1. Verfassung

1.1. Staatsname

Der offizielle Staatsname in Hindi lautet Bharatiya Ganarajiya beziehungsweise Bharat in der Kurzform. (Republic of India; Republik Indien).

1.2. Staatssymbol und Staatswappen

Flagge: orange-weiss-grün Staatswappen Asoka-Rad auf weiss Quelle: Meyers Grosses Universallexikon. Mannheim. 1983

1.3. Staatsform

Die Verfassung vom 26.1.1950 proklamiert Indien als unabhängige, demokratisch-sozialistische, säkulare und föderale Republik mit parlamentarischem Regierungssystem auf nationaler und gliedstaatlicher Ebene. Die indische Union setzt sich aus folgenden 25 Staaten zusammen: Andhra Pradesh (Hauptstadt: Hyderabad), Arunachal Pradesh (Itanagar), Assam (Dispur), Bihar (Patna), Goa (Panaji), Gujarat (Gandhinagar), Haryana (Chandigarh), Himachal Pradesh (Simla), Jammu und Kaschmir (Srinagar), Karnataka (Bangalore), Kerala (Trivandrum), Madhya Pradesh (Bhopal), Maharashtra (Bombay), Manipur (Imphal), Meghalaya (Shillong), Mizoram (Aizawl), Nagaland (Kohima), Orissa (Bhubaneshwar), Punjab (Chandigarh), Rajasthan (Jaipur), Sikkim (Gangtok), Tamil Nadu (Madras), Tripura (Agartala), Uttar Pradesh (Lucknow) und Westbengalen (Calcutta). Dazu kommen folgende sechs Unionsterritorien, welche der unmittelbaren Verwaltung der Zentralregierung unterstehen: Andamanen/Nikobaren, Chandigarh, Dadra und Nagar Haveli, Daman und Diu, Delhi, Lakshadweep sowie Pondicherry. Aussenpolitik, Verteidigung, Verkehr und Atomenergie fallen ausschliesslich in den Kompetenzbereich des Zentralstaates. Die Kompetenzen der Unionsstaaten liegen namentlich in den Bereichen Polizei, Gesundheitswesen und Erziehung. Auch dürfen die Unionsstaaten eigene Gesetze im Strafrecht, im Eherecht sowie im Bereich der sozialen Wohlfahrt erlassen, sofern diese nicht im Widerspruch zur Gesetzgebung des Zentralstaates stehen. Insgesamt ist das Kräfteverhältnis zugunsten der Zentralmacht angelegt: Diese kontrolliert den Finanzausgleich und hat zudem die Möglichkeit, gegebenenfalls die direkte Kontrolle über einen Unionsstaat (President's Rule) zu übernehmen.

2. Soziales und Kultur

2.1. Bevölkerung

Die ethnische, sprachliche, religiöse und kulturelle Zusammensetzung der indischen Bevölkerung ist äusserst komplex: Allein die zwei grossen Sprachfamilien (indoeuropäische und drawidische) unterteilen sich zumindest in 14 grössere sprachliche und kulturelle Gruppen. Weiter gibt es hunderte von indigenen Gruppen (Adivasi), Nachkommen der Urbevölkerung des Subkontinentes, welche heute noch etwa 7,5% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Die grösste Minderheit mit einem Anteil von 15% stellen jedoch die sogenannten ‚Unberührbaren‘, Dalits oder Harijans genannt, dar. Diese werden durch das Kastensystem, welches de facto noch immer wirksam ist, als Kastenlose ausgegrenzt. Die Einteilung der übrigen Gesellschaft in vier Kasten (Brahmanen, Kshatriyas, Vaishyas und Shudras) ist daneben nur eine grobe Unterteilung. Tatsächlich existieren etwa 3‘000 Jati (Subkasten) die sich gegenseitig ab- und ausgrenzen. Die Bevölkerungszahl hat sich in Indien seit der Unabhängigkeit 1947 verdreifacht und wird auf etwa 950 Millionen oder 16% der Erdbevölkerung geschätzt (die Zahlen sind von der letzten Volkszählung 1991 an hochgerechnet). Das anhaltende Bevölkerungswachstum, welches über 2% beträgt, stellt nach wie vor eines der grössten Probleme des Landes dar. Zwar ist die Fertilitätsrate in den letzten zwanzig Jahren deutlich gesunken, liegt aber immer noch bei etwa 3,5%. Dafür hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung seit der Unabhängigkeit verdoppelt und liegt heute bei etwa 60 Jahren. Es wird damit gerechnet, dass Indien nach dem Jahre 2‘000 bevölkerungsmässig die Milliardengrenze überschreiten wird. Über 70% der Einwohner leben auf dem Lande. Die Abwanderung in die städtischen Agglomerationen nimmt jedoch laufend zu. Die grössten urbanen Zentren sind New Delhi (Hauptstadt) mit fast neun, Mumbai (ehemals Bombay, die Wirtschaftsmetropole) mit 13, Kalkutta mit über elf, Chennai (Madras) mit fast sechs, Hyderabad und Bangalore mit etwa 4,5 Millionen Einwohnern, gefolgt von den weiteren Millionenstädten Ahmedabad, Poona, Kanpur, Nagpur, Jaipur und Lucknow.

2.2. Sprache

In Indien werden mehrere hundert verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen. Offizielle Landessprache ist Hindi, welches vor allem im Norden des Landes verbreitet ist und von über einem Drittel der Gesamtbevölkerung gesprochen wird. Englisch gilt vorläufig weiterhin als Amtssprache. Weitere 15 Regionalsprachen sind als offizielle und gleichberechtigte Amtssprachen in denjenigen Unionsstaaten, wo sie signifikant vertreten sind, anerkannt. Dies sind: Assamesisch (Assam), Bengali (Bengalen), Gujarati (Gujarat), Kannada (Karnataka), Kashmiri (Kaschmir), Konkani (Goa), Malayalam (Kerala), Marathi (Maharashtra), Oriya (Orissa), Punjabi (Punjab), Sindhi (Nordwestindien), Tamil (Tamil Nadu), Telugu (Andhra Pradesh) Urdu (Nordindien) und Nepali (Darjeelingebiet in Bengalen). Sprachenübersicht Quelle: Based on Information from Francis Robinson, ed., The Cambridge Encyclopedia of India, Pakistan, Sri Lanka, Nepal, Bhu Cambridge, 1989, 404; S. Muthiah, ed., A Social and Economic Atlas of India, Delhi, 1992, 39; and Joseph E. Schwartzberg, ed., AH Asia, New York, 1992, 102 2.3. Religion Indien kennt keine Staatsreligion. Die Verfassung garantiert jedem Bürger die Freiheit des Glaubens, der Glaubenstreue und der Glaubensausübung. Niemand darf wegen seiner Religion diskriminiert werden (Art. 15). Im Gegensatz zu dieser verfassungsmässigen Toleranz kommt es im Alltag jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften. Ursachen dafür sind meist weniger religiöse Gegensätze als vielmehr die grossen sozialen Spannungen. Die Volkszählung von 1991 ergab folgende prozentuale Verteilung der verschiedenen Religionsgemeinschaften: · Hindus, 83% · Muslime (vorwiegend Sunniten), 10,9%. Diese sind im ganzen Lande ansässig, vorwiegend aber in Uttar Pradesh, Bihar, Bengalen, Kerala sowie in Jammu & Kaschmir, dem einzigen Unionsstaat mit einer muslimischen Mehrheit. · Christen (vorwiegend Katholiken), 2,4% · Sikhs, 1,9%. Im Punjab stellen sie knapp die Mehrheit der Bevölkerung. · Buddhisten, 0,7% · Jainas, 0,5% · Parsen, 0,1% Daneben gibt es zahlreiche weitere Religionsgemeinschaften, wie die Bahai, die Juden etc., welche zahlenmässig jedoch kaum ins Gewicht fallen.

2.4. Schul- und Bildungswesen

Das Erziehungswesen obliegt den einzelnen Unionsstaaten. Die Zentralregierung hat lediglich die Aufsicht über die sieben ‚zentralen‘ Universitäten und sollte eine Koordinationsfunktion zwischen den einzelnen Gliedstaaten wahrnehmen. Entsprechend der Vielfalt von Ethnien, Sprachen und Religionen, aber auch der sozialen Schichtung und der Kastenzugehörigkeit, gibt es keine einheitliche Schulpraxis in Indien. So schreibt Artikel 45 der Verfassung zwar die Schulpflicht für alle Kinder vom sechsten bis zum 14. Lebensjahr vor, trotzdem bestehen aber in zehn Unionsstaaten keine entsprechenden gesetzlichen Ausführungsbestimmungen. Normalerweise dauert die Grundschule fünf Jahre. Danach folgt die obere Primarstufe (Klasse VI bis VIII). Es herrscht auf allen Stufen ein Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal. Gemäss dem Zensus von 1991 waren immer noch 47,9% der über 15jährigen Analphabeten. Benachteiligt sind vor allem die Frauen, die Landbewohner, die sogenannten ‘Unberührbaren' sowie Angehörige der Stammesbevölkerung. Von Seiten des wirtschaftlich aufstrebenden Mittelstandes wächst die Nachfrage nach Plätzen an privaten Eliteschulen.

2.5. Medizinische Infrastruktur

Die Gesundheit von schätzungsweise einem Drittel der Bevölkerung wird durch Armut, Mangelernährung, unzureichende Trinkwasserversorgung, prekäre hygienische Verhältnisse sowie Umweltverschmutzung beeinträchtigt. Nebst der westlichen Medizin (British medicine), welcher bei der Bekämpfung von drohenden Massenkrankheiten wie Malaria, Filariasis, Tuberkulose, Lepra, Cholera, Pocken, Pest etc. eine vorrangige Bedeutung zukommt, fördert die Regierung auch die traditionellen indischen Medizinsysteme wie Ayurveda, Unani, Siddha sowie die Homöopathie (German medicine). Die Statistik von 1990 weist für die westliche Medizin 4‘526 Regierungskrankenhäuser mit 425‘407 Betten und 12‘639 Dispensarien sowie 5‘646 private und freigemeinnützige Krankenhäuser mit 177‘000 Betten und 15‘665 Dispensarien auf. Die Statistik führt weiter 331'630 registrierte Ärzte, 245‘415 Krankenschwestern, Pfleger und Hebammen, 132‘923 Hilfsschwestern und 15‘817 Mitarbeiter anderer Gesundheitsberufe auf. Bei den traditionellen Heilsystemen und der Homöopathie sind insgesamt 1‘853 Krankenhäuser, 18‘971 Dispensarien sowie 491‘146 Ärzte registriert. Indien verfügt über hochqualifizierte Fachärzte von Weltruf, so beispielsweise auf dem Gebiet der Organtransplantation. Die gute staatliche wie auch private medizinische Versorgung beschränkt sich allerdings im wesentlichen auf die besseren Quartiere in den städtischen Agglomerationen. Das staatliche Gesundheitswesen, welches vom ‘Ministry of Health and Family Welfare' koordiniert wird, war in den letzten Jahren bestrebt, vor allem die Basisgesundheitsdienste (Primary Health Care) auszubauen, welche auch auf Dorfebene eine medizinische Versorgung gewährleisten sollten. Dazu wurde in grosser Zahl medizinisches Hilfspersonal (Village Health Guides) ausgebildet und Erste-Hilfe-Stationen (Primary Health Centres) eingerichtet. Grosses Gewicht wird nach wie vor auf Programme zur Familienplanung sowie auf die medizinische Mutter-Kind-Betreuung gelegt. Die Gesundheitspolitik zeigt jedoch in den einzelnen Unionsstaaten höchst unterschiedliche Resultate. Eine aufgeblähte und korrupte Bürokratie sowie Geldmangel verhindern oft die Umsetzung der gewünschten Ziele.

3. Frau und Familie

Obschon die Verfassung die Gleichstellung von Mann und Frau postuliert, sind im Alltagsleben immer noch die sozialen Normen eines patriarchalischen Bewusstseins prägend, welche den Frauen eine minderwertige Stellung im häuslich-familiären Umkreis zuweist. Bereits als Nachwuchs sind Mädchen wenig erwünscht: So werden aufgrund der Fortschritte bei der medizinischen Diagnostik mehr denn je weibliche Föten abgetrieben. Mädchen werden im Durchschnitt auch schlechter ernährt als Knaben und weisen entsprechend eine höhere Sterberate auf. Indien gehört zu den wenigen Ländern, welche ein Frauendefizit aufweisen: Auf hundert Männer kommen lediglich 92 Frauen. Die Diskriminierung gegenüber dem weiblichen Geschlecht setzt sich auch bei der Schulbildung fort, wie die Diskrepanz zwischen Männern und Frauen bei der Alphabetisierungsrate deutlich beweist. Da das Hauptbestreben der meisten Eltern dahin geht, für ihre Kinder eine geeignete Ehe zu arrangieren, stellen Töchter wegen der zu leistenden Mitgift eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Ungeachtet des seit 1961 bestehenden gesetzlichen Verbotes wird das Mitgift-System weiterhin praktiziert. Dessen materielle Anreize können auf Seiten des Mannes zu Missbräuchen führen: Eine besonders tragische Folge davon sind die oft als Unfälle getarnten Mitgift-Morde von denen jedes Jahr mehrere hundert Frauen betroffen sind. Vereinzelt wird auch noch der archaische Brauch des Sati (Witwenverbrennung) praktiziert, welcher bedeuten soll, dass die Frau keine Daseinsberechtigung ausserhalb ihres Ehemannes hat. Schliesslich werden die Frauen auch im Zivilrecht teilweise benachteiligt, namentlich im hinduistischen und im islamischen Erbrecht welche beide in Indien rechtsgültig sind, sowie im islamischen Scheidungsrecht. Bezüglich der Stellung der Frau gilt es aber auch den Veränderungsprozess im Lande und die grossen regionalen, sozialen und kulturellen Unterschiede zu berücksichtigen. So ist etwa in Kerala keine Diskriminierung der Frauen bezüglich Schulbildung festzustellen. Auch weist dieser Unionsstaat einen natürlichen Geburtenüberschuss an Mädchen auf. Etwa ein Drittel der Bevölkerung wird von einer mittelständischen und städtischen Lebensweise geprägt. Die Zahl von eigenständigen und selbstbewussten Frauen nimmt in dieser Bevölkerungsschicht zu. Immer mehr schaffen den Sprung in gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Spitzenpositionen. Aus diesem Milieu kommen auch starke Impulse für frauenpolitische Anliegen. Es existieren zudem zahlreiche Frauenorganisationen und NGOs, welche Frauenförderung betreiben oder sich aktiv für die Umsetzung der verfassungsrechtlich postulierten Gleichberechtigung einsetzen.

4. Medien

4.1. Nachrichtenagenturen

Es gibt vier indische Nachrichtenagenturen: Die United News of India (UNI) und der Press Trust of India (PTI) berichten in englischer Sprache, während die Samachar Bharati und die Hindustan Samachar die Bedürfnisse für Hindi sowie andere Sprachgruppen abdecken. Daneben sind sämtliche wichtigen internationalen Nachrichtenagenturen in Indien vertreten.

4.2. Zeitungen und Zeitschriften

Die von der Verfassung garantierte Rede- und Pressefreiheit wird in den Printmedien tatsächlich wahrgenommen. Die Presse erreicht generell ein hohes Niveau und berichtet durchaus differenziert und kritisch. Es gibt seit 1979 einen institutionalisierten Presserat, in welchem Journalisten, Verleger, Intellektuelle und Politiker vertreten sind, welcher einerseits die Pressefreiheit schützen und anderseits über die Einhaltung des journalistischen Ehrenkodexes wachen soll. Dieser untersagt beispielsweise Artikel, welche die Gewalt zwischen Kasten, Religionen oder Ethnien fördern. Dem Presserat stehen jedoch keine Sanktionsmöglichkeiten zu, sondern er kann lediglich aufklären und informieren. Insgesamt gibt es in Indien etwa 33‘000 Zeitungen und Zeitschriften, darunter 3‘700 Tageszeitungen, welche das gesamte kulturelle und linguistische Spektrum des Landes abdecken. 1989 gab es 672 Tageszeitungen in Hindi und 149 in Englisch. Die Tagespresse wird jedoch von weniger als 3% der Gesamtbevölkerung gelesen. Allein etwa 65% der Presseerzeugnisse sind im Besitze von vier Familien aus der Grossindustrie: So gehört die Gruppe der Times of India den Familien Jain und Dalmia, die Indian Express-Gruppe den Goenkas, die Hindustan Times-Gruppe den Birlas und die Ananda Bazar Patrika-Gruppe der Familie Sarkar. Die wichtigsten englischen Tageszeitungen mit einer landesweiten Auflage sind: Times of India, Mumbai (Bombay) u.a.; Indian Express, Delhi u.a.; Hindustan Times, Delhi u.a.; Statesman, Kalkutta u.a. sowie The Hindu, Chennai (Madras) u.a. Die grösste Auflage sämtlicher Tageszeitungen erreicht die Times of India mit einer Zirkulation von etwa 900‘000 Exemplaren.

4.3. Radio

Das staatliche Radio existiert seit 1930. Seit 1936 sendet es unter dem Namen All India Radio (AIR). Das Radio deckt 78% der Landesfläche ab und erreicht etwa 90% der Bevölkerung. Die Regierung stellt in vielen Gemeinschaftszentren auf dem Lande Geräte zur Verfügung, um die Bevölkerung erreichen zu können. Die AIR ist eine der grössten Nachrichtenorganisationen der Welt: Sie unterhält insgesamt 41 Nachrichtenzentren, welche regelmässige Bulletins in 24 Sprachen und 38 Dialekten herausgeben.

4.4. Fernsehen

Das staatliche Fernsehen wurde 1965 gegründet. Seit 1976 ist es unter dem Namen Doordarshan organisiert. Seit 1991 können Star TV und CNN via Satellit empfangen werden. Auch Doordarshan sendet auf zwei Satellitenkanälen. 1996 lagen 82% der Bevölkerung und 67% des Landes im Sendebereich und es waren 38,5 Millionen Fernsehempfänger in Betrieb. Doordarshan unterhält insgesamt 40 Produktionszentren. Die drei Hauptkanäle sind der National Channel, der Metro Channel sowie DD3. Diese werden vorwiegend in Hindi moderiert. Daneben sendet Doordarshan Programme auf 16 weiteren Kanälen. Der Metro Channel soll auch für private Anbieter geöffnet werden.

5. Wirtschaft

5.1. Volkswirtschaft

Indien hat mit einem Anteil von 0,63% des Welthandels nur eine bescheidene Präsenz auf dem Weltmarkt. Die bisherige Wirtschaftsentwicklung wurde durch die Fünfjahrpläne der Regierung geprägt. Dabei erwiesen sich die zahlreichen Reglementierungen unter der Aufsicht einer aufgeblähten Bürokratie als hemmende Faktoren. In den neunziger Jahren setzte eine wirtschaftliche Reformpolitik ein, welche darauf abzielt, die Wirtschaft zu liberalisieren, um dem Land den Zugang zum Weltmarkt zu ermöglichen. Dieser Öffnungsprozess hat einerseits zu einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums geführt, anderseits aber auch die Kluft zwischen reich und arm verschärft. Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft, welche zwar nur ein Drittel des BIP erwirtschaftet, von der aber drei Viertel der Bevölkerung direkt abhängig sind. Wichtigste Anbauprodukte sind Reis, Weizen, Hirse, Mais und Hülsenfrüchte. Baumwolle, Jute, Kautschuk, Tee, Tabak, Kaffee, Zuckerrohr und Gewürze spielen zudem im Exportgeschäft eine Rolle. Die Landwirtschaftserträge sind stark vom Monsunregen abhängig. Die Agroindustrie, welche ein Zukunftspotential hat, steckt noch in den Kinderschuhen; nur etwa ein Prozent aller Bodenprodukte werden industriell verarbeitet. Hohe Zinsen und bürokratische Schikanen verhindern noch oft die notwendigen Investitionen. Der Sekundärsektor (verarbeitende Industrie, Bau, Elektrizität) erwirtschaftet etwa 30% des BIP. Indien produziert eine reichhaltige Palette an verschiedenen Gütern. Viele davon sind immer noch durch Einfuhrrestriktionen vor der ausländischen Konkurrenz geschützt. Ein Schwergewicht bildet die Baumwolltextilindustrie. Weitere wichtige Zweige sind die Eisen- und Stahlindustrie, die chemische Industrie und der Maschinenbau. Das Land verfügt über eine leistungsfähige Nuklear-, Rüstungs- und Weltraumtechnologie. Indische Wissenschaftler, Ingenieure und EDV-Spezialisten gehören mitunter zur Weltspitze. So gilt etwa Bangalore als eine Softwareschmiede der vernetzten Welt. Probleme stellen aber nach wie vor Infrastrukturdefizite sowie der ‚Brain Drain‘, die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte ins Ausland, dar. Der tertiäre Sektor hat den grössten Anteil am BIP. Wichtigste Zweige sind Handel, Transport, Kommunikation, Verwaltung und Verteidigung. Indien erhält jährlich etwa vier Milliarden Dollar Entwicklungshilfe. Das Jahreseinkommen pro Kopf der Bevölkerung liegt bei etwa 310 Dollar. Das Land hat seine Finanzkrise (hohe Auslandverschuldung, hohe Inflation, Zahlungsbilanzdefizit und mangelnde Devisenreserven) noch nicht in den Griff bekommen.

5.2. Beschäftigungssituation

1995 waren statistisch 36 Millionen Arbeitssuchende erfasst. Da ein Grossteil der Bevölkerung von der Subsistenzwirtschaft leben muss, liegt das Potential der Arbeitsnachfrage jedoch wesentlich höher. Diese zieht immer mehr Leute in die grossen Städte oder ins Ausland. Die soziale Absicherung der Erwerbslosen erfolgt durch die Familie. Trotz Verbot ist Kinderarbeit immer noch weit verbreitet. Als weitere problematische Form der Ausbeutung von Arbeitskräften existiert nach wie vor die Schuldknechtschaft (bonded labour).

5.3. Währung

Währungseinheit ist die indische Rupie (iR) = 100 Paisa (P.). Indische Quellen schreiben ‚Rupee‘ (Re.), Plural: ‚Rupees‘ (Rs). Für grosse Geldbeträge werden oft die auf dem indischen Subkontinent üblichen Begriffe ‚lakh‘ (hunderttausend) und ‚crore‘ (zehn Millionen) verwendet. 1 crore Rs = 100 lakh Rs = 10‘000‘000 Rs. 1 iR = 0,04 CHF; 1 CHF = 24,5 Rs (Stand Oktober 1997).   Bodenschätze und Industriestandorte Quelle: Statistisches Bundesamt, Länderbericht Indien 1991

6. Mobilität

6.1. Kommunikationsmittel

Rückgrat des indischen Transportsystems ist die Eisenbahn. Die Bahn ist ein Staatsunternehmen und mit 1,6 Millionen Beschäftigten die grösste Arbeitgeberin im Lande. 1995 wies das Schienennetz eine Länge von 62‘462 Kilometern auf. Davon waren 11‘793 Kilometer elektrifiziert. Das Strassennetz weist eine Gesamtlänge von etwa zwei Millionen Kilometern auf, davon die Hälfte mit befestigter Fahrbahn. Etwa 35‘000 Kilometer sind Nationalstrassen. Auf diesen wickelt sich 40% des Gesamtverkehrs ab. Etwa jedes zweite Dorf ist noch immer ohne Anschluss an das Strassennetz. Schätzungsweise 80% des Personen- sowie 60% des Güterverkehrs erfolgen auf der Strasse. Demgegenüber wickelt sich der internationale Verkehr fast ausschliesslich per Luft (Personen) und per Wasser (Güter) ab: Die indische Handelsflotte bestand Ende 1994 aus 438 Einheiten mit 6,3 Millionen Bruttoregistertonnen (BRT). Das Land verfügt über 150 Häfen, welche sich an der 5‘560 Kilometer langen Küste verteilen. Die Häfen nach Rangfolge mit dem grössten Güterumschlag sind: Mumbai (Bombay), Madras, Kandla, Vishakapatnam, Kalkutta, Marmagao, Cochin, Paradip, New Mangalore, Tuticorin und Nhava Sheva. 1994 wurde das Monopol für die staatlichen Fluglinien Indian Airlines, Air India und Vayudoot aufgehoben. Die Indian Airlines ist seither durch die Konkurrenz von sechs privaten Anbietern im Inlandverkehr unter Druck geraten. Die im internationalen Verkehr tätige Air India hat ebenfalls Probleme, sich im weltweiten Wettbewerb zu behaupten. Der National Airport Authority (NAA) unterstehen 88 zivile Flughäfen, darunter die fünf internationalen Mumbai (Bombay), Delhi, Kalkutta, Madras und Thiruvananthapuram (Trivandrum).

6.2. Reisepapiere

Der Reisepass besteht aus einem blauen Einband aus Kunststoff (flexibel). Die Vorderansicht enthält in der Mitte das Wappen von Indien. Oben ist der Schriftzug ‚Passport‘ in Hindi und in Englisch angebracht und unten ebenfalls zweisprachig der Schriftzug ‚Republic of India‘. Der Pass weist 36 Seiten auf. Die Gültigkeitsdauer beträgt fünf Jahre. Seit September 1996 werden auch Pässe mit einer Gültigkeitsdauer von zwanzig Jahren herausgegeben. Strassennetz Quelle: Statistisches Bundesamt, Länderbericht Indien 1991

7. Regierung

7.1. Staatsoberhaupt

Obschon die Verfassung für das Amt des Staatsoberhauptes eine grosse Machtfülle offen lässt, haben sich die bisherigen Amtsinhaber in der Praxis auf eine repräsentative Rolle beschränkt. Es gibt zudem gewisse Rechtsurteile, welche Grenzen für ein eigenmächtiges Vorgehen des Staatspräsidenten setzen. Auch wurden in den siebziger Jahren Verfassungsänderungen vorgenommen, welche bezweckten, dem Kabinett (Ministerrat) gegenüber dem Präsidenten mehr Gewicht zu verleihen. So besagt das 42. Amendment, dass der Präsident dem Ratschlag des Ministerrats zu folgen hat, und das 44. Amendment sieht vor, dass der Präsident den Notstand nur dann ausrufen kann, wenn dazu ein schriftlicher Beschluss des Ministerrats vorliegt. Der Staatspräsident kann zudem nur auf Anraten des Premierministers hin eine Regionalregierung absetzen und den betreffenden Unionsstaat unter President‘s Rule stellen. Der Staatspräsident wird von einem Gremium gewählt, welches sich aus Abgeordneten des Ober- und des Unterhauses sowie der Parlamente der einzelnen Unionsstaaten zusammensetzt. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Kocheril Raman Narayanan ist Indiens zehnter Präsident und der erste, der aus einem unteren Hindu-Kasten stammt. Er war vorher Vizepräsident gewesen und trat sein Amt am 25. Juli 1997 an. Der Vizepräsident wird durch das Parlament gewählt. Er ist gleichzeitig Vorsitzender der Rajya Sabha, dem Oberhaus. Am 16. August 1997 wurde Krishna Kant als Vizepräsident gewählt.

7.2. Landesregierung

Der Premierminister wird vom Staatspräsidenten ernannt. Er und sein Kabinett müssen die Vertrauensabstimmung im Parlament gewinnen, bevor sie die Regierungsgeschäfte übernehmen können. Die am 1. Juni 1996 eingesetzte Regierung der United Front, eine Parteienkoalition unter der Führung der Janata Dal (JD), musste am 28. November 1997 aufgeben, weil sie nicht mehr auf die Unterstützung durch eine Mehrheit im Parlament zählen konnte. Sie führte danach die Geschäfte nur noch interimistisch bis zu den notwendig gewordenen Neuwahlen im Frühjahr 1998 weiter. Diese brachten am 19. März 1998 eine Mehrparteienkoalition unter der Führung der Bharatiya Janata Party (BJP) an die Macht. Da diese Regierung nur über eine geringe Mehrheit im Parlament verfügt und die einzelnen Koalitionspartner zudem teilweise entgegengesetzte Interessen vertreten, gilt auch sie als wenig stabil. Premierminister ist Atal Behari Vajpayee. Regierungsstruktur Quelle: Ministry of Information and Broadcasting, Research and Reference Division, India, 1994: A Reference Annual, New Delhi, 1995

8. Parlament

Das Unionsparlament besteht aus zwei Kammern: Die Lok Sabha (Volkskammer, Unterhaus) weist 545 Sitze auf. Die Mitglieder werden in einer allgemeinen Volkswahl jeweils für fünf Jahre gewählt. Zwei Sitze sind der anglo-indischen Gemeinschaft vorbehalten und werden durch den Staatspräsidenten vergeben. Das Wahlalter beträgt 18 Jahre. Die Rajya Sabha (Staatenkammer, Oberhaus) weist 245 Sitze auf. Deren Mitglieder werden nach einem Quotensystem von den regionalen Parlamenten für sechs Jahre gewählt, wobei alle zwei Jahre jeweils ein Drittel neu zu bestellen ist. 12 Mitglieder werden vom Staatspräsidenten ernannt. Die Volkskammer hat gegenüber der Staatenkammer beim Gesetzgebungsprozess mehr Gewicht.

9. Verwaltung

Die Unionsstaaten haben eine eigene Verwaltung; die Unionsterritorien hingegen unterstehen der direkten Verwaltung durch die Zentralregierung. In Ausnahmefällen kann die Zentralregierung vorübergehend die Verwaltung in einzelnen Unionsstaaten übernehmen. Auf Empfehlung der Zentralregierung ernennt der Staatspräsident für jeden Unionsstaat einen Gouverneur für eine Amtszeit von fünf Jahren. Der Gouverneur hat neben repräsentativen Funktionen auch Machtbefugnisse: Er kann die Unionsregierung entlassen, den Landtag auflösen und vom Landtag verabschiedete Gesetze zur erneuten Beratung zurückweisen. Er wählt den Chefminister, dessen Amt analog zur Zentralregierung organisiert ist. Der Gouverneur kann formell dem Staatspräsidenten raten, in seinem Unionsstaat den Notstand (President‘s Rule) auszurufen. Die Unionsstaaten sind unterteilt in Distrikte, Kreise und Gemeinden. In den meisten Unionsstaaten und Unionsterritorien besteht das Panchayat-System, bei dem Panchayats (Dorfräte) und Gram Sabhas (Dorfparlamente) die lokale Selbstverwaltung ausüben, vor allem im Erziehungs-, Bau- und Gesundheitswesen.

10. Wahlen

Indische Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besitzen das aktive Wahlrecht zur Lok Sabha (Volkskammer) und zu den gesetzgebenden Versammlungen der Unionsstaaten. Pro Wahlkreis ist jeweils ein Sitz gemäss Majorzsystem zu vergeben. Die Wahlen zur zwölften Lok Sabha fanden zwischen dem 16.2.1998 und dem 7.3.1998 statt. Das Wahlergebnis und der Vergleich mit den Wahlen von 1996 sind in der Tabelle auf der folgenden Seite dargestellt. Dabei ist auch die Zugehörigkeit der einzelnen Parteien zu den drei massgeblichen politischen Blöcken angegeben und zwar wie folgt: * Gehören der Allianz mit der Bharatiya Janata Party (BJP) an. ** Mitglieder der United Front. *** Verbündete der Kongresspartei.   Ergebnis der Parlamentswahlen vom Februar / März 1998
Partei Sitze (1996)
Bharatiya Janata Party (BJP) 181 (162)
All India Congress Committee (I) (Kongresspartei) 141 (141)
Janata Dal (JD)** (Volkspartei) 6 (45)
Rashtriya Janata Dal (RJD)*** 17 ( - )
All India Rashtriya Janata Party (AIRJP)*** 1 ( - )
Janata Party (JP)* 1 ( - )
Biju Janata Dal (BJD)* 9 ( - )
Communist Party of India (Marxist) (CPI-M)** 32 (32)
Tamil Maanila Congress (Moopanar) (TMC-M)** 3 (20)
Telugu Desam Party (Naidu) (TDP)** 12 (17)
Dravida Munnetra Kazhagam (DMK)** 6 (17)
All India Anna Dravida Kazhagam (AIADMK)* 18 ( - )
Marumalarchi Dravida Munnetra Kazhagam (MDMK)* 3 ( - )
Samajwadi Party (SP)** (Sozialistische Partei) 20 (17)
Shiv Sena* (SHS) 6 (15)
Communist Party of India (CPI)** 9 (13)
Bahujan Samaj Party (BSP) 5 (11)
Samata Party (SAP)* (Gleichheitspartei) 12 (8)
Lok Shakti (LS)* (Volksmacht) 3 ( - )
Pattali Makkal Katchi (PMK)* 4 ( - )
Shiromani Akali Dal (SAD)* 8 (8)
Arunachal Congress (AC)* 2 ( - )
Revolutionary Socialist Party (RSP)** 5 (5)
West Bengal Trinamul Congress (WBTC)* 7 ( - )
Haryana Vikas Party (HVP)* 1 (3)
Haryana Lok Dal (HLD)* 4 ( - )
Kerala Congress (M) (KEC-M)*** 1 ( - )
Manipur State Congress Party (MSCP)* 1 ( - )
Sikkim Democratic Front (SDF)* 1 ( - )
All India Forward Bloc (AIFB)** 2 (3)
Indian Union Muslim League (IUML)*** 2 (2)
Republican Party of India (RPI)*** 4 ( - )
Übrige 18 (26)
 

11. Recht und Gerichtswesen

11.1. Recht

Es gelten Rechte unterschiedlicher Art und Herkunft faktisch nebeneinander. So sind traditionelle Rechte der Hindus und Moslems, Stammesrechte und regionales Gewohnheitsrecht, hinterlassene Rechtsnormen aus dem ehemaligen französischen und portugiesischen Kolonialbesitz, Dekrete ehemaliger Fürstentümer sowie vor allem rezipiertes englisches Recht und die Gesetzgebung der britisch-indischen Kolonialregierung wirksam. Artikel 372 der Verfassung vom 26.1.1950 erklärt die Fortgeltung des auf dem Territorium des neu gegründeten Staates in Kraft stehenden Rechts. Zugleich wird die Verfassung als grundlegende Norm des geltenden Rechts bestimmt. Die Abänderungskompetenz obliegt nunmehr einzig den (verfassungsmässig) legitimierten Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsorganen. In diesem Sinne hat sich ein Rechtssystem nach britischem Vorbild als oberstes Leitprinzip durchgesetzt. Dies trifft insbesondere auf das Strafrecht zu, welches im Indian Penal Code (IPC) geregelt ist. In erklärten Unruhegebieten kann die Regierung Antiterrorgesetze zur Anwendung bringen, welche die verfassungsmässig garantierten Grundrechte der Bürger einschränken: Rechtsgrundlagen dafür sind das Gesetz über Unruhegebiete (Disturbed Areas Act) sowie der National Security Act (NSA), der landesweit gültig ist und es den Behörden erlaubt, Personen bis zu einem Jahr in Vorbeugehaft zu nehmen. Das 1985 geschaffene Gesetz über terroristische und umstürzlerische Umtriebe [Terrorist and Disruptive Activities (Prevention) Act - TADA] verlor hingegen im Mai 1995 seine Gültigkeit. Gemäss dem Armed Forces (Special Powers) Act können die Sicherheitskräfte gegebenenfalls dazu ermächtigt werden, in Tötungsabsicht von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Darüber hinaus können in einzelnen Unionsstaaten eigens geschaffene Sonderrechtsbestimmungen zur Anwendung gebracht werden. So ist in Jammu & Kaschmir seit 1978 der Jammu and Kashmir Public Safety Act (PSA) in Kraft.

11.2. Ordentliche Gerichte

Das Oberste Gericht ist der Supreme Court mit Sitz in Delhi. Dieser besteht aus dem Chief Justice sowie maximal 25 Richtern, welche vom Staatspräsidenten ernannt werden. Der Chief Justice hat die Kompetenz, Richter der High Courts ad hoc für eine bestimmte Zeit an das Oberste Gericht zu berufen. Der Supreme Court ist ein Verfassungsgericht. Er regelt die Streitigkeiten zwischen dem Zentralstaat und den Unionsstaaten. Der Supreme Court ist zugleich letzte Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen der untergeordneten Gerichte, namentlich bei Urteilen welche eine Interpretation der Verfassung beinhalten oder bei Todesurteilen. In jedem Unionsstaat befindet sich ein High Court (Obergericht). Es handelt sich dabei um ein Kollegialgericht, welches als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen funktioniert. Der High Court führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Die nachfolgenden untergeordneten Gerichtsinstanzen sind in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt (Subordinate Civil and Criminal Courts). In diesen werden die Fälle jeweils durch einen Einzelrichter entschieden. Die Richter am District and Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle, wobei sie als District Judge Zivilrechtsfälle und als Sessions Judge Straffälle beurteilen. Die Zivilgerichtsbarkeit kennt unterhalb des District Judge noch den Subordinate Judge sowie den Munsif. Entsprechend gibt es bei den Strafgerichten unterhalb des Sessions Judge den 1st Class Judicial Magistrate sowie den 2nd Class Judicial Magistrate mit entsprechend abgestuften Strafkompetenzen. Die Gerichte in Indien sind sehr auf ihre Unabhängigkeit bedacht.

11.3. Sondergerichte

Gestützt auf den National Security Act (NSA) können Sondergerichte eingerichtet werden. Gerichtsverfahren unter dem TADA werden von Sondergerichten - normalerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit - durchgeführt. (Der TADA lief zwar im Mai 1995 aus, Fälle die vor dieser Zeit stammen können jedoch weitergeführt werden).

11.4. Militärgerichte

Straftaten von Angehörigen der Sicherheitskräfte werden vor Militärgerichten beziehungsweise vor Sondergerichten für Angehörige der Sicherheitskräfte (Security Forces Courts) verhandelt.

12. Militär und Sicherheitsorgane

12.1. Militär

Durch die bewaffneten Konflikte mit China und Pakistan haben die Streitkräfte seit der Unabhängigkeit zwar eine Schlüsselstellung gewonnen, die Autorität von ziviler Regierung und Verwaltung ist aber nie angetastet worden. Mit der Zündung eines atomaren Sprengsatzes wurde Indien 1974 zur sechsten Atommacht auf der Welt. In der Waffenproduktion hat das Land eine weitgehende Autarkie erreicht. Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der Staatspräsident. Die verwaltungsmