Bundesverfassungsgericht, 14 May 1996

Leitsätze (amtlich):

1.

a)         Art. 16a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 GG enthält keine Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs des Grundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG und seines Schutzziels, wohl aber eine Beschränkung seines verfahrensbezogenen Gewährleistungsinhalts.

b)         Art. 16a Abs. 3 GG sieht eine »Arbeitsteilung« zwischen dem Gesetzgeber einerseits und den Behörden und Gerichten andererseits vor. Danach verbleibt den Behörden und den Gerichten die Prüfung, ob der einzelne Asylbewerber Tatsache vorgetragen hat, weiche entgegen der Vermutung, die an seine Herkunft aus einem sicheren Staat anknüpft, die Annahme begründen, er werde dort gleichwohl politisc verfolgt.

2.

a)         Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat muß Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppe bestehen.

a)         Die in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Gewährleistung der Sicherheit auch vor unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung stellt in Anknüpfung an Art. 3 EMRK sicher, daß ein solches staatliches Handeln in die Prüfung einbezogen und so den fließenden Übergängen zu asylrechtlich erheblichen Verfolgungsmaßnahmen Rechnung getragen wird.

3.         Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat hat sich der Gesetzgeber anhand von Rechtslage, Rechtsanwendung und allgemein politischen Verhältnissen aus einer Vielzahl von einzelnen Faktoren ein Gesamturteil über die für politische Verfolgung bedeutsamen Verhältnisse in dem jeweiligen Staat zu bilden.

4.

a)         Das Gesetz, mit dem ein Staat zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt wird, ist ein grundrechtsausfüllendes Gesetz. Es erfordert die Beurteilung der Verhältnisse in einem anderen Staat und - dem vorausgehend - die Erhebung der für die gesetzgeberische Feststellung notwendigen tatsächlichen Grundlagen.

b)         Bei der Erhebung und Aufbereitung der zugrunde zu legenden Tatsachen kommt dem Gesetzgeber, insbesondere hinsichtlich der dafür zu beschreitenden Wege, ein Entscheidungsspietraum zu.

c)         Beurteilt der Gesetzgeber, ob nach den ermittelten tatsächlichen Verhältnissen in einem Staat gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet, und trifft er eine Prognose über die weitere Entwicklung in dem Staat innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, so hat er einen Einschätzungs- und Wertungsspielraum.

d)         Die verfassungsrechtliche Prüfung erstreckt sieh auf die Vertretbarkeit der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung; die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nach Art. 16a Abs. 3 GG kann nur festgestellt werden, wenn eine Gesamtwürdigung ergibt, daß der Gesetzgeber sich bei seiner Entscheidung nicht von guten Gründen hat leiten lassen.

5.         Inhalt der in Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG aufgestellten Vermutung ist nicht, daß einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat dort keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung droht. Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal des Antragstellers gründet.

Aus den Gründen:

A.

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die in Art. 16a Abs. 3 GG und § 29a Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.1993 (BGB1. I 1361) - AsylVfG - enthaltenen Regelungen über Asylgewährung und Asylverfahren bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten sowie die gesetzliche Bestimmung Ghanas zu einem solchen sicheren Herkunftsstaat.

I.

1.         Der durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.6.1993 (BGB1. I 1002) anstelle von Art. 16 Abs. 3 Satz 2 GG aF in das Grundgesetz eingefügte Art. 16a GG wie auch das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.6.1993 (BGB1. I 1062) gehen zurück auf den sogenannten Asylkompromiß zwischen CDU/CSU, SPD und FDP vom 6.12.1992 (vgl. Blätter für deutsche und internationale Politik 1993, S. 114). Ziel des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP am 19.1.1993 eingebrachten Entwurfs eines Gestzes zur Änderung des Grundgesetzes (BT-Drs. 12/4152) sollte es sein, »den wirklich politisch Verfolgten weiterhin Schutz und Zuflucht zu gewähren, aber eine unberechtigte Berufung auf das Asylrecht zu verhindern und diejenigen Ausländer von einem langwierigen Asylverfahren auszuschließen, die des Schutzes deswegen nicht bedürfen, weil sie offensichtlich nicht oder nicht mehr aktuell politisch verfolgt sind. Außerdem ist das Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Verfahrens weiter zu beschleunigen« (vgl. BT-Drs. 12/4152, S. 3).

Am 11.3.1993 fand zum Entwurf der Grundgesetzänderung eine Anhörung von Sachverständigen durch den Innen- und Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags sowie die Gemeinsame Verfassungskommission statt (vgl. Sten.Prot. der 55. Sitzung des Innenausschusses, der 71. Sitzung des Rechtsausschusses und der 8. Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission). Am 26.5.1993 wurde die - geringfügig geänderte - Vorlage abschließend im Bundestag beraten und fand dort die nach Art. 79 Abs. 2 GG erforderliche Mehrheit (vgl. Plen. Prot. 12/160, S. 13499 ff., 13629 f.). Der Bundesrat stimmte dem Gesetzesbeschluß auf seiner 657. Sitzung am 28.5.1993 zu (vgl. BT-Drs. 352/93). Das Gesetz trat am 30.6.1993 in Kraft.

2.         Am 2.3.1993 brachten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur gesetzlichen Ausfüllung von Art. 16a GG den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften ein (vgl. BT-Drs. 12/4450). Nach dem neu in das AsylVfG einzufügenden § 29a sollte der Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abzulehnen sein, »es sei denn, aufgrund der von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel ist anzunehmen, daß ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht«. § 29a Abs. 2 des Entwurfs sah vor, daß die sicheren Herkunftsstaaten durch den Gesetzgeber festgelegt werden; in einer Anlage ll waren bestimmte Staaten als solche bezeichnet.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs ist der Prüfung dieser Staaten ein umfang reicher Kriterienkatalog zugrunde gelegt worden: Höhe der Anerkennungsquote in den vergangen Jahren, allgemeine politische Lage (ua demokratische Struktur des Staates, unabhängige Gerichtsbarkeit, Mehrparteiensystem, Recht auf freie Meinungsäußerung), Achtung der Menschenrechte (ua Beachtung der Grundsätze der internationalen Menschenrechtsübereinkünfte, insbesondere UN-Konvention über die zivilen und bürgerlichen Rechte, Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK - und UN-Konvention gegen Folter), Bereitschaft des Herkunftsstaats, unabhängigen internationalen Organisationen zur Überwachung der Menschenrechtslage Zutritt zu seinem Hoheitsgebiet zu gewähren, Stabilität des Landes (ua Prognose, daß mit wesentlichen Veränderungen in nächster Zeit nicht zu rechnen ist). Diese Kriterien sind unter Heranziehung der von den Behörden des Bundes gewonnenen Erkenntnisse, von Rechtsprechung sowie Materialien des UNHCR und internationaler Menschenrechtsorganisationen untersucht worden (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 21).

Für die einzelnen in die Anlage II aufzunehmenden Staaten waren vom Bundesministerium des Innern unter Beteiligung des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums der Justiz Prüfberichte erstellt worden. Der Unterausschuß »Menschenrechte und humanitäre Hilfe« des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags nahm zu den einzelnen Staaten Stellung (vgl. BT-Drs. 12/4984, S. 47). Im Prüfbericht zu Ghana vom 5.1.1993, dem neben einer Zusammenstellung einschlägiger Gerichtsentscheidungen im wesentlichen Auskünfte und Stellungnahmen des Auswärtigen Amts, des Instituts für Afrika-Kunde sowie von amnesty international aus den Jahren bis 1992 zugrunde liegen, heißt es zusammenfassend: »In Ghana führte der Demokratisierungsprozeß zum Entstehen von Grundstrukturen eines demokratischen Rechtsstaats. Ghana weist derzeit eine politische Struktur auf, die staatlich initiierte oder gebilligte Eingriffe in Menschenrechte wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Religionsausübung etc. aus politischen Gründen grundsätzlich ausschließt. Verwaltung und Wirtschaft befinden sich in Ghana für afrikanische Verhältnisse auf einem hohen Niveau. Ethnische Konflikte existieren, soweit ersichtlich, nicht. Menschenrechte werden geachtet, repressive Gesetze wurden teilweise aufgehoben, die politische Lage ist stabil, und ein Mehrparteiensystem wurde eingeführt. Somit kann Ghana in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen werden, wobei auf eine ständige Überprüfung der Lage nicht verzichtet werden sollte...«.

Auf Veranlassung des Bundesministeriums der Justiz wurden die für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständigen obersten Landesbehörden und der Präsident des BVerwG an der Prüfung der Liste sicherer Herkunftsstaaten beteiligt. Nach Mitteilung des Bundesministeriturts des Innern wurde die Aufnahme von Ghana in den Kreis der sicheren Herkunftsstaaten nicht von allen Ländern befürwolet. Die beim Bundesministerium des Innern gebildete »Projektgruppe Asylgesetz« sah aufgrund einer Auswertung der Stellungnahmen am 3.2.1993 indes keinen Anlaß für eine Neubewertung der Einschätzung Ghana als sicheres Herkunftsland, weil die äußerst kanpp gehaltenen Stellungnahmen zum Teil auf veralteten Erkenntnissen beruhten und keine neuen Gesichtspunkte enthielten.

