf, ohne Vorher geprüft zu haben, ob ihm dort Verfolgung im Sinne von Art. 33 GK oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht.

(1)        Der Staat muß sich bei der inhaltlichen Prüfung der Flüchtlingseigenschaft an den Anforderungen des Refoulement-Verbots gemäß Art. 33 GK iVm der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1 A Nr. 2 GK orientieren. Von einer Sicherstellung der Anwendung kann in der Regel dann nicht mehr gesprochen werden, wenn entweder nach der nationalen Rechtsordnung oder nach politischen Vorgaben Gruppen von Personen von vornherein nicht als Flüchtlinge in Betracht gezogen werden, sei es, daß die GK nur unter einem regionalen Vorbehalt gezeichnet worden ist (vgl. Art. 1 B GK bzw. Art. I Abs. 3 des Protokolls), sei es, daß - etwa aus Gründen außenpolitischer Rücksichtnahme Flüchtlingen aus bestimmten Staaten generell keine Zuflucht gewährt wird.

(2)        Der mit der Bestimmung zum sicheren Drittstaat gemäß Art. 16a Abs. 2 GG einhergehende Ausschluß vom Asylgrundrecht erfordert nicht, daß Ausländern in dem Drittstaat ein Prüfungsverfahren offensteht, das im wesentlichen dem deutschen Asylverfahren entspricht. Schutzsuchenden Ausländern muß es aber nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen im Drittstaat möglich sein, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen (vgl. dazu auch Abschn. 2 Bst. c und d der Londoner Entschließung der für Einwanderungsfragen zuständigen Minister der Mitgliedstaaten der EG zu einem einheitlichen Konzept in bezug auf Aufnahmedrittländer vom 30.11./1.12.1992, abgedruckt in ZDWF-Schriftenreihe Nr. 53, »Art. 16a GG und seine Folgen«, Februar 1993 S. 152).

Allerdings schreibt die GK für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft kein bestimmtes Verfahren vor. Es ist auch nicht ersichtlich, daß sich insoweit eine bestimmte Staatenpraxis herausgebildet hätte, der gemäß Art. 31 Abs. 3 Bst. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 (BGBl. 1985 11 926) Verbindlichkeit beizumessen wäre. So sind etwa die im Jahre 1977 vom Exekutivkomitee des UNHCR in der Entschließung Nr. 8 (XXVIII) verabschiedeten Mindeststandards für das Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht völkerrechtlich bindend geworden. Jedoch sind die Parteien eines völkerrechtlichen Vertrags generell verpflichtet, nach Treu und Glauben (good faith) an der Erreichung der Ziele des Vertrags mitzuwirken. Sie dürfen sich deshalb nicht durch das Unterlassen eines Verfahrens zur Prüfung der Flüchtlingseigenschaft den Verpflichtungen aus der GK faktisch entziehen, zumal nur durch ein in irgendeiner Weise formalisiertes Verfahren festgestellt werden kann, ob eine Abschiebung das Refoulement-Verbot des Art. 33 GK berührt (vgl. Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 1984, S. 165 und 166 f.; ders. in Yearbook of the internationale Institute of Humanitarian Law, 1985, 56; Hannum, Guide to International Human Rights Practice, Second Edition, 1992, S. 221 f.; vgl. auch BVerwGE 7, 333).

Antragsfristen, bei deren Versäumung dem Ausländer der Zugang zu dem Verfahren verwehrt wird, stehen als solche der Bestimmung eines Staats zum sicheren Drittstaat nicht entgegen. Sind Fristen für eine Statusanerkennung versäumt worden, muß jedenfalls die Verpflichtung bestehen, vor einer unmittelbaren oder mittelbaren Abschiebung in den Verfolgerstaat im Einzelfall zu prüfen, ob das Refoulement-Verbot des Art. 33 GK einer solchen Maßnahme entgegensteht. Gleiches gilt, wenn Ausländern nach ihrer Rückführung in den Drittstaat dort - etwa im Hinblick darauf, daß während des ersten Aufenthalts im Drittstaat kein Schutzgesuch gestellt worden und deshalb die dafür festgelegte Antragsfrist abgelaufen ist - ein förmliches Verfahren nicht mehr zur Verfügung steht. Die Drittstaatenregelung hat die Verweisung des Betroffenen auf einen Staat zum Ziel, der Schutz bietet (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 20).

cc)        Auch ein solcher Staat, der seinerseits eine Drittstaatenregelung vorsieht (vgl. dazu auch Art. 29 Abs. 2 Satz 2 SDÜ; Art. 3 Abs. 5 des Übereinkommens von Dublin), kann nkommens von Dublin), kann gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG zum sicheren Drittstaat bestimmt werden. Allerdings darf der Staat nach seiner Rechtsordnung nicht befugt sein, Ausländer in einen solchen Staat abzuschieben, in dem ihnen die Weiterschiebung in den angeblichen Verfolgerstaat droht, ohne daß dort (dh im »Viertstaat«) in einem förmlichen Verfahren geprüft worden ist, ob die Voraussetzungen der Art. 33 GK, Art. 3 EMRK vorliegen, oder ein dementsprechender Schutz tatsächlich gewährleistet ist. Hält sich ein Staat (Drittstaat) zur Weiterschiebung von Flüchtlingen in einen anderen Staat für befugt, obwohl dort diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist die Anwendung der GK im Drittstaat nicht sichergestellt. Denn gemäß Art. 33 Abs. 1 GK darf ein Flüchtling nicht auf irgendeine Weise (»in any manner whatsoever«) über die Grenzen von Gebieten ausgewiesen oder zurückgewiesen werden, in denen ihm Verfolgung droht. Das Refoulement-Verbot verbietet daher neben der unmittelbaren Verbringung in den Verfolgerstaat auch die Abschiebung oder Zurückweisung in solche Staaten, in denen eine Weiterschiebung in den Verfolgerstaat droht. Dies hat der Sachverständige Kälin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt (vgl. auch Zimmermann, Das neue Grundrecht auf Asyl, 1994, S. 171 f. mwN).

dd)        Dem Gesetzgeber ist die Bestimmung von Staaten zu sicheren Drittstaaten durch grundrechtsausfüllendes Gesetz nach den dafür in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG aufgestellten Prüfkriterien als eigenständige Aufgabe anvertraut. Bei den für die Frage der Sicherstellung der Anwendung der beiden Konventionen notwendigen tatsächlichen Feststellungen darf er bei einem Staat, der nach seiner Rechtsordnung und generellen Praxis die Gesetzmäßigkeit seiner Verwaltung grundsätzlich gewährleistet, regelmäßig davon ausgehen, daß die Organe dieses Staats sich an geltendes Recht, also auch an die beiden Konventionen, halten. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn sich eine regelmäßige Nichtbeachtung der beiden Konventionen - sei es allgemein, sei es in bezug auf Flüchtlinge aus bestimmten Staaten - dem Gesetzgeber nahelegen muß.

Dem Gesetzgeber steht bei seinen Beobachtungen und bei seinen durch begründete Bedenken veranlaßten näheren Nachprüfungen ein Spielraum bei der Auswahl seiner Erkenntnismittel zu. In dessen Rahmen hält er sich, wenn er seine Entscheidung auf der Grundlage amtlicher Informationen nationaler und - soweit zugänglich - internationaler Organe und unter Berücksichtigung ihm sonst vorliegender Erkenntnismittel trifft. Bei der Beurteilung der so gewonnenen Tatsachengrundlage nach dem für eine Sicherstellung der Anwendung der beiden Konventionen soeben dargestellten Maßstab steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum zu. Seine Entscheidung muß sich als vertretbar erweisen.

4.         Die Berufung auf das Asylgrundrecht ist gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG für Ausländer ausgeschlossen, die aus einem Mitgliedstaat der EG oder einem anderen sicheren Drittstaat einreisen. In diesem Sinne kommt aus einem Staat, wer dort nach dessen allgemeiner Rechtspraxis, deren sich der Gesetzgeber vergewissert hat (vgl. dazu rgewissert hat (vgl. Dazu unten 5.), Schutz auf der Grundlage der GK hätte finden können; vom Ausländer selbst zu verantwortende Hindernisse, ein Schutzgesuch anzubringen, bleiben außer Betracht.

a)         Für die Beurteilung der Frage, ob der Ausländer »aus« einem Drittstaat eingereist ist, ist von dem tatsächlichen Verlauf seiner Reise auszugehen. So genügt es für die Anwendung von Art. 16a Abs. 2 GG nicht, wenn der Ausländer den Drittstaat mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchfuhr, ohne daß es einen Zwischenhalt gegeben hat. Andererseits greift Art. 16a Abs. 2 GG nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck nicht erst dann ein, wenn sich der Ausländer im Drittstaat eine bestimmte Zeit aufgehalten hat. Vielmehr geht die Drittstaatenregelung davon aus, daß der Ausländer den im Drittstaat für ihn möglichen Schutz in Anspruch nehmen muß und dafür gegebenenfalls auch die von ihm geplante Reise zu unterbrechen hat.

b)         Der sichere Drittstaat muß nicht die letzte Station vor der Einreise des Ausländers in die BR Deutschland gewesen sein. Vielmehr reicht es für die Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG aus, daß der Ausländer sich während seiner Reise irgendwann in einem sicheren Drittstaat befunden hat und dort Schutz nach den Bestimmungen der GK hätte finden können. Er bedarf dann des Schutzes gerade in der BR Deutschland nicht mehr, auch wenn er von dort seine Reise nach Deutschland über Staaten, für die Art. 16a Abs. 2 GG nicht gilt, fortgesetzt hat. Art. 16a Abs. 2 GG nimmt dem Ausländer die Möglichkeit, das Land, in dem er um Schutz nachsuchen will, frei zu wählen.

c)         Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift immer dann ein, wenn feststeht, daß der Ausländer nur über (irgend-)einen der durch die Verfassung oder durch Gesetz bestimmten sicheren Drittstaaten in die BR Deutschland eingereist sein kann; es muß nicht geklärt werden, um welchen sicheren Drittstaat es sich dabei handelt (vgl. auch BVerwG, EZAR 208 Nr. 5 = NVwZ 1996, 197). Da nach der derzeit geltenden Rechtslage (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG und Anlage 1 zu § 26a AsylVfG) alle an die BR Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die BR Deutschland einreisender Ausländer von der Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im einzelnen bekannt ist.

Diese Auslegung folgt allerdings weder aus dem Wortlaut des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG noch aus seiner Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 20), die insoweit keine hinreichend sicheren Rückschlüsse zulassen; hierzu kann auf die Darstellung im soeben erwähnten Urteil des BVerwG verwiesen werden. Die dargestellte Reichweite des Art. 16a Abs. 2 GG ergibt sich aber aus dem mit der Drittstaatenregelung verfolgten Ziel: Art. 16a Abs. 2 Satz I GG geht davon aus, daß in jedem der sicheren Drittstaten Schutz vor politischer Verfolgung hätte gefunden werden können. Reist der Ausländer aus einem dieser sicheren Drittstaaten in die BR Deutschland ein, so bedarf er hier keines asylrechtlichen Schutzes.

5.         Wer aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 GG einreist, kann sich auf Abs. 1 nicht berufen. Damit wird der betroffene Ausländer aus dem persönlichen Geltungsbereich des Grundrechts auf Asyl ausgeschlossen (vgl. oben 2.).

Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG schließt gemäß seinem Wortlaut die Berufung auf das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG aus. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden, kommen für ihn entsprechend der inhaltliehen Reichweite des Art. 16a Abs. 2 GG auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann (insbesondere §§ 51 Abs. 1, 53 AusIG), nicht in Betracht, soweit es sich nicht um die nachstehend (vgl. unten e) beschriebenen konkreten Gefahrenlagen im Drittstaat handelt. Nicht berührt werden hingegen die gegen den Vollzug einer Abschiebungsandrohung gerichteten humanitären und persönlichen Gründe, die zur Erteilung einer Duldung gemäß § 55 AusIG führen können.

a)         Der Regelungsgehalt des Art. 16a Abs. 2 GG folgt aus dem mit dieser Verfassungsnorrn verfolgten Konzept einer normativen Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat. Die Mitgliedstaaten der EG gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung. Andere Staaten können durch den Gesetzgeber aufgrund der Feststellung, daß in ihnen die Anwendung der GK und der EMRK sichergestellt ist, zu sicheren Drittstaaten bestimmt werden (Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG). Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, daß der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der GK und der EMRK gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt; damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der BR Deutschland zu bieten. Insoweit ist die Sicherheit des Flüchtlings im Drittstaat generell festgestellt. Art. 16a Abs. 2 GG sieht nicht vor, daß dies im Einzelfall überprüft werden kann. Folgerichtig räumt Satz 3 des Art. 16a Abs. 2 GG den Behörden kraft Verfassungsrechts die Möglichkeit ein, den Flüchtling in den Drittsraat zurückzuschicken, ohne daß die Gerichte dies im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verhindern dürfen. Auch ein Vergleich mit Art. 16a Abs. 3 GG macht deutlich, daß eine Prüfung der Sicherheit eines Ausländers im Drittstaat im Einzelfall nicht stattfindet. Gemäß Art. 16a Abs. 3 GG kann der aus einem sicheren Herkunftsstaat kommende Asylbewerber die Vermutung, er werde dort nicht politisch verfolgt, durch individuelles Vorbringen ausräumen. Art. 16a Abs. 2 GG enthält keine vergleichbare Regelung. Das ist auch der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers und der Sinn des Konzepts normativer Vergewisserung; denn dieses soll die Grundlage dafür bieten, den schutzbegehrenden Ausländer im Interesse einer effektiven Lastenverteilung alsbald in den Drittstaat zurückzuführen. Die Frage ist auch im Gesetzgebungsverfahren mehrfahr erörtert worden (vgl. hierzu aus der Sachverständigenanhörung insbesondere die Stellungnahme des Vertreters des UNHCR, Sten. Prot. der 55. Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags, S. 27 ff. und 190 f.).

b)         Neben Art. 16a Abs. 1 GG, der das Asylrecht als absolutes Bleiberecht grundrechtlich gewährleistet, verleiht § 51 Abs. 1 AusIG dem Ausländer eine relative Schutzposition (vgl. § 50 Abs. 3 AusIG), die ihn davor bewahrt, in einen Staat abgeschoben zu werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Damit trägt das deutsche Ausländerrecht dem Refoulementverbot des Art. 33 GK Rechnung.

Die nonnative Vergewisserung über die Sicherheit eines Drittstaats erstreckt sich - wie dargelegt - darauf, daß dieser Staat Flüchtlingen Schutz nach der GK gewährt. Soll der in der BR Deutschland um Schutz nachsuchende Ausländer daher in den Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden, so kommt diese aus § 51 Abs. 1 AusIG sich ergebende materielle Rechtsposition regelmäßig nicht in Betracht, weil in dem Drittstaat generell die Beachtung des Refoulement-Verbots der GK erwartet werden kann. Soll der Ausländer dagegen in seinen Herkunftsstaat oder in einen anderen Staat, der nicht sicherer Drittstaat ist, abgeschoben werden, so sind die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AusIG stets zu prüfen. Dies bleibt von dem Konzept der nortnativen Vergewisserung über die Sicherheit des Drittstaats unberührt.

Das AsylVfG zieht aus dieser mit Art. 16a Abs. 2 GG geschaffenen Rechtslage Folgerungen: Es bestimmt in § 34a Abs. 1 Satz 1, daß das Bundesamt eine Abschiebungsanordnung in den sicheren Drittstaat auch dann erläßt, wenn der Ausländer den Asylantrag auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AusIG beschränkt hat. Dies bedeutet, daß bei Erlaß der Abschiebtingsanordnung Abschiebungshindernisse nach dieser Vorschrift nicht geprüft werden. Vielmehr wird in den Fällen des § 26a AsylVfG bei der Zurückweisung an der Grenze (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG), der Zurückschiebung (§§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 3 AsylVIU) oder der Ablehnung des Asylantrags durch das Bundesamt (§ 31 Abs. 4 AsylVfG) im Hinblick auf die Einreise aus einem sicheren Drittstaat zugleich davon ausgegangen, daß eine Schutzgewährung nach § 51 Abs. 1 AusIG nicht in Betracht kommt (vgl. ansonsten §§ 60 Abs. 5 Satz 1, 61 Abs. 3 AusIG, § 31 Abs. 2 AsylVfG).

c)         Auch § 53 AusIG bewahrt den Ausländer vor der Abschiebung in bestimmte Staaten und vermittelt eine relative Schutzposition. Indes umfaßt die normative Vergewisserung über die Sicherheit eines Drittstaats die generelle Feststellung, daß einem Ausländer, der diesen Staat als Flüchtling erreicht, der Schutz der EMRK gewährt wird. Soll der in der BR Deutschland um Schutz nachsuchende Flüchtling daher in diesen Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden, so entfällt deshalb auch eine gesonderte Prüfung der in § 53 AusIG geregelten Abschiebungshindernisse, soweit diese aus der EMRK folgen (§ 53 Abs. 1 und 4 AusIG iVm Art. 3 EMRK). Gegen die Verbringung in einen sicheren Drittstaat kann sich der Ausländer grundsätzlich auch nicht dadurch wenden, daß er sich auf ein Abschiebungshindemis im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AusIG beruft. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfaßt auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in einen sicheren Drittstaat auch insoweit nicht.

Das AsylVfG hat auch dies aufgenommen. § 31 Abs. 4 bestimmt, daß in Fällen der Ablehnung eines Asylantrags wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nur festzustellen ist, daß dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Damit schließt § 31 Abs. 4 die gemäß §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG in anderen Fällen der Entscheidung über einen Asylantrag gebotene Prüfung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AusIG aus.

d)         Nach allem kann der Ausländer, der in den Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden soll, den Schutz der BR Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung die Verpflichtung aus der GK und der EMRK nicht erfüllt würden. Der Ausländer ist mithin mit einer Behauptung ausgeschlossen, in seinem Fall werde der Drittstaat - entgegen seiner sonstigen Praxis - Schutz verweigern. Der Ausländer kann sich auch nicht darauf berufen, ein - niemals völlig auszuschließendes - Fehlverhalten der Behörden im Drittstaat könne in seinem Fall zu einer Weiterschiebung in den Herkunftsstaat führen.

e)         Die BR Deutschland hat allerdings Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 oder § 53 AusIG durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. So kann sich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 2 AusIG (§§ 60 Abs. 5 Satz 1, 61 Abs. 3 AusIG) berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er einer Abschiebung in den Drittstaat § 53 Abs. 6 Satz 1 AusIG etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, daß er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaats steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, daß sich die für die Qualifzierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfaßt vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird (vgl. in diesem Sinne auch Abschn. 2 Bst. a und b der bereits erwähnten Londener Entschließung der EG-Einwanderungsminister über Aufnahmedrittländer vom 30.11./1.12.1992). Schließlich kann sich - im seltenen Ausnahmefall - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, daß der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, daß er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die ihn begründenden Umstände sich schon im Kontakt zwischen deutschen Behörden und Behörden des Drittstaats ausräumen lassen.

Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer freilich nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, daß er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen.

f)          Unbeschadet der Ausführungen zu e) kann es sich auch sonst nahelegen, daß die deutschen Behörden vor einer Zurückweisung oder Rückverbringung des Ausländers in den Drittstaat mit den dort zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen, wie dies derzeit schon unter den Vertragsstaaten des Schengener Durchführungsübereinkommens geschieht.

6.         Gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG können in den Fällen des Satzes 1 aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden. Die Vorschrift wendet sich nicht nur an den Gesetzgeber sondern auch unmittelbar an Behörden und Gerichte. Sie knüpft von Verfassungs wegen an den Ausschluß vom persönlichen Geltungsbereich des Asylgrundrechts gemäßrt. 16a Abs. 2 Satz 1 GG und den damit einhergehenden Wegfall eines vorläufigen Bleiberechts Rechtsfolgen für das Verfahren der Vollziehung von Maßnahmen, die den Ausländer in einen sicheren Drittstaat zurückführen sollen: Rechtsbehelfe gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen sollen keine aufschiebende Wirkung entfalten; Anträge an die zuständigen Gerichte mit dem Ziel, den Vollzug dieser Maßnahme vorläufig auszusetzen, sollen ohne Erfolg bleiben.

a)         »Aufenthaltsbeendende Maßnahmen« sind nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmung - ebenso wie in Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG (vgl. dazu das Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 2 BvR 1516/93 unter C. 1. 1. b aa, EZAR 632 Nr. 25) nicht nur solche Maßnahmen, die im Sinne des Ausländerrechts einen nach Einreise (vgl. § 59 Abs. 2 AusIG) begründeten Aufenthalt im Bundesgebiet beenden sollen (vgl. §§ 42 ff. AuslG; §§ 34 ff. AsylVfG). Von Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG werden vielmehr auch solche Maßnahmen erfaßt, die einen Ausländer an einer Einreise im Rechtssinne und Aufenthaltsbegründung hindern sollen (vgl. §§ 60, 61 AuslG; §§ 18 Abs. 2 und 3, 18a Abs. 3 Satz 1, 19 Abs. 3 AsylVfG).

b)         Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG gilt nach Wortlaut und Sinnzusammenhang nicht, wenn der Ausländer nicht in einen sicheren Drittstaat sondern in seinen Herkunftsstaat zurückge wiesen oder zurückverbracht werden soll. Nur für den Drittstaat hat sich der Gesetzgeber bei den Mitgliedstaaten der EG der verfassungsändernde Gesetzgeber - vergewissert, daß der Ausländer dort Schutz vor politischer Verfolgung finden kann. Erst auf der Grundlage dieser Vergewisserung ist es gerechtfertigt, den Ausländer alsbald und unabhängig von einem gegen die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingelegten Rechtsbehelf in den Drittstaat zurückzubringen und so die Lasten, die mit der großen Zahl von Asylanträgen in der BR Deutschland verbunden sind, in sofort wirksam werdender Weise zu verteilen.

c)         Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG macht die sofortige Vollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen und den Ausschluß der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Gerichte davon abhängig, daß ein Fall des Satzes 1 gegeben ist.

aa)        Hierfür muß feststehen, daß der Ausländer aus einem Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG angereist ist. Besteht Streit darüber, ob der Ausländer unter den oben unter 4. dargelegten Voraussetzungen über einen Drittstaat in die BR Deutschland gelangt ist, treten die Rechtsfolgen des Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG nicht ein. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn das Vorbringen des Ausländers den Reiseweg über einen sicheren Drittstaat als ernstlich zweifelhaft erscheinen läßt.

bb)        Der in Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG bestimmte Ausschluß der aufschiebenden Wirkung jeglichen Rechtshehelfs verlangt innerhalb der Reichweite des Konzepts normativer Vergewisserung auch dann Beachtung, wenn sich der Ausländer auf seine relativen materiellen Rechtspositionen als Ausländer beruft oder wenn er - etwa im Hauptsacheverfahren - vorträgt, daß der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Staats zum sicheren Dritistaat die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen nicht beachtet habe, ja selbst wenn das Gericht sich zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG entschließt. Die Ausschlußwirkung des Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG reicht indes nicht über die Grenzen hinaus, die dem Konzept normativer Vergewisserung gesetzt sind (vgl. oben 5. e). Lassen sich die Hinderungsgründe, die einer Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung des Ausländers in den Drittstaat ausnahmsweise entgegenstehen, von den zuständigen deutschen Behörden nicht durch Rückfragen und Zusicherungen der zuständigen Behörden des Drittstaats ausräumen, so gestattet es die Verfassung, daß das VG auf Antrag des Ausländers den Vollzug der Verbringung in den Drittstaat vorläufig aussetzt, sofern nicht die Behörden hierzu schon von sich aus bereit sind.

II.

Die Neuregelung des Grundrechts auf Asyl in Art. 16a GG durchbricht nicht die Schranken des Art. 79 Abs. 3 GG. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat auch den Erfordernissen des Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG entsprochen.

1.

a)         Art. 79 Abs. 3 GG verbietet Verfassungsänderungen, durch welche die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden. Dazu gehört nicht nur der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde. Auch das in Art. 1 Abs. 2 GG enthaltene Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit erlangt insoweit Bedeutung; in Verbindung mit der in Art. 1 Abs. 3 GG enthaltenen Verweisung auf die nachfolgenden Grundrechte sind deren Verbürgungen insoweit einer Einschränkung grundsätzlich entzogen, als sie zur Aufrechterhaltung einer dem Art. 1 Abs. 1 und 2 GG entsprechenden Ordnung unverzichtbar sind. Ebenso sind grundlegende Elemente des Rechts- und des Sozialstaatsprinzips, die in Art. 20 Abs. 1 und 3 GG zum Ausdruck kommen, zu achten. Bei alledem verlangt Art. 79 Abs. 3 GG allerdings nur, daß die genannten Grundsätze nicht berührt werden. Er hindert den verfassungsändemden Gesetzgeber dagegen nicht, die positivrechtliche Ausprägung dieser Grundsätze aus sachgerechten Gründen zu modifizieren (vgl. BVerfGE 84, 90, 120 f.).

b)         Wie grundsätzlich jede Bestimmung der Verfassung, steht auch das Grundrecht auf Asyl zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers (Art. 79 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG). Die dem verfassungsändemden Gesetzgeber durch Art. 79 Abs. 3 GG gezogene Grenze, nach der die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze nicht berührt werden dürfen, wird nicht dadurch verletzt, daß Ausländern Schutz vor politischer Verfolgung nicht durch eine grundrechtliche Gewährleistung geboten wird. Allerdings hat das BVerfG zur Bestimmung des Begriffs der politisch Verfolgten in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG aF ausgeführt, dem Asylgrundrecht liege die von der Achtung der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmte Überzeugung zugrunde, kein Staat habe das Recht Leib, Leben oder persönliche Freiheit aus Gründen zu gefährden oder zu verletzen, die allein in der politischen Überzeugung, in der religiösen Grundentscheidung oder in unverfügbaren Merkmalen lägen (vgl. BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20; siehe auch schon BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1; BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20). Daraus läßt sich indes nicht der Schluß ziehen, daß das Asylgrundrecht zum Gewährleistungsinhalt von Art. 1 Abs. 1 GG gehört. Was dessen Gewährleistungsinhalt ist und welche Folgerungen sich daraus für die deutsche Staatsgewalt ergeben, ist eigenständig zu bestimmen.

Ist mithin der verfassungsändemde Gesetzgeber nicht gehindert, das Asylgrundrecht als solches aufzuheben, ergibt sich ohne weiteres, daß die Regelung des Art. 16a GG, die durch Absatz 2 Sätze 1 und 2 den persönlichen Geltungsbereich des Grundrechts zurücknimmt, durch Absatz 3 den verfahrensbezogenen Gewährleistungsinhalt beschränkt, durch Absatz 2 Satz 3 und Absatz 4 die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG umgestaltet und endlich durch Absatz 5 eine Grundlage für die europaweite Regelung des Flüchtlingsschutzes im Wege völkerrechtlicher Vereinbarungen schafft, sich innerhalb der Grenzen einer zulässigen Verfassungsänderung hält.

c)         Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG enthält eine Sonderregelung für das Verfahren der Aufenthaltsbeendigung nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat. Damit wird Art. 19 Abs. 4 GG modifiziert. Ob die in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze ein rechtsstaatliches Prinzip individuellen Rechtsschutzes, das in Art 19 Abs. 4 GG konkretisiert ist, für unabänderlich erklären (vgl. BVerfGE 30, 1, 39 ff.), kann offen bleiben. Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG berührt einen solchen Grundsatz jedenfalls nicht. Dies gilt zumal im Hinblick darauf, daß der Ausländer zwar ohne vorgänge Prüfung durch eine weitere Kontrollinstanz sofort in den sicheren Drittstaat zurückverbracht wird, dieser Maßnahme aber eine normative Vergewisserung über die Sicherstellung der Anwendung der GK und der EMRK in dem Drittstaat vorangegangen ist.

2.         Dem Gebot des Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG, die Verfassungsänderung - hier die Modifikation des Art. 19 Abs. 4 GG durch Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG - im Text des Grundgesetzes selbst kenntlich zu machen, ist durch die Einfügung des Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG in den Text der Verfassung entsprochen.

III.

1.         Die mit der Verfassungsbeschwerde der Bfin. zu 1 angegriffenen Hoheitsakte und die ihnen zugrundeliegenden Vorschriften des AsylVfG halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand.

a)         Im Verfahren der Bfin. zu 1 liegen den angegriffenen Hoheitsakten die Vorschriften des § 26a Abs. 1 iVm §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 18a Abs. 1 Satz 6 und des § 34a Abs. 1 AsylVfG zugrunde. Sie sind in Ausfüllung der Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG ergangen und mit dem Grundgesetz vereinbar.

aa)        Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat iSd Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Damit wiederholt diese Vorschrift den bereits von Verfassungs wegen eintretenden Ausschluß solcher Ausländer aus dem persönlichen Geltungsbereich des Asylgrundrechts, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen.

bb)        § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG (§ 18a Abs. 1 Satz 6 AsylVfG) ermöglicht es, dem Ausländer die Einreise zu verweigern, sofern er aus einem sicheren Drittstaat einreisen will. Ist der Ausländer aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) eingereist und soll er dorthin abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, daß sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AusIG beschränkt oder vor der Entscheidung des Bundesamts zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

Die genannten Vorschriften halten sich im Rahmen der Verfassung. Bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat kann der Ausländer sich gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf das Asylgrundrecht berufen. Er hat deshalb keinen Anspruch auf Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung, ob er Inhaber des Grundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG ist. und demzufolge auch kein vorläufiges Bleiberecht als Vorwirkung des grundrechtlichen Schutzes. Der Gesetzgeber kann deshalb vorsehen, daß die Aufenthaltsbeendigung in den sicheren Drittstaat unmittelbar durchgeführt wird. Von der jeweils zuständigen Behörde zu prüfende Abschiebungshindernisse gemäß §§ 51 Abs. 1, 53 AusIG - gegebenenfalls iVm §§ 60 Abs. 5 Satz 1, 61 Abs. 3 AusIG - kommen nicht in Betracht. Soweit in oben näher beschriebenen Ausnahmefällen (vgl. 1. 5. e) Einwendungen des Ausländers gegen seine Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat geltend gemacht werden können, sehen §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 3, 31 Abs. 4, 34a Abs. 1 AsylVfG im Rahmen des normativen Vergewisserungskonzepts eine solche Prüfung zwar nicht vor; sie schließen sie aber für die genannten Ausnahmefälle auch nicht aus.

b)         Die Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzarnts vom 24.8.1993 und der Beschluß des VG vom 7.9.1993 verletzen die Bfin. zu 1. nicht in ihren grundgesetzlich geschützten Rechten.

aa)        Das Bundesamt hat die Ablehnung des Asylantrags der Bfin. als offensichtlich unbegründet und die Feststellung, daß der Bfin. aufgrund ihrer Einreise aus Griechenland kein Asylrecht zustehe, ausdrücklich damit begründet, daß die Bfin. aus einem Mitgliedstaat der EG (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 AsylVfG) auf dem Frankfurter RheinMain-Flughafen angekommen sei. Sie könne sich deshalb auf Art. 16a Abs. 1 GG nicht berufen. Der Beschluß des VG vorn 20.8.1993, aufgrund dessen der Bfin. Gelegenheit zur Stellung eines Asylantrags und Durchführung eines Asylverfahrens gegeben worden ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der Ausschluß der Bfin. vom persönlichen Geltungsbereich des Asylgrundrechts beruht unmittelbar auf Verfassungsrecht.

Dem Einwand der Bfin., sie sei nicht iSd Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG aus einem sicheren Drittstaat eingereist, weil ihre Schlepper ihr während ihres Aufenthalts in Griechenland keine Möglichkeit gelassen hätten, dort einen Asylantrag zu stellen, brauchte das Bundesamt von Verfassungs wegen nicht nachzugehen. Die tatsächlichen Umstände des von der Bfin. geschilderten Aufenthalts in Griechenland - Einreise mit der Eisenbahn aus der Türkei, Weiterreise mit dem Flugzeug nach zweistündigem Aufenthalt in Athen lassen begründete Zweifel an der Möglichkeit, daß die Bfin. in Griechenland ein Schutzgesuch hätte stellen können, nicht erkennen.

Auch die weitere Entscheidung des Bundesamts, mit der es die Zurückweisung, hilfsweise die Abschiebung der Bfin. nach Griechenland angeordnet hat (vgl. § 34a Abs. 1 AsylVfG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid ausgeführt, die Rückführung der Bfin. in den Drittstaat könne ohne Prüfung ihrer Asylgründe »oder sonstiger Einwendungen« erfolgen. Dies ist nach dem dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstab unbedenklich. Die Behauptung, Griechenland sei kein sicherer Drittstaat, da die Gefahr bestehe, von dort im Wege der Kettenabschiebung über die Türkei zurück in den Verfolgerstaat verbracht zu werden, kann im Hinblick auf die der Drittstaatenregelung zugrundeliegende normative Vergewisserung über den in Griechenland möglichen Schutz nicht mehr Gegenstand einer Einzelfallprüfung sein.

bb)        Die ebenfalls angegriffene Verfügung des Grenzschutzamts vom 24.8.1993, mit der der Bfin. im Hinblick auf die Ablehnung ihres Asylantrags als offensichtlich unbegründet die Einreise in die BR Deutschland verweigert und zugleich ihre Zurückweisung nach Griechenland ausgesprochen worden ist, beruht auf Vorschriften des AsylVfG, gegen die wie vorstehend dargelegt - keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

cc)        Der angegriffene Beschluß des VG im Eilverfahren hat die sofortige Vollziehbarkeit der Einreiseverweigerung und der Zurückweisung der Bfin. nach Griechenland durch das Grenzschutzamts (§§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 18a Abs. 1 Satz 6 AsylVfG iVm § 26a Abs. 1 AsylVfG) bestätigt, die sich ihrerseits auf den verfassungsrechtlich unbedenklichen Bescheid des Bundesamts stützt. Auch das läßt keine verfassungsrechtlichen Mängel erkennen.

2.         Die vorn Bf. zu 2 mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Hobeitsakte und die ihnen zugrundeliegenden Vorschriften des AsylVfG sind ebenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar.

a)         Die Bestimmung Österreichs zum sicheren Drittstaat (Anlage 1 zu § 26a AsylVfG) sowie §§ 31 Abs. 4, 34a Abs. 2 AsylVfG sind verfassungsgemäß.

aa)        Die Aufnahme Österreichs in die Liste der anderen sicheren Drittstaaten (Anlage 1 zu § 26a) ist entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. oben 1. 3. b) vorgenommen worden.

(1)        Österreich ist der GK, dem ergänzenden Protokoll von 1967, und der EMRK ohne Vorbehalte beigetreten. Die beiden Konventionen sind in innerstaatliches Recht umgesetzt: Für die Verpflichtungen aus der GK ergibt sich dies zum einen aus dem Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1991, BGBl. für die Republik Österreich 1992, S. 35 1), zum anderen aus dem Bundesgesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden (Frerndengesetz - FrG, BGBl. für die Republik Österreich 1992, S. 4633). Die EMRK - einschließlich des in ihr vorgesehenen Individualbeschwerdeverfahrens - gilt in Österreich unmittelbar als innerstaatliches Verfassungsrecht. In der österreichischen Rechts- und Verfassungsordnung ist die Bindung der Verwaltung und der Gerichte an die zur Umsetzung der beiden Konventionen erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften gewährleistet. Dem entspricht auch die generelle Rechtspraxis in Österreich. Ein solcher Standard war im übrigen auch Grundlage des am 1.1.1995 wirksam gewordenen Beitritts Österreich zu den EG (vgl. Art. F Abs. 2 EUV).

(2)        Einzelheiten über die Rechtslage in Österreich, die für die Beurteilung durch den deutschen Gesetzgeber am Maßstab des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG erheblich waren, ergeben sich aus dem Prüfbericht des Bundesministeriums des Innem vom 4.1.1993. Dieser beruht im wesentlichen auf einem Bericht des Auswärtigen Amts vom 18.12.1992 sowie auf den Jahresberichten von amnesty international von 1991 und 1992. Danach ist der Gesetzgeber - verfassungsrechtlich unbedenklich - davon ausgegangen, in Österreich sei sichergestellt, daß kein Flüchtling in den potentiellen Verfolgerstaat zurückgeschickt werde, ohne daß zuvor in einem förmlichen Verfahren geprüft worden sei, ob ihm dort Gefahren der in Art. 33 GK und Art. 3 EMRK genannten Art drohen. Im einzelnen ergibt der Prüfbericht folgendes:

Gemäß § 2 Abs. 1 des österreichischen Asylgesetzes (AsylG) gewährt Österreich Flüchtlingen Asyl. Die Definition des Flüchtlings nach § 1 Nr. 1 AsylG deckt sich im wesentlichen mit derjenigen der GK. Asylbewerber, die direkt aus dem Verfolgerstaat einreisen und innerhalb einer Woche einen Asylantrag stellen, sowie Asylbewerber, die gemäß § 37 Abs. 1 und 2 des österreichischen Fremdengesetzes (FrG) nicht zurückgewiesen werden dürfen, erhalten eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (§§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 AsylVfG). Diese endet, wenn das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist oder wenn ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung der Asylbehörde keine aufschiebende Wirkung hat (§ 7 Abs. 3 AsylG). Gemäß § 37 Abs. 1 FrG sind Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er dort der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung ferner unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort das Leben des Fremden oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Mit diesen Vorschriften trägt Österreich den mit dem Beitritt zur GK und zur EMRK eingegangenen Verpflichtungen, insbesondere den Refoulement-Verboten des Art. 33 GK und des Art. 3 EMRK, Rechnung.

Ist der Asylbewerber nach Ablehnung seines Asylantrags vollziehbar ausreisepflichtig, so richtet sich das weitere Verfahren nach dem Fremdengesetz. Im Verfahren der Aufenthaltsbeendigung ist auf Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG zu prüfen, ob Abschiebungsverbote nach § 37 Abs. 1 und 2 FrG vorliegen. Bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag darf eine Abschiebung in den im Antrag bezeichneten Staat nicht durchgeführt werden. In den Fällen der Zurückweisung oder Zurückschiebung an der Grenze (§§ 32, 35 FrG) sind Gründe eines Refoulement-Verbots von Amts wegen zu prüfen; der Ausländer kann sich auf sie berufen (§ 37 Abs. 3 FrG).

Diese Rechtslage entspricht den Anforderungen des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG. Nach den allgemeinen Verhältnissen in Österreich durfte der deutsche Gesetzgeber auch davon ausgehen, daß die zuständigen Behörden und Gerichte in Österreich sich an die zur Umsetzung der beiden Konventionen erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften halten. Zwar hat der Vertreter des UNHCR in Wien ausweislich des Berichts des Auswärtigen Amts vom 18.12.1992 Kritik an einzelnen Punkten des neuen österreichischen Asylrechts geübt. »Gravierende Verstöße« gegen das gesetzlich verankerte Refoulement-Verbot hat der Vertreter des UNHCR jedoch nach der Darstellung des Auswärtigen Amts nicht geäußert. Bei dieser Sachlage bestand für den Gesetzgeber keine Veranlassung, etwaigen Bedenken gegen eine Sicherstellung der Anwendung der GK und der EMRK in Österreich näher nachzugehen. Die vom BVerfG im vorliegenden Verfahren eingeholten schriftlichen und mündlichen Auskünfte insbesondere des UNHCR - haben diese Einschätzung des Gesetzgebers im wesentlichen bestätigt.

(3)        Österreich wendet seinerseits eine Regelung über sichere Drittstaaten an. Auch dies hinderte den deutschen Gesetzgeber jedoch nicht daran, Österreich zum sicheren Drittstaat zu bestimmen. Das gilt auch im Hinblick auf Ungarn, das in der österreichischen Verwaltungspraxis als sicherer Drittstaat angesehen wird.

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 AsylG wird einem Flüchtling in Österreich kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sein Asylantrag ist dann als offensichtlich unbegründet anzusehen (§ 17 Abs. 3 Nr. 3 AsylG). Auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 AsylG hat sich - wie in der mündlichen Verhandlung im einzelnen erläutert worden ist - in Österreich die Praxis entwickelt, daß grundsätzlich nur Staatsangehörige von unmittelbar an Österreich angrenzenden Staaten auf dem Landweg »direkt« im Sinne von § 6 Abs. 1 AsylG einreisen können. Da alle Nachbarstaaten Österreich nach einer von den Behörden angewandten informellen Liste als sichere Herkunftsund Transitstaaten angesehen werden, werden Staatsangehörige anderer Länder unter Verweigerung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung in den Drittstaat - auch nach Ungarn zurückgewiesen.

Auch in Ungarn ist gewährleistet, daß ein Ausländer nicht ohne jede Prüfung der Voraussetzungen von Art. 33 GK und Art. 3 EMRK unmittelbar oder mittelbar in den angeblichen Verfolgerstaat weitergeschoben wird. Zwar hat Ungarn die GK und das Protokoll von 1967 lediglich mit einem Europavorbehalt nach Art. 1 B Nr. 1 Bst. a GK gezeichnet. Demzufolge kennt die ungarische Rechtsordnung kein Prüfungsverfahren für nicht-europäische Flüchtlinge. Dieser Mangel wird auch nicht dadurch ausgeglichen, daß Ungarn die EMRK ohne Vorbehalt ratifiziert hat. Die Schutzbereiche der beiden Konventionen decken sich nicht. Jedoch besteht zwischen dem UNHCR und der ungarischen Regierung eine informelle Vereinbarung über die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft von nicht-europäischen Asylbewerbern. Diese werden auf ihren Wunsch von den ungarischen Behörden an die Vertretung des UNHCR in Budapest verwiesen. Dort werden die Ast. von Beamten des UNHCR angehört, und es wird auf der Grundlage dieser Anhörung über ihre Flüchtlingseigenschaft entschieden. Wird der Antrag abgelehnt, hat der Ast. die Möglichkeit, diese Entscheidung noch einmal überprüfen zu lassen. Grundsätzlich besteht für nicht-europäische Asylbewerber die Möglichkeit, bis zu einer Entscheidung des UNHCR über ihre Flüchtlingseigenschaft in Ungarn zu bleiben. Bejaht der UNHCR die Flüchtlingseigenschaft, erhält der Ast. ein befristetes Aufenthaltsrecht, um ein Aufnahmeland zu finden. Diese Praxis hat die Vertreterin des UNHCR in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Nachdem der Vertreter des UNHCR in Wien gemäß dem Bericht des Auswärtigen Amts vom 18.12.1992 auch in bezug auf die Behandlung Ungarn als sicherer Drittstaat keine gravierenden Verstöße Österreichs gegen das Refoulement-Verbot geltend gemacht hatte, bestand bei dieser Sachlage für den deutschen Gesetzgeber keine Veranlassung, vor der Bestimmung Österreichs zum sicheren Drittstaat in eine weitere Prüfung einzutreten. Es mußte sich dem deutschen Gesetzgeber nicht aufdrängen, Österreich behandele Ungarn als sicheren Drittstaat, ohne sich selbst vergewissert zu haben, daß dort auch außereuropäische Flüchtlinge Schutz nach Art. 33 GK finden können. Ein solcher Anlaß zu weiterer Nachprüfung ergab sich auch nicht aus der Äußerung des österreichischen Innenministers vom 22.1.1991, das Refoulement-Verbot gelte nur im Verhältnis zu jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden solle, und es sei nicht Aufgabe der österreichischen Behörden zu prüfen, ob ein anderer Staat einem Fremden den Zugang zu einem Asylverfahren biete oder ob er, wie Ungarn, aus anderen Gründen keine Abschiebung vornehme. Unbeschadet der Frage, ob diese Äußerung im Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens im Jahre 1993 noch aktuell war, ergibt sich aus ihr, daß im Ergebnis seitens Österreichs doch auf die Einhaltung des Refoulement-Verbots in Ungarn abgestellt worden ist.

Aus den schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen der Vertreterin des UNHCR im vorliegenden Verfahren läßt sich im übrigen trotz kritischer Äußerungen zu Einzelfragen des Schutzes für nicht-europäische Flüchtlinge in Ungarn ebenfalls nicht die Feststellung entnehmen, Österreich verletze im Hinblick auf seine Praxis der Zurückweisung nach Ungarn seine Verpflichtungen aus Art. 33 GK.

bb)        § 31 Abs. 4, AsylVfG, auf den das Bundesamt seine Feststellung gestützt hat, daß dem Bf. aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Vorschrift beschränkt für den Fall der Ablehnung des Asylantrags nach § 26a AsylVfG den Inhalt der Entscheidung des Bundesamts auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Asylrechts. Das entspricht dem norrnativen Vergewisserungskonzept, das die Drittstaatenregelung trägt. § 31 Abs. 4 AsylVfG steht in den von diesem Konzept nicht erfaßten Ausnahmefällen (vgl. oben 1. 5. e) einer Entscheidung des Bundesamts über Abschiebungshindernisse 'nach §§ 51 Abs. 1, 53 AusIG nicht entgegen.

cc)        § 34a Abs. 2 ASylVfG steht bei sinnentsprechend er restriktiver Auslegung mit Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG in Einklang.

§ 34a Abs. 2 AsylVfG bestimmt, daß die Abschiebung in den sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden darf. Die Vorschrift gilt für den Regelfall der Vollziehung einer Abschiebungsanordnung nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat. Die Abschiebung, deren Vollziehung nach § 34a Abs. 2 AsylVfG nicht ausgesetzt werden darf, ist jene, die nach § 34a Abs. 1 AsylVfG angeordnet worden ist. § 34a Abs. 1 AsylVfG steht - wie bereits dargelegt - in engem Zusammenhang mit § 26a AsylVfG und Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 GG. Sachverhalte, in denen der Reiseweg des Ausländers über einen sicheren Drittstaat ernstlich zweifelhaft erscheint (vgl. oben 1. 6. c aa) oder in denen der Ausländer sich gegen die Modalitäten des Vollzugs der Aufenthaltsbeendigung wendet (vgl. oben 1. 5.), fallen somit ebensowenig unter § 34a Abs. 2 AsylVfG wie diejenigen Fälle, in denen der Ausländer in den Herkunftsstaat abgeschoben werden soll (vgl. oben L 5. b). Schließlich ist § 34a Abs. 2 AsylVfG auch insoweit nicht anwendbar, als in den unter C. 1. 5. e) dieses Urteils umschriebenen Ausnahmefällen Einwendungen des Ausländers zu einer individuellen Gefährdung im Drittstaat geltend gemacht werden können. Auch insoweit trifft § 34a Abs. 2 AsylVfG keine über Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG und § 34a Abs. 1 AsylVfG hinausgehende Regelung.

b)         Die Feststellung, daß dem Bf. infolge der Einreise aus dem sicheren Drittstaat Österreich kein Asylrecht zusteht, und die Anordnung seiner Abschiebung nach Österreich im Bescheid des Bundesamts vom 21.7.1993 sowie die Ablehnung des Antrags des Bf. auf Gestattung der Wiedereinreise nach Deutschland (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO) als unzulässig im Beschluß des VG vom 14.9.1993 begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa)        Der Bf. ist aus Österreich in die BR Deutschland eingereist. Darauf gründe sich die Feststellung des Bundesamts, daß ihm kein Asylrecht zusteht (§ 31 Abs. 4 AsyllVfG). Einwendungen, die das Bundesamt bei der Anordnung der Abschiebung hätte berücksichtigen müssen, hat der Bf. nicht vorgebracht.

bb)        Das VG hat seine Entscheidung auf § 34a Abs. 2 AsylVfG gestützt. Ob es dabei die oben unter III. 2. a) cc) dargelegte Auslegung dieser Vorschrift zugrunde gelegt hat, kann offen bleiben. Der Bf., der von Österreich nicht nach Ungarn weitergeschoben, sondern dessen Asylgesuch in Österreich in der Sache geprüft worden ist, hat keine Einwendungen gegen den Vollzug der Abschiebungsanordnung vorgebracht, die das VG, weil für sie § 34a Abs. 2 AsylVfG nicht gilt, in der Sache hätte prüfen müssen.

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