Am 24.3.1993 hörte der Innenausschuß des Deutschen Bundestags zu dem Gesetzentwurf Sachverständige an (vgl. Sten. Prot. der 56. Sitzung des Innenausschusses). Das Bundesministerium des Innern äußerte sich am 27.4.1993 ergänzend zu Ghana. Der in bezug auf § 29a geringfügig geänderte Entwurf wurde am 26.5.1993 im Bundestag abschließend beraten (vgl. Plen. Prot. 12/160, S. 13499, 13629). In seiner 657. Sitzung vom 28.5.1993 stimmte der Bundesrat dem Gesetzesbeschluß zu (BT-Drs. 353/93). Das Gesetz trat am 1.7.1993 in Kraft.

II.

1.         Die Bfin. zu 1 landete am 6.7.1993 von London kommend auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen. Dort beantragte sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Sie wurde daraufhin zunächst im Transitbereich des Flughafens untergebracht.

a)         Zur Begründung ihres Asylantrags machte die Bfin. folgende Angaben: Sie sei in K. (Ghana) als Marktfrau tätig gewesen. Sie habe einen Kiosk im Zentralmarkt gehabt, wo sie Farmerzeugnisse verkauft habe. Am 26.4.1993 habe der Stadtrat die Miete der Kioske von 2 000 auf 5 000 Cedis erhöht. Da die Kaufkraft zu dieser Zeit sehr schwach gewesen sei, sei den Marktfrauen die Erhöhung unangebracht vorgekommen. Die Verkäuferinnen, die, wie sie selbst, der NPP-Partei angehörten, hätten am Tag der Bekanntgabe der Mieterhöhung gestreikt. Am 26. und 27.4.1993 hätten sie gegen die Mitglieder des Stadtrats demonstriert. Dabei sei auch Sachschaden entstanden. Warenstände derjenigen Verkäuferinnen, die sich nicht an der Demonstration beteiligt hätten, habe man umgekippt. Sie, die Bfin., sei Anführerin der Frauen gewesen, die Gemüse verkauft hätten. Nach Beendigung der Demonstrationen seien die Anführer - so auch sie - von Polizisten festgenommen worden. Ihr sei vorgeworfen worden, Unruhe in der Stadt angestiftet und die Leute zum Streik aufgehetzt zu haben. Nach etwa einer Woche habe ihr Sippenoberhaupt gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 50 000 Cedis ihre Freilassung erreicht. Sie habe die Auflage erhalten, sich täglich bei der Polizei zu melden. Als sie erfahren habe, daß sie am 2.7.1993 vor Gericht gestellt werden solle, sei sie früh morgens nach A. geflüchtet. Am 4.7.1993 habe sie ihr Heimatland verlassen, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen.

b)         Mit Bescheid vom 9.7.1993 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im folgenden: Bundesamt) den Antrag der Bfin. auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab, stellte ferner fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AusIG offensichtlich nicht vorlägen, und verneinte schließlich auch das Bestehen von Abschiebungshindemissen nach § 53 AusIG. Für den Fall der Einreise wurde die Bfin. aufgefordert, die BR Deutschland innerhalb von einer Woche nach erfolgter Einreise zu verlassen. Vorsorglich wurde ihr gemäß § 18a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung angedroht. Mit Bescheid vom gleichen Tage verweigerte ihr das Grenzschutzamt unter Hinweis auf den Bescheid des Bundesamts die Einreise in die BR Deutschland.

c)         Gegen die Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzamts hat die Bfin. Klage beim VG erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat sie gemäß § 18a Abs. 4 und 4 AsylVfG vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Diesen Antrag hat das VG mit Beschluß vom 19.7.1993 abgelehnt.

2.         Der Bf. zu 2 landete ebenfalls am 6.7.1993, mit demselben Fulgzeug wie die Bfin. zu 1 von London kommend, auf dem Flughafen Frankfurt/Main. Auch er beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter und wurde daraufhin im Transitbereich des Flughafens untergebracht.

a)         Zur Begründung seines Asylantrags machte der Bf. die folgenden Angaben: Er sei Mitglied der NPP. Am 16.2.1993 habe seine Partei gegen die neue Regierung seines Landes (NDC) demonstriert. Daran habe er teilgenommen. Es sei um einen Haushaltsplan der NDC gegangen, der Preiserhöhungen verursacht habe. Sie seien zu den Häusern von verschiedenen NDC-Mitgliedern marschiert. Dabei sei es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und Sachbeschädigungen gekommen. Ein Teil eines Hauses, in dem mehrere NDC-Mitglieder gelebt hätten, sei in Brand gesetzt worden, Fensterscheiben seien kaputt gegangen und Kühlschränkte zerstört worden. Die Polizei habe etwa 40 Personen festgenommen. Die Inhaftierten hätten die Namen der anderen Beteiligten genannt. Die Polizei sei zu ihm nach Hause gekommen, um auch ihn zu verhaften. Als er die Stammen gehört und die Polizisten gesehen habe, sei er durch das Fenster in den Hof und dann über eine Mauer geflüchtet.

b)         Mit Bescheid vom 9.7.1993 lehnte das Bundesamt diesen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab, stellte ferner fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AusIG offensichtlich nicht vorlägen und verneinte auch das Bestehen von Abschiebungshindemissen nach § 53 AusIG. Für den Fall der Einreise wurde der Bf. aufgefordert, die BR Deutschland innerhalb einer Woche nach erfolgter Einreise zu verlassen; vorsorglich wurde ihm die Abschiebung angedroht. Ebenfalls mit Bescheid vom 9.7.1993 verweigerte ihm das Grenzschutzamt unter Hinweis auf den Bescheid des Bundesamts die Einreise in die BR Deutschland.

c)         Gegen die Bescheide des Bundesamts und des Grenzschutzamts hat der Bf. beim VG Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat er vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das VG hat diesen Antrag mit Beschluß vom 20.7.1993 abgelehnt.

III.

Gegen die Beschlüsse des VG vom 19. und 20.7.1993 haben die Bf. Verfassungsbeschwerde erhoben. Gleichzeitig haben sie den Erlaß einstweiliger Anordnungen beantragt. Mit Beschluß vom 22.7.1993 (B VerfGE 89, 101) wurde dem Grenzschutzamt vorläufig untersagt, die verfügten Einreiseverweigerungen zu vollziehen; ferner wurde den Bf. die Einreise in die BR Deutschland gestattet. Sie halten sich seitdem im Bundesgebiet auf. Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Bf. vornehmlich eine Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 16a Abs. 1 GG. Ferner machen die Bf. geltend: Die Aufnahme des Staats Ghana in die Anlage II zu § 29a AsylVfG verstoße gegen Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG.

IV.

Namens der Bundesregierung, die den Verfahren beigetreten ist, hat sich das Bundesministerium des Innern zu den Verfassungsbeschwerden geäußert.

V.

In der mündlichen Verhandlung haben die Bf. sowie der Bundesminister des Innern namens der Bundesregierung und deren Bevollmächtigter das schriftsätzliche Vorbringen bekräftigt und vertieft. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung als Auskunftspersonen zu Fragen der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse in Ghana, insbesondere zur dortigen Rechtslage und Praxis bei der Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe, Vertreter des UNHCR und von amnesty international gehört. Zu Fragen der praktischen Handhabung der Regelungen über sichere Herkunftsstaaten haben sich Bedienstete des Bundesamts geäußert.

B.

Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, sowei sie sich gegen die Beschlüsse des VG sowie mittelbar gegen die Aufnahme Ghanas in die Anlage II zu § 29a AsylVfG richten.

1.

a)         Die Bf. rügen, das VG habe die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen verkannt, unter denen die Vermutung, ihnen drohe in ihrem Herkunftsland keine politische Verfolgung, entkräftet werden kann. Ihr Vorbringen läßt es als möglich erscheinen, daß die angegriffenen Beschlüsse sie in ihrem Grundrecht aus Art. 16a Abs. 1 und 3 GG verletzen.

b)         Die Verfassungsbeschwerden gegen die Ablehnung der auf Gewährung der Einreise zielenden Anträge im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 18a Abs. 4 und 5 AsylVfG) haben sich nicht dadurch erledigt, daß die Bf. aufgrund der einstweiligen Anordnung des BVerfG vom 22.7.1993 in die BR Deutschland eingereist sind. Allerdings könnte bei einer Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und einer Zurückverweisung der Sachen an das VG (§ 95 Abs. 2 BVerfGG) die Gewährung der Einreise nicht mehr Gegenstand einer erneuten Entscheidung sein. Das Bundesarnt hat aber in seinen Bescheiden vom 9.7.1993 jeweils unter Nr. 4 gemäß § 18a Abs. 2 AsylVfG »vorsorglich für den Fall der Einreise« eine Abschiebungsandrohung erlassen. Diese Abschiebungsandrohungen sind mit der Einreise der Bf. unmittelbar wirksam geworden. Im Fall eines erneuten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens müßten die Bf. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die Abschiebungsandrohung beantragen (vgl. § 18a Abs. 5 Satz 12. Alt. AsylVfG). Dem steht die Regelung des § 18a Abs. 5 Satz 2 AsylVfG nicht entgegen, wonach die »Anordnung des Gerichts«, dem Ausländer die Einreise zu gestatten, zugleich als Aussetzung der Abschiebung gilt: Mit dem in § 18a Abs. 5 Satz 2 AsylVfG erwähnten Gericht ist nach dem Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 18a Abs. 4 AsylVfG nur das VG als das im Verfahren »auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung« tätig werdende Gericht gemeint. Eine einstweilige Anordnung des BVerfG greift nur insoweit in das fachgerichtliche und verwaltungsbehördliche Verfahren ein, als es zur Sicherung des mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten grundrechtlichen Anspruchs erforderlich ist.

2.         Die Bestimmung Ghana zum sicheren Herkunftsstaat (§ 29a Abs. 2 AsylVfG iVm Anlage II) ist Grundlage der Entscheidungen über die Asylanträge der Bf. Das Bundesamt hat die Ablehnung der Asylanträge als offensichtlich unbegründet allein auf § 29a AsylVfG gestützt; das VG hat dies in den angegriffenen Beschlüssen bestätigt.

3.         Art. 16a Abs. 3 GG und § 29a AsylVfG sind auch entscheidungserheblich. Allerdings haben die Bf. angegeben, sie seien mit dem Flugzeug zunächst von Lagos nach London geflogen; dort hätten sie das Flugzeug gewechselt, ohne dabei den Flughafen zu verlassen; von London aus seien sie sodann nach Frankfurt gelangt. Großbritannien ist Mitglied der EG. Gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG kann sich auf Abs. 1 nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der EG einreist. Dennoch ist in den vorliegenden Verfahren den Bf. die Berufung auf das Asylgrundrecht nicht von vornherein verwehrt: Das VG und das Bundesamt sind ersichtlich davon ausgegangen, daß die Bf. - unbeschadet ihrer Zwischenlandung in London - nicht aus einem sicheren Drittstaat eingereist sind. Dies entspricht der anfänglich geübten Praxis bei der Handhabung der Regelungen über die »sicheren Drittstaaten«, wie sie von Vertretern des Bundesministeriums des Innern in der mündlichen Verhandlung erläutert worden ist. Danach wurde im Falle eines bloßen Transits keine Einreise »aus« einem solchen Drittstaat angenommen.

C.

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. Die Aufnahme von Ghana in Anlage II zu § 29a AsylVfG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Beschlüsse des VG begegnen im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

I.

1.         Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG ermächtigt den Gesetzgeber, durch Gesetz, das der Zutimmung des Bundesrats bedarf, sogenannte »sichere Herkunftsstaaten« zu bestimmen. Dabei muß es sich um Staaten handeln, »bei denen aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet«. Die Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat hat für das Asylverfahren des einzelnen Ast., der aus einem solchen Land kommt, unmittelbare Auswirkungen. Gemäß Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG vermutet, daß ein Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

Auch Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG betrifft Asylverfahren von Ast. aus sicheren Herkunftsstaaten. Entsprechend der Formulierung »...in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten...« kann der Gesetzgeber vorsehen, daß der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, sofern die Vermutung des Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG nicht ausgeräumt wird. An die qualifizierte Ablehnung des Asylantrags knüpft Abs. 4 allgemein die Ermächtigung für den Gesetzgeber, besondere inhaltliche und prozessuale Anforderungen an die Aussetzung der Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen im gerichtlichen Verfahren aufzustellen (vgl. hierzu § 36 Abs. 3 und 4 AsylVfG).

2.         Art. 16a Abs. 3 iVm Abs. 4 GG enthält keine Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs des Grundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG und seines Schutzziels, wohl aber eine Beschränkung seines verfahrensbezogenen Gewährleistungsinhalts. Dies ergibt bereits ein Vergleich des Wortlauts von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG einerseits und Abs. 3 Satz 1 GG andererseits; in der zuletzt genannten Bestimmung fehlt eine Formulierung, die wie diejenige in Abs. 2 Satz 1 (»Auf Abs. 1 kann sich nicht berufen...«) auf eine Beschränkung auch des materiellen Gewährleistungsinhalts hindeutet. Dies wird durch das systematische Verhältnis der Abs. 3 und 4 zu Abs. 1 des Art. 16a GG bestätigt. Die Verfassung ermöglicht für Asylanträge von Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsstaaten ein modifiziertes (verkürztes) Verfahren. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht Art. 16a Abs. 3 GG eine »Arbeitsteilung« zwischen dem Gesetzgeber einerseits und den Behörden und Gerichten im Rahmen des jeweiligen Einzelverfahrens andererseits vor: Indem der Gesetzgeber nach vorhergehender Prüfung einzelne Staaten bestimmen kann, in denen - gemäß den in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG vorgegebenen Kriterien - gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet, wird ihm ein Ausschnitt aus der von Art. 16a Abs. 1 GG geforderten umfassenden Prüfung übertragen, die bislang in jedem Einzelfall dem Bundesamt und den Gerichten oblag. Dabei nimmt er für den jeweiligen Staat eine Analyse und Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse im Hinblick auf deren asylrechtliche Erheblichkeit abstrakt-generell in Form einer antizipierten Tatsachen- und Beweiswürdigung vor. Stellt der Gesetzgeber nach dieser Prüfung fest, daß ein bestimmter Herkunftsstaat sich iSd Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG ist, sind Bundesamt und Gerichte hieran bei der Prüfung des Einzelfalls gebunden und haben de Asylantrag grundsätzlich - mit den sich aus Art. 16a Abs. 4 GG ergebenden verfahrensrechtlichen Folgen - als offensichtlich unbegründet zu behandeln. Für die Gerichte findet diese Bindung eine Grenze dort, wo sich die Bestimmung eines Landes zum sicheren Herkunftsstaat (oder deren Beibehaltung) nach ihrer Überzeugung als verfassungswidrig erweist; sofern dies im Einzelfall entscheidungserheblich ist, hat das Gericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Die dem Bundesamt und den Gerichten bei der Bearbeitung des jeweiligen Einzelfalls im Rahmen der »Arbeitsteilung« mit dem Gestzgeber verbleibende Aufgabe wird in Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG umschrieben: Sie haben zu prüfen, ob der einzelne Asylbewerber Tatsachen vorgetragen hat, welche entgegen der Vermutung, die an seine Herkunft aus einem sicheren Staat anknüpft, die Annahme begründen, er werde dort gleichwohl politisch verfolgt. Mit der Beschränkung auf diese Prüfungsaufgabe wird das Verfahren im Einzelfall in bestimmter Weise geprägt, ohne daß sich hieraus - unter Berücksichtigung der abstrakt-generellen Prüfung des Herkunftsstaats durch den Gesetzgeber - eine Beschränkung des materiellen Gewährleistungsinhalts von Art. 16a Abs. 1 GG ergibt.

II.

Ein Staat kann gemäß Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG dann zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt werden, wenn »gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet«. Darüber, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat der Gesetzgeber »aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse« in dem betreffenden Land zu befinden.

1.

a)         Die Analyse der Verhältnisse in einem Herkunftsstaat auf ihre Asylerheblichkeit hat zunächst unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen, ob dort politische Verfolgung stattfindet.

aa)        Mit dem Begriff »politische Verfolgung« knüpft Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG an die Forrnulierung in Art. 16a Abs. 1 GG an, wonach »politisch Verfolgte« Asylrecht genießen. Diese Vorschrift stimmt ihrerseits wörtlich überein mit der Gewährleistung des Asylrechts in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG aF. Deshalb kann für die Auslegung des Begriffs der politischen Verfolgung in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG zurückgegriffen werden.

bb)        Allerdings decken sich die Begriffe in Art. 16a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG infolge ihrer im jeweiligen Regelungszusammenhang unterschiedlichen Funktionen - einerseits Prüfung des Einzelfalls; andererseits Beurteilung der allgemeinen Situation in einem Staat -inhaltlich nicht in vollem Umfang. Im Falle regionaler politischer Verfolgung gilt für die Prüfung eines Asylgesuchs im Einzelfall: Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen wird, ist erst dann politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist dann nicht der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaats eine zumutbare Zuflucht finden kann (inländische Fluchtalternative; vgl. BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20; BVerfGE 81, 58 = EZAR 203 Nr. 5; BVerfGE 83, 216 = EZAR 202 Nr. 10). Hingegen ist für die Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat die Beurteilung der dort allgemein herrschenden Situation maßgeblich. Ist eine - wenn auch nur regionale - politische Verfolgung feststellbar, so ist nicht gewährleistet, daß in diesem Staat allgemein politische Verfolgung nicht stattfindet, worauf Art. 16a Abs. 3 GG abstellt; Sicherheit vor politischer Verfolgung muß daher im Rahmen des Art. 16a Abs. 3 GG landesweit bestehen (vgl. auch BT-Drs. 12/4152, S. 4).

Ebensowenig kann ein Staat zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt werden, wenn dort Angehörige einer bestimmten Gruppe, nicht hingegen andere, dieser Gruppe nicht angehörende Personen verfolgt werden. Anhaltspunkte dafür, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber die Bestimmung eines Landes zum sicheren Herkunftsstaat auch dann vorsehen wollte, wenn zwar bestimmte Personen- und Bevölkerungsgruppen von politischer Verfolgung nicht betroffen, eine oder mehrere andere Gruppen aber solcher Verfolgung ausgesetzt sind, lassen sich weder dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung noch den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren entnehmen. Eine derart eingegrenzte Feststellung des Fehtens politischer Verfolgung würde auch Inhalt und Funktion der Herkunftsstaatenregelung widerstreiten: Art. 16a Abs. 3 GG ist darauf gerichtet, für bestimmte Staaten im Wege einer vorweggenommenen generellen Prüfung durch den Gesetzgeber feststellen zu lassen, daß in ihnen allgemein keine politische Verfolgung stattfindet und deshalb die (widerlegbare) Vermutung der offensichtlichen Unbegründetheit individueller' Asylbegehren aufgestellt werden kann. Dieses Konzept gerät indes schon ins Wanken, wenn ein Staat bei genereller Betrachtung überhaupt zu politischer Verfolgung greift, sei diese auch (zur Zeit) auf eine oder einige Personen- oder Bevölkerungsgruppen begrenzt. Tut er dies, erscheint auch für die übrige Bevölkerung nicht mehr generell gewährleistet, daß sie nicht auch Opfer asylrechtlich erheblicher Maßnahmen wird.

cc)        Schließlich ist bei der Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat von vornherein zu berücksichtigen, daß auch in Rechtsstaaten Strafvorschriften zum Schutz der staatlichen Ordnung und Institutionen vorhanden sind und angewandt werden. Aus der Anwendung solcher Staatsschutzvorschriften kann sich auch politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG entsprechend den dafür in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Maßstäben (vgl. hierzu BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20; BVerfGE 81, 142 = EZAR 201 Nr. 26) ergeben. Für solche Möglichkeiten politischer Verfolgung sieht Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG vor, daß der einzelne aus einem sicheren Herkunftsstaat stammende Ausländer die Vermutung, ihm drohe keine politische Verfolgung, ausräumen kann. Hält sich das Staatsschutzstrafrecht in rechtsstaatlichem Rahmen, so gibt das geschriebene Recht keinen Anlaß, an dem generellen Fehlen von politischer Verfolgung zu zweifeln. Allerdings kommt es für ein Gesetz nach Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, das eine Gesamtbetrachtung auch von Rechtsanwendung und allgemein politischen Verhältnissen erfordert, weiter darauf an, ob aus der Handhabung des Staatsschutzstrafrechts - etwa im Gefolge von Krisensituationen oder Unruhen - in einem beachtlichen Maße die Gefahr politischer Verfolgung erwächst. Solche Entwicklungen müssen der Gesetzgeber und die Bundesregierung beobachten und auf sie entsprechend reagieren (siehe auch § 29a Abs. 3 AsylVfG).

b)         Nach Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG muß für die Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat darüber hinaus gewährleistet erscheinen, daß dort keine »unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung« stattfindet.

aa)        Der Begriff »unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung« erfaßt staatliche Maßnahmen, die nicht notwendig zugleich politische Verfolgung im asylrechtlichen Sinne darstellen. Die vom Verfassungsgesetzgeber gewählte Formulierung knüpft in Wortlaut und Inhalt erkennbar an die Bestimmung des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4.11.1950 (BGB1. 1952 II 686) an, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf (vgl. hierzu auch Art. 7 Satz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche oder politische Rechte vom 19.12.1966, BGB1. 1973 II 1533). Auch wenn Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG die Folter nicht ausdrücklich erwähnt, wird sie vom Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erfaßt (vgl. auch Gusy, ZAR 1993, 63 zur Praxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte).

Die vom Verfassungsgesetzgeber in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Gewährleistung der Sicherheit auch vor unmenschlicher oder emiedrigender Bestrafung oder Behandlung geht über den Schutzbereich des Art. 16a Abs. 1 GG hinaus. Sie stellt - in Anlehnung an die Bezugnahme auf die EMRK auch in Art. 16a Abs. 2 GG - sicher, daß ein solches staatliches Handeln in die Prüfung einbezogen und so den fließenden Übergängen zu asylrechtlich erheblichen Verfolgungsmaßnahmen Rechnung getragen wird. Auch kann die Feststellung, daß in dem zu prüfenden Staat eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung von einigem Gewicht anzutreffen ist, für die prognostische Beurteilung von Bedeutung sein, ob für einen übuschaubaren Zeitraum gewährleistet erscheint, daß dort keine politische Verfolgung stattfindet.

bb)        Daß es in Rechtsprechung und Rechtspraxis eines Staats die Todesstrafe gibt, ist im Zusammenhang mit dem von Art. 16a GG intendierten Schutz vor politischer Verfolgung und unter Berücksichtigung der Bedeutung zu würdigen, die dem Fehlen von unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung für die gesetzliche Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten nach Art. 16a Abs. 3 GG zukommt: Die Androhung der Todesstrafe stellt für sich allein weder einen Asylgrund dar, noch gebietet sie die Gewährung von Schutz gemäß Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GK) vom 28.7.1951 (BGBl. 1953 11 560). Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG fordert die Gewährleistung der Sicherheit auch vor unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung als Voraussetzung für die Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat, um - wie dargelegt - die in Abs. 3 Satz 2 vorgesehene, der Ausräumung im Einzelfall zugängliche Vermutung des Fehlens politischer Verfolgung im Herkunftsstaat zusätzlich abzusichern. Ob eine prinzipielle Ächtung der Todesstrafe Inhalt von Art. 1 Abs. 1 GG oder der Verpflichtung der BR Deutschland aus dem von ihr unterzeichneten und ratifizierten Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todrsstrafe vom 28.4.1983 (BGBl. 1988 II 663) ist, bedarf angesichts dieser spezifischen und zugleich begrenzten Funktion eines Gesetzes nach Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG keiner Entscheidung.

Im Regelungszusammenhang eines solchen Gesetzes schließt allein die Tatsache, daß in einem Staat die Todesstrafe für Taten schwersten Unrechtsgehalts angedroht und auch verhängt und vollstreckt wird, die Bestimmung dieses Staals zum sicheren Herkunftsstaat noch nicht aus. Maßgeblich für den Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG ausführenden Gesetzgeber ist vielmehr, inwiefern die Todesstrafe im Herkunftsstaat sich auf die Beurteilung auswirken kann, ob in diesem Staat politische Verfolgung stattfindet. Hierfür kommt es etwa darauf an, für welche Taten die Todesstrafe angedroht wird; weiterhin ist von Bedeutung, ob die Voraussetzungen für die Verhängung der Todesstrafe gesetzlich hinreichend bestimmt sind, ob die Todesstrafe nur in einem mit hinreichenden Garantien für den Beschuldigten ausgestatteten Verfahren von weisungsunabhängigen Justizorganen verhängt werden darf, in welcher Häufigkeit sie ausgesprochen und auch vollzogen und in welcher Art und Weise sie vollstreckt wird. Das Ergebnis einer solchen Prüfung ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung von Rechtslage, Rechtsanwendung und allgemeinen politischen Verhältnissen in dem betreffenden Staat zu würdigen.

Soweit im Einzelfall einem Ausländer die Todesstrafe droht, ist er im übrigen nach Maßgabe der §§ 53 Abs. 2, 60 Abs. 5, 61 Abs. 3 AusIG vor Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung sicher (vgl. auch § 8 des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG - in der Fassung vom 27.6.1994, BGBl. I 1537).

2.         Die Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat hat der Gesetzgeber nach Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse in diesem Staat zu treffen. Damit gibt die Verfassung dem Gesetzgeber bestimmte Prüfkriterien vor, an denen er seine Entscheidung, ob ein Staat die, Anforderungen für die Bestimmung zum sicheren Herkunftsstaat erfüllt, auszurichten hat. Hieraus läßt sich aber kein starrer, in jedem Gesetzgebungsverfahren gleichermaßen von Verfassungs wegen zu beachtender, etwa enumerativ darstellbarer Katalog von zu prüfenden Umständen ableiten. Vielmehr besteht die Aufgabe des Gesetzgebers darin, sich anhand der von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG vorgegebenen Prüfkriterien aus einer Vielzahl von einzelnen Faktoren ein Gesamturteil über die für politische Verfolgung bedeutsamen Verhältnisse in dem jeweiligen Staat zu bilden. Als Leitlinie können dabei auch die Schlußfolgerungen der für die Einwanderungsfragen zuständigen Minister der EG-Mitgliedstaaten betreffend Länder, in denen im allgemeinen keine emstliche Verfolgungsgefahr besteht, vom 30.11./1.12.1992 (abgedruckt in ZDWF-Schriftenreihe Nr. 53, »Art. 16a GG und seine Folgen«, Februar 1993, S. 154) zugrunde gelegt werden (vgl. auch BT-Drs. 12/4450, S. 21). Bei dem abschließenden Urteil kann zur Abrundung und Kontrolle des gefundenen Ergebnisses auch die Quote der Anerkennung von Asylbewerbern aus dem jeweiligen Land die Rolle eines Indizes spielen. Dabei sind die Entscheidungspraxis des Bundesamts wie die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen; ferner kann ein Vergleich mit den Anerkennungsquoten anderer europäischer Staaten hilfreich sein. Eine eigenständige Prüfung der Verhältnisse in dem betreffenden Staat anhand der von der Verfassung vorgegebenen Prüfkriterien wird dadurch freilich nicht ersetzt.

a)         Die Rechtslage in dem betreffenden Staat ist insoweit in den Blick zu nehmen, als sie für die Beurteilung der Sicherheit vor politischer Verfolgung und unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung bedeutsam ist. Dabei ist zu bedenken, daß grundsätzlich jeder Lebensbereich zum Anknüpfungspunkt staatlicher Maßnahmen werden kann, die den Charakter politischer Verfolgung oder sonstiger menschenrechtswidriger Eingriffe annehmen können. Anhaltspunkte bieten in diesem Zusammenhang die Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1 A Nr. 2 GK sowie die internationalen Übereinkommen, die zum Schutz der Menschenrechte abgeschlossen wurden (zB Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966, BGBl. 1973 II 1534; Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder emiedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984, BGBl. 1190 II 247; EMRK). Wesentlich für das Prüfkriterium der Rechtslage ist, ob der betreffende Staat von ihm eingegangene internationale Verpflichtungen innerstaatlich als geltendes Recht betrachtet.

b)         Indem Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG weiterhin auf die Rechtsanwendung abstellt, trägt der Verfissungsgesetzgeber dem Umstand Rechnung, daß die praktische Wirksamkeit geschriebener Normen nicht immer schon mit ihrem Erlaß gewährleistet ist. Für Sicherheit vor politischer Verfolgung und menschenrechtswidriger Behandlung ist letztlich die Rechtspraxis in dein jeweiligen Staat entscheidend (vgl. dazu für die Prüfung des einzelnen Asylgesuchs BVerIGE 76. 143 = EZAR 200 Nr. 20). Mit welcher Intensität neben der Rechtslage auch die konkrete Rechtsanwendung in die Prüfung einbezogen werden muß, läßt sich freilich nicht abstrakt und generell bestimmen. Hierbei wird eine Rolle spielen, zu welchen Ergebnissen eine Prüfung anhand der beiden anderen von der Verfassung genannten Kriterien (Rechtslage; allgemeine politische Verhältnisse) führt. Je mehr etwa rechtsstaatliche Grundsätze, die Bindung der Exekutive an die Gesetze sowie eine unabhängige Justiz im jeweiligen Staat verankert sind, desto eher kann davon ausgegangen werden, das Rechtslage und Rechtsanwendung sich im wesentlichen decken. Als Indiz dafür, daß ein Staat die in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG bezeichneten Standards in der täglichen Praxis achtet, kann auch seine Bereitschaft gelten, unabhängigen internationalen Organisationen zur Überwachung der Menschenrechtslage Zutritt zu seinem Hoheitsgebiet zu gewähren.

c)         Die allgemeinen politischen Verhältnisse als weiteres Prüfkriterium zielen auf die Rahmenbedingungen, die Sicherheit vor politischer Verfolgung und sonstiger Menschenrechtswidriger Behandlung in dem betreffenden Staat gewährleisten sollen. In diesem Zusammenhang sind von Bedeutung: demokratische Strukturen, Mehtparteiensystem, freie Betätigungsmöglichkeit für eine Opposition, Religionsfreiheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und eine freie Vresse, Unabhängigkeit der Gerichte. Dabei kommt es nicht in erster Linie auf bestimmte - etwa deutschen Maßstäben entsprechende auf die Funktion der Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat im - Strukturen an; im Hinblick Rahmen des Asylrechts sind vielmehr Rechtsstaatlichkeit im allgemeinen und Freiheitlichkeit für den einzelnen die entscheidenden Prüfsteine.

d)         Mit der Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat wird die Bewertung der dortigen Situation und die darauf aufbauende Vermutung, daß ein Ausländer aus diesem Staat nicht verfolgt wird (Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG), für eine unbestimmte Zahl einzelner Asylbewerber festgeschrieben. Dies ist nur dann sachgerecht, wenn eine gewisse Stabilität der allgemeinen politischen Verhältnisse eine hinreichende Kontinuität auch für Rechtslage und Rechtsanwendung in dem betreffenden Staat gewährleistet erscheinen läßt. Das gilt unabhängig davon, daß es der Gesetzgeber - wie in § 29a Abs. 3 AsylVfG geschehen - ermöglicht, bei unerwarteten Änderungen der für die Beurteilung nach Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG maßgeblichen Verhältnisse schnell zu reagieren.

3.         Das Grundgesetz trifft in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG - abgesehen von der Anordnung, daß das Gesetz der Zustimmung des Bundesrats bedarf - keine Regelung für das vom Gesetzgeber zu beobachtende Verfahren. Die Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat erfordert die Beurteilung der Verhältnisse in einem anderen Staat und - dem vorausgehend - die Erhebung der für die gesetzgeberische Feststellung notwendigen tatsächlichen Grundlagen. Hierfür ist dem Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen eine bestimmte Art des Vorgehens, etwa die Einholung bestimmter Auskünfte oder die Ermittlung genau bezeichneter Tatsachen, vorgeschrieben. Aus dem Schutzziel des Asylgrundrechts in Art. 16a Abs. 1 GG einerseits sowie aus der Funktion der Herkunftsstaatenregelung in Art. 16a Abs. 1 GG andererseits ergeben sich freilich verfassungsrechtliche Anforderungen, denen das Gesetz genügen muß. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Regelung über sichere Herkunftsstaaten die Möglichkeiten, das Asylgrundrecht im Einzelfall geltend zu machen, zwar deutlich einschränkt, dem einzelnen Asylbewerber aber ein Verfahren offenhält, die gegen sein Begehren sprechende Vermutung auszuräumen.

a)         Das Gesetz, mit dein ein Staat zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt wird, ist ein grundrechtsausfüllendes Gesetz. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG ermächtigt den Gesetzgeber zu einer Modifizierung des Asylverfahrens: Zur Entlastung und Beschleunigung der Einzelprüfung von Asylanträgen werden Teilbereiche des Verfahrens zur Feststellung des Asylgrundrechts von den bisher dafür allein zuständigen Behörden und Gerichten auf den Gesetzgeber übertragen. Dieser soll aufgrund einer Prüfung und Beurteilung der für politische Verfolgung erheblichen Verhältnisse hinsichtlich einzelner Staaten vorab und allgemein die Feststellung treffen können, daß in diesen Staaten generell weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. An diese Feststellung knüpft die Vermutung an, daß ein einzelner aus einem solchen Staat stammender Asylbewerber nicht politisch verfolgt wird. Diese Vermutung führt in der Regel - dh sofern sie nicht im Einzelfall ausgeräumt wird dazu, daß der betreffende Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird und die gegen den Ausländer verfügte Aufenthaltsbeendigung sofort vollziehbar ist.

Die Beendigung des vorläufigen Blei6erechts - vorbehaltlich einer gegenteiligen Eilentscheidung des VG - als Folge der offensichtlichen Unbegründetheit eines Asylantrags war schon Inhalt des bisher geltenden Rechts (vgl. dazu BVerfGE 67, 43 = EZAR 632 Nr. 1). Neu in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylVIIG ist allerdings, daß aufgrund einer vom Gesetzgeber getroffenen Regelung nunmehr ein besonderes Verfahren gilt, welches regelmäßig ohne weitere Prüfung zu einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet führt.

b)         Schafft der Gesetzgeber für eine solche Behandlung von Asylanträgen die Grundlage, so muß diese so beschaffen sein, daß sich die Zurückweisung von Asylanträgen als offensichtlich unbegründet einschließlich des Verlustes des vorläufigen Bleiberechts mit guten Gründen auf sie stützen kann. Das bedingt ein bestimmtes Maß an Sorgfalt bei der Erhebung und Aufbereitung von Tatsachen, von einer solchen feststellenden, verfassungsrechtlich vorgegebene Kriterien nachvollziehenden gesetzgeberischen Ent scheidung notwendigerweise zugrunde zu legen sind. Dieses Maß ist je nach den konkreten Gegebenheiten in dem jeweiligen Staat unterschiedlich. Dabei kommt dem Gesetzgeber, insbesondere hinsichtlich der dafür zu beschreitenden Wege, ein Entscheidungsspielraum zu. Er wird zur Ermittlung der bedeutsamen Tatsachen die zugänglichen und als zuverlässig anzusehenden Quellen heranzuziehen und auszuwerten haben. Auf die Berichte der zuständigen Vertretung der BR Deutschland und in Betracht kommender internationaler Organisationen, insbesondere UNHCR (vgl. Art. 35 GK), wird besonderes Gewicht zu legen sein. Angesichts der Tatsache, daß die Verfassung dem Gesetzgeber die Einschätzung von Auslandssachverhalten aufgibt und § 29a Abs. 3 AsylVfG die Bundesregierung aus gegebenem Anlaß mit der kurzfristigen Korrektur der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung beauftragt, fällt gerade den Auslandsvertretungen eine Verantwortung zu, die sie zu besonderer Sorgfalt bei der Abfassung ihrer einschlägigen Berichte verpflichtet, da diese sowohl für den Gesetzgeber wie für die Exekutive eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden.

Aus den herangezogenen Quellen und Erkenntnismitteln muß insgesamt ein hinreichend sicheres Bild über die Verhältnisse in dem betreffenden Staat entstehen, soweit diese für die Frage erheblich sind, ob dort politische Verfolgung oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet oder nicht.

Beurteilt der Gesetzgeber, ob nach den en-nittelten tatsächlichen Verhältnissen in einem Staat gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet, und trifft er eine Prognose über die weitere Entwicklung in dem Staat innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, so hat er einen Einschätzungs- und Wertungsspielraum. Dieser Einschätzungs- und Wertungsspielraum gilt auch für die Frage, welche der erhobenen Tatsachen mit welchem Gewicht für die zu treffende Entscheidung von Bedeutung sind, vor allem aber auch für die Bedeutung, welche die in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG genannten Kriterien in ihrem Verhältnis zueinander für die anstehende Qualifizierung eines bestimmtes Staats als sicherer Herkunftsstaat haben, und schließlich für die Heranziehung etwaiger sonstiger Umstände, welche die Verfassung nicht ausschließt. Das Gesamturteil des Gesetzgebers beruht nach alledem auf einer ihm von der Verfassung aufgegebenen, sich in mehreren Schritten vollziehenden Beurteilung komplexer, zudem im Ausland angesiedelter Sachverhalte.

c)         Die verfassungsgerichtliche Prüfung, ob die Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat den Anforderungen des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG entspricht, hat diesen dem Gesetzgeber zustehenden Entscheidungs- und Wertungsspielraum zu achten. Er ergibt sich bereits aus der Formulierung der Verfassung (»... gewährleistet erscheint... «) selbst, indem diese auf die Beurteilung durch den Gesetzgeber abstellt, im übrigen aber auch aus der in Art. 16a Abs. 3 GG vorgesehenen Aufgabenverteilung; danach ist die abstrakt-generelle Prüfung und Bewertung der Verhältnisse im jeweiligen Staat dem Gesetzgeber als eigenständige Aufgabe anvertraut.

Die verfassungsgerichtliche Nachprüfung erstreckt sich demnach auf die Vertretbarkeit der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung, stößt jedoch im Blick auf die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs und die Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, auf erhebliche Schwierigkeiten. Diese führen dazu, daß das BVWG die Unvertretbarkeit der Entscheidung des Gesetzgebers, einen Staat zum sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen, und damit die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nach Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG nur feststellen kann, wenn eine Gesamtwürdigung ergibt, daß der Gesetzgeber sich bei seiner Entscheidung nicht von guten Gründen hat leiten lassen.

III.

Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG regelt - in Verbindung mit den weiteren, das Verfahren betreffenden Regelungen in Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG - die Folgewirkungen, die sich aus der gemäß Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in Gesetzesform getroffenen Feststellung für das Asylverfahren des aus einem sicheren Herkunftsstaat stammenden Ast. ergeben. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

1.         Die in Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG aufgestellte Vermutung knüpft unmittelbar an die gesetzliche Bestimmung eines Staats zum sicheren Herkunftsstaat an; ihr Inhalt geht dahin, daß der aus einem sicheren Herkunftsstaat stammende Ausländer »nicht verfolgt wird«. Damit wird der dem Asylverfahren des einzelnen Ast. zugrundeliegende Prüfungsgegenstand bezeichnet (vgl. die Definition des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG). Der verfassungsändernde Gesetzgeber knüpft insoweit an den Begriff der »politischen Verfolgung« in Art. 16a Abs. 1 GG an. In Art. 16a Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 GG ist daher bei dem Wort »verfolgt« das Adverb »politisch« hinzuzulesen.

a)         Dem Inhalt der Vermutung liegt - zieht man den Regelungszusammenhang und die Funktion in Betracht - ein Begriff von politischer Verfolgung zugrunde, der auch die sogenannten selbstgeschaffenen Nachfluchtgründe umfaßt. Bei diesen kommt die Zuerkennung einer Asylberechtigung nur dann in Betracht, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellen, mithin als notwendige Konsequenz einer andauernden, die eigene Identität prägenden und nach außen kundgegebenen Lebenshaltung erscheinen (vgl. BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, verbleibt allenfalls die Möglichkeit, ein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AusIG festzustellen. Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG will indessen für die Reichweite der Vermutung nicht nach dem möglichen späteren Status des Ast. unterscheiden. Die Regelung umfaßt auch solche Fälle, die zwar nicht zum Status der Asylberechtigung, wohl aber zur Feststellung von Abschiebungshindemissen nach § 51 Abs. 1 AusIG führen. Müßte für die Feststellung solcher Abschiebungshindernisse ein gesondertes Verfahren durchgeführt werden, in dem die an die Bestimmung zum sicheren Herkunftsstaat anknüpfende Vermutung nicht eingriffe, würde dies die vom verfassungsändernden Gesetzgeber mit der Herkunftsstaatenregelung angestrebte Vereinfachung und Beschleunigung in vielen Fällen verhindern.

b)         Inhalt der in Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG aufgestellten Vermutung ist hingegen nicht, daß einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat dort keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung droht. Dies ergibt sich eindeutig bereits aus dem Wortlaut: Es wird - allein - vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht (politisch) verfolgt wird. Das entspricht im übrigen auch der Funktion der Vermutung im einzelnen Asylverfahren, das der Prüfung dient, ob dem jeweiligen Ast. Schutz vor politischer Verfolgung zu gewähren ist. Die in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Gewährleistung von Sicherheit auch vor unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung soll - wie oben dargelegt - im Rahmen der abstrakt-generellen Prüfung durch den Gesetzgeber staatliches Handeln auch in Übergangsbereichen zwischen politischer Verfolgung und sonstiger menschenrechtswidriger Behandlung erfassen. Die Verpflichtung, bei der Entscheidung über den Asylantrag das Vorliegen von sonstigen Abschiebungshindernissen zu prüfen (vgl. § 31 Abs. 3 AsylVIIG iVm § 53 AusIG, siehe dazu auch unten 2. c), bleibt mithin von der in Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG vorgesehenen Vermutung unberührt.

2.         Die soeben näher umschriebene Vermutung steht gemäß Art. 16a Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 GG unter dem Vorbehalt, daß der Asylbewerber »Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird«. Gelingt dem Ast. ein solcher Vortrag, greift in seinem Einzelfall die Vermutung des Art. 16a Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 GG nicht; über seinen Asylantrag ist nach den allgemeinen Vorschriften zu befinden. Gelingt ihm dies nicht, verbleibt es bei der verfahrensrechtlichen Folgerung gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG iVm § 29a Abs. 1 AsylVfG; der Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen.

a)         Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksat des Ast. gründet. Dabei kann er freilich seine Furcht vor politischer Verfolgung auch dann auf ein persönliches Verfolgungsschicksal stützen, wenn dieses seine Wurzel in allgemeinen Verhältnissen hat.

Die Vermutung ist erst ausgeräumt, wenn der Asylbewerber die Umstände seiner politischen Verfolgung schlüssig und substantiiert vorträgt. Dieser Vortrag muß vor dem Hintergrund der Feststellung des Gesetzgebers, daß in dem jeweiligen Staat im allgemeinen keine politische Verfolgung stattfindet, der Erkenntnisse der Behörden und Gerichte zu den allgemeinen Verhältnissen des Staats und der Glaubwürdigkeit des Ast. glaubhaft sein. Zur Substantiierung trägt insoweit bei, wenn der Asylbewerber die Beweismittel vorlegt oder benennt, die nach den Umständen von ihm erwartet werden können. Diesen Voraussetzungen wird ein Ast. um so schwerer genügen können, je mehr er seine individuelle Verfolgungsfurcht auf allgemeine Verhältnisse gründet, die schon der gesetzlichen Kennzeichnung des Staats als sicherer Herkunftsstaat oder der Aufrechterhaltung dieser Qualifizierung entgegenstehen.

b)         Da Inhalt und Reichweite der Vermutung dahin gehen, daß dem Ast. in dem gesetzlich als sicher eingestuften Herkunftsstaat keine politische Verfolgung droht, kann sie nur durch einen Vortrag zu individuell drohender politischer Verfolgung ausgeräumt werden. Politische Verfolgung kann - wie dargelegt (vgl. oben C. Ill. 1. a) - auch dann vorliegen, wenn selbstgeschaffene Nachfluchtgründe zwar nicht ein Asylrecht, wohl aber ein Abschiebungshindernis gemäß § 51 AusIG begründen. Die Berufung auf eine drohende -nicht politisch motivierte - unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung kann hingegen diese Vermutung fehlender politischer Verfolgung nicht ausräumen; in Einzelfällen kann sie allenfalls im Zusammenhang mit weiterem erheblichem Vortrag unterstützend als Indiz dafür herangezogen werden, daß dem Ast. auch politische Verfolgung droht.

c)         Das Fehlen anderer Abschiebungshindemisse wird von der Vermutung des Art. 16a Abs. 3 GG nicht erfaßt (vgl. oben C. Ill. 1. b). Solche Abschiebungshindernisse, wie sie etwa in § 53 AusIG im einzelnen aufgeführt sind, sind daher unabhängig von der Frage einer Ausräumung der Vermutung zu prüfen (vgl. § 31 Abs. 3 AsylVfG). Dabei kann allerdings die der Bestimmung zum sicheren Herkunftsstaat zugrundeliegende generelle Beurteilung der Sicherheit vor unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung im Einzelfall eine Rolle spielen.

IV.

Die vom verfassungsändernden Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 3 GG getroffene Regelung ist mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar (vgl. das Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 2 BvR 1938/93 u.a., EZAR 208 Nr. 7).

V.

1.         Die Bestimmung Ghanas zum sicheren Herkunftsstaat iSd Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG durch Anlage II zu § 29a AsylVfG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

a)         Der Gesetzgeber hat bei Erhebung und Aufbereitung der für seine Bestimmung maßgeblichen, die Verhältnisse in Ghana betreffenden Tatsachen den ihm zustehenden Entscheidungs- und Wertungsspielraum eingehalten.

Dem Gesetzentwurf zur Änderung des AsylVfG (BT-Drs. 12/4450) lag für Ghana ein Prüfbericht vom 5.1.1993 zugrunde. Dieser Bericht sowie die ergänzende Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern zu Ghana vom 27.4.1993 waren Grundlagen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens (vgl. im einzelnen oben A. I. 2.). Damit ist der,Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht geworden. Die verfassungsgerichdiche Nachprüfung ergibt keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, daß die herangezogenen Quellen und Erkenntnismittel nicht geeignet oder nicht ausreichend gewesen wären, ein hinlänglich zuverlässiges Bild über die Verhältnisse in Ghana zu verrnitteln. Die Stellungnahmen der Vertreter des UNHCR und von amnesty international in der mündlichen Verhandlung haben keine Hinweise auf weitere Erkenntnisse ergeben, deren Berücksichtigung sich dem Gesetzgeber seinerzeit hätte nahelegen müssen.

b)         Auch die Beurteilung der ermittelten tatsächlichen Verhältnisse mit dem Ergebnis, daß Ghana nach dem Erkenntnisstand des Jahres 1993 zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt wurde, erweist sich als verfassungsrechtlich tragfähig; sie kann sich auf gute Gründe stützen. Bei den verschiedenen Faktoren, die er seiner Prüfung zugrunde gelegt hat, hat der Gesetzgeber sich an den in. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG genannten Prüfkriterien orientiert. Er hat überdies die Schlußfolgerungen der für Einwanderungsfragen zuständigen Minister der EG-Mitgliedstaaten vom 30.11./1.12.1992 betreffend Länder, in denen im allgemeinen keine ernstliche Verfolgungsgefahr besteht, berücksichtigt (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 22). Die Bewertung der ermittelten Erkenntnisse zu Ghana anhand dieser Kriterien sowie die hieran anknüpfende Prognose über die weitere Entwicklung in diesem Land halten sich innerhalb des dem Gesetzgeber insoweit eingeräumten Einschätzungsund Wertungsspielraums.

aa)        Der Gesetzgeber durfte als gewährleistet ansehen, daß in Ghana keine politische Verfolgung stattfindet.

(1)        Für die Beurteilung der allgemeinen politischen Lage in Ghana hat er maßgeblich auf den zur Jahreswende 1992/1993 - wenn auch unter Wahrung weitgehender personeller Identität - vollzogenen Wechsel von der Militärdiktatur hin zu einer demokratisch legitimierten Zivilregierung abgestellt. Bedeutsam hierfür waren nach seiner Auffassung die im November und Dezember 1992 abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die von ausländischen Beobachtern als frei und fair angesehen wurden, sowie die am 7.1.1993 in Kraft getretene neue Verfassung (mit einigen für die Dauer von sechs Monaten geltenden Übergangsbestimmungen). Im Prüfbericht zu Ghana vom 5.1.1993 wird darüber hinaus hervorgehoben, daß eine Reihe von Gesetzen, die eine Inhaftierung von unbestimmter Dauer ohne konkrete rechtliche Grundlage erlaubten, inzwischen aufgehoben worden seien. Andere Gesetze, welche die Pressefreiheit eingeschränkt oder eine Registrierungspflicht für Religionsgemeinschaften vorge sehen hätten, seien durch die neue Verfassung und die dort aufgeführten freiheitlichen Garantien außer Kraft getreten.

(2)        Der Gesetzgeber ist auf der Grundlage des erwähnten Prüfberichts weiter davon ausgegangen, daß in Ghana keine politische Verfolgung von Oppositionellen stattfindet. Lediglich bei subversivem Vorgehen (Staatsstreich, Putschversuche oder Umsturzaktionen) sei mit staatlichem Eingreifen zu rechnen. Anhaltspunkte dafür, daß bereits die entsprechenden Staatsschutzbestimmungen selbst außerhalb des fechtsstaatlichen Rahmens liegen, bestehen nicht. Es mußte sich dem Gesetzgeber aufgrund des vorliegenden Erkenntnismaterials auch nicht aufdrängen, aus der konkreten Anwendung von Staatsschutzbestimmungen erwachse in einem beachtlichen Maße die Gefahr politischer Verfolgung. Die Angaben der Vertreterin von amnesty international in der mündlichen Verhandlung für den Zeitraum seit 1993 stehen dem nicht entgegen, zumal die in diesem Zusammenhang erwähnten Einzelfälle in ihrem Ausgang noch offen sind. Soweit die Bf. eine Liste mit insgesamt 64 Fällen aus der Zeit von Mai 1991 bis Februar 1993 vorgelegt haben, in denen die Teilnahme an regierungsfeindlichen Kundgebungen politisch motivierte Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen zur Folge gehabt habe, läßt sich' dies schon deshalb nicht zuverlässig nachprüfen, weil die Fälle entweder ohne jegliche Schilderung der näheren Umstände oder lediglich unter Nennung von Namen angeblich Betroffener aufgezählt werden. Im übrigen gewährleistet nun die neue Verfassung Ghanas Demonstrationsfreiheit ohne den Vorbehalt einer behördlichen Erlaubnis.

(3)        Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, daß der Gesetzgeber vom Bestehen einer unabhängigen Gerichtsbarkeit in Ghana ausgegangen ist. Zwar handelte es sich bei den Anfang der achtziger Jahre von der damaligen Militärregierung neben den ordentlichen Gerichten eingeführten »Publie Tribunals« um eine Sondergerichtsbarkeit insbesondere zur Aburteilung sogenannter »politischer« Straftaten; diese Sondergerichte konnten nicht als unabhängige Justizorgane angesehen werden. Mit Inkrafttreten der neuen Verfassung und dem ebenfalls 1993 eingeführten neuen Gerichtsgesetz (Courts Act) sind die »Public Tribunals« aber als Sondergerichtsbarkeit abgeschafft und in die ordentliche Gerichtsbarkeit eingegliedert worden. Das Verfahren zur Auswahl der Berufsrichter sichert deren Unabhängigkeit; Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen sind nunmehr gewährleistet.

(4)        Für die Richtigkeit seiner Beurteilung über die Sicherheit vor politischer Verfolgung in Ghana verweist der ergänzende Prüfbericht vom 27.4.1993 auf die äußerst geringe Anerkennungsquote von lediglich 0,32 % im Jahre 1992 bei Asylantragstellern aus Ghana. Nach den Angaben des Vertreters von UNHCR in der mündlichen Verhandlung betrug die Quote auch in den Jahren 1990 und 1991 weniger als 1 % und lag damit im Rahmen vergleichbarer europäischer Durchschnittswerte.

(5)        Die Darstellung des Vertreters von UNHCR über die weitere Entwicklung seit 1993 in der mündlichen Verhandlung bestätigt die verfassungsrechtliche Tragfähigkeit der Bestimmung des Gesetzgebers. Danach haben sich seit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung keine Anhaltspunkte für eine Praxis systematischer Verfolgung bestimmter Personengruppen ergeben; auch liegen keine Informationen über weitverbreitete und massive Menschenrechtsverletzungen vor. Die Angaben der Vertreterin von amnesty intemational in der mündlichen Verhandlung stehen dem nicht entgegen. Dem Gesetzgeber steht auch bei der Prognose über die weitere Entwicklung in einem Staat ein Einschätzungsspielraum zu; dies gilt nicht zuletzt im Hinblick auf gewisse Unsicherheiten, die innenpolitischen Umbruchsituationen wie derjenigen in Ghana beim Übergang von einer Militär- zu einer demokratisch legitimierten Zivilregierung notwendigerweise innewohnen. Der Gesetzgeber war nicht von Verfassungs wegen gehalten, die Bestimmung Ghanas zum sicheren Herkunftsstaat wegen solcher Unsicherheiten durch weitere Aufklärung zusätzlich abzusichern oder zunächst aufzuschieben. Freilich erfordert eine derartige innenpolitische Situation eine besonders sorgfältige Beobachtung - was übrigens auch der Prüfbericht vom 5.1.1993 ausdrücklich anmahnt - und gegebenenfalls ein rasches Handeln nach Maßgabe des § 29a Abs. 3 AsylVfG.

bb)        Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet ferner die Einschätzung des Gesetzgebers, es erscheine gewährleistet, daß in Ghana auch keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.

Zwar hat Ghana das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vom 10.12.1984 nach wie vor nicht unterzeichnet. Aus den im Gesetzgebungsverfahren herangezogenen Erkenntnismitteln durfte der Gesetzgeber jedoch den Schluß ziehen, Anhaltspunkte für die Anwendung von Folter in Ghana seien nicht bekannt. Die Angaben des Vertreters von UNHCR in der mündlichen Verhandlung über die weitere Entwicklung in Ghana seit 1993 haben dies bestätigt.

Die Tatsache, daß Ghana die Todesstrafe kennt, steht seiner Bestimmung zum sicheren Herkunftsstaat nicht entgegen. Mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung ist die Todesstrafe nur noch für bestimmte Taten mit schwerstem Unrechtsgehalt, wie zB Mord, Raub mit Todesfolge, Hochverrat oder gewaltsamen Umsturz vorgesehen. Die Gefahr, daß die Todesstrafe auch für andere Delikte verhängt und vollstreckt wird, für die sie das Gesetz nicht vorsieht, erscheint nach Inkrafttreten der neuen Verfassung und der damit verbundene Abschaffung der Sondergerichtsbarkeit (Public Tribunals) ausgeräumt; insbesondere sind das Public Tribunals Law (PNDC Gesetz 78) aus dem Jahre 1984 und damit auch dessen Art. 16, der eine solche Praxis ermöglichte, ersatzlos entfallen. Überdies ist nach Art. 19 der neuen Verfassung Ghanas die Verhängung der Todesstrafe dadurch erschwert, daß - im Gegensatz zum Mehrheitsprinzip bei sonstigen Verurteilungen -Einstimmigkeit im Spruchkörper erforderlich ist. Nach dem Kenntnisstand im Gesetzgebungsverfahren lagen die letzten Vollstreckungen von Todesurteilen bereits drei Jahre zurück (1990 insgesamt 9 Vollstreckungen). Die neuerlichen und seither - soweit ersichtlich - letzten Vollstreckungen im Juli 1993 konnten dem Gesetzgeber bei seiner Beurteilung noch nicht bekannt sein, im übrigen lagen ihnen Verurteilungen wegen schwerer Kriminalität zugrunde. Hiernach konnte der Gesetzgeber im Rahmen einer Gesaintbetrachtung auch der generellen Entwicklung von Rechtslage, Rechtsanwendung und allgemeinen politischen Verhältnissen in Ghana seit Anfang 1993 von seiner Sicherheit auch vor unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung in Ghana ausgehen.

2.         Auch die angegriffenen, auf § 29a Abs. 1 AsylVfG beruhenden Beschlüsse des VG begegnen - jedenfalls im Ergebnis - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a)         § 29a Abs. 1 AsylVfG hält sich im Rahmen von Art. 16a Abs. 3 und 4 GG. Nach jener Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, daß ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.

Soweit § 29a Abs. 1 AsylVfG abweichend vom Wortlaut des Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG für die Ausräumung der Vermutung die Angabe von »Tatsachen oder Beweismitteln« verlangt, werden damit keine weitergehenden Anforderungen aufgestellt. Insbesondere' fordert die Vorschrift nicht, der Ast. müsse beweisen, daß ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dort politische Verfolgung droht. Hiergegen spricht schon der Wortlaut von § 29a Abs. 1 AsylVfG selbst, wonach der Ast. zur Entkräftung der Vermutung Tatsachen oder Beweismittel angeben kann. Zur erforderlichen Substantiierung des Vorbringens, das die Vermutung ausräumen soll, kann im Einzelfall freilich die Vorlage oder Benennung von Beweismitteln beitragen.

Auch soweit § 29a Abs. 1 AsylVfG im übrigen in seinem Wortlaut von Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG abweicht, handelt es sich lediglich um redaktionelle Unterschiede. Mit der zur Ausräumung der Vermutung erforderlichen Annahme, daß »dem Ausländer abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht«, beschreibt § 29a Abs. 1 AsylVfG die in der Verfassung niedergelegten Anforderungen lediglich sprachlich verkürzt, aber inhaltlich übereinstimmend: Die an die Herkunft aus einem Staat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG geknüpfte Vermutung, der Ausländer werde nicht (politisch) verfolgt, kann nur durch ein Vorbringen ausgeräumt werden, das die Annahme begründet, er werde entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt. Bei diesem Verständnis kann der einfachrechtlichen Formulierung »... abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsland... « auch nicht entnommen werden, § 29a Abs. 1 AsylVfG verlange für die Ausräumung der Vermutung ein Vorbringen, das die gesetzliche Qualifizierung des Herkunftsstaats nach Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in Zweifel ziehe. Insofern gelten vielmehr die bereits dargelegten Grundsätze (vgl. oben III. 2. b).

b)         Das VG hat die vom Bundesamt vertretene Auffassung bestätigt, die Bf. hätten mit ihrem Vorbringen die Vermutung, ihnen drohe in Ghana keine politische Verfolgung, nicht ausgeräumt. Einer gesonderten Begründung dafür, daß die Asylanträge als »offensichtlich unbegründet« abzulehnen waren, bedurfte es danach nicht; die qualifzierte Ablehnung ist gemäß § 29a Abs. 1 AsylVfG für diesen Fall zwingend vorgeschrieben. In den im wesentlichen gleichlautenden Begründungen der angegriffenen Beschlüsse hat das VG dennoch zunächst auf die allgemeine politische Situation in Ghana abgehoben, wie sie sich aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 1.4.1993 ergab; sodann hat es das Vorbringen der Bf. knapp zusammengefaßt, um ohne weitere Erläuterung festzustellen, damit werde eine Annahme, daß den Bf abweichend von der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsland politische Verfolgung drohe, nicht begründet.

Die an der entscheidenden Stelle äußerst knappe Begründung läßt sich verschieden deuten. Ihr könnte die Auffass

ung des VG entnommen werden, schon die Bestimmung Ghana zum sicheren Herkunftsstaat erübrige eine Prüfung, ob den Bf. politische Verfolgung drohe. Eine solche Argumentation könnte, weil mit ihr die in Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG niedergelegten Anforderungen an das Ausräumen der Vermutung verkannt würden, verfassungsrechtlich keinen Bestand haben (vgl. BVerfGE 89, 101). Sie liefe letztlich auf die Annahme hinaus, der Darlegung der Bf sie hätten ein individuelles besonderes Verfolgungsschicksal erlitten, stehe bereits die Einschätzung des Gesetzgebers entgegen, daß in ihrem Heimatstaat keine politische Verfolgung stattfinde. Damit wäre den Bf. aber von vornherein jede Möglichkeit genommen, die an ihre Herkunft aus Ghana anknüpfende Vermutung der Verfolgungsfreiheit auszuräumen.

Die Begründung der angegriffenen Beschlüsse läßt aber auch eine andere Deutung zu. Diese erschließt sich freilich erst aus den im Verlauf des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens. Die Bf. haben bei ihren Anhörungen durch Grenzschutzamt und Bundesamt angegeben, in Ghana an Demonstrationen teilgenommen zu haben, in deren Verlauf es zu Gewalttätigkeiten und Sachbeschädigungen gekommen sei. So hat die Bfin. zu I bei ihrer Befragung durch das Bundesamt berichtet, sie hätten die Marktstände solcher Verkäuferinnen, die sich nicht an dem Streik hätten beteiligen wollen, umgestoßen. Ihre Festnahme sei erfolgt, weil man sie für die Sachbeschädigungen habe verantwortlich machen wollen. Der Bf. zu 2 berichtete beim Bundesamt, während der Kundgebung vor den Häusern von NDC-Mitgliedern sei es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und zu Sachbeschädigungen gekommen, wobei ein Teil eines Hauses in Brand gesetzt und Fensterscheiben und Kühlschränke zerstört worden seien. Das Bundesamt hat in seinen Bescheiden angenommen, daß die Bf allenfalls eine Verfolgung wegen Straftaten, nicht aber wegen der Teilnahme an einer Demonstration zu erwarten hätten. Das VG verhält sich zu dieser in den Bescheiden des Bundesamts gegebenen Begründung nicht ausdrücklich. Es liegt aber nahe, daß dieser sich aus den Akten ergebende Sachverhalt im fachgerichtlichen Eilverfahren zugrunde gelegt worden ist. Das VG hat bereits die schlüssige Darlegung eines individuellen Verfolgungsschicksals durch die Bf. verneinen wollen, indem es ihr Vorbringen knapp zusammengefaßt und sodann seine Schlußfolgerung anfügt, damit werde nicht ausreichend begründet, daß den Bf. abweichend von der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsland politische Verfolgung drohe. Von dieser Deutung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geht der Senat aus. Er überprüft, ob diese Begründung für die Ablehnung verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes verfassungsrechtlich zutreffend ist.

Dies ist der Fall: Das Gericht geht von Verkennung der asylrechtlichen Gewährleistung davon aus, daß das Vorbringen der Bf. vor dem dargestellten tatsächlichen Hintergrund nicht einmal die Möglichkeit erkennen läßt, daß ihnen in Ghana politische Verfolgung droht. Eine solche liegt grundsätzlich dann nicht vor, wenn der Staat Straftaten - seien sie auch politisch motiviert - verfolgt, die siclf gegen Rechtsgüter seiner Bürger richten: Die Verfolgung kriminellen Unrechts in diesem Sinne ist keine politische Verfolgung. Anhaltspunkte dafür, daß eine etwaige Strafverfolgung wegen der Teilnahme an Demonstrationen die Bf. neben der Ahndung kriminellen Unrechts - trotz der von der Verfassung Ghanas garantierten Demonstrationsfreiheit - auch wegen eines asylerheblichen Merkmals treffen sollte (vgl. BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20), hat das VG zu Recht nicht gesehen.

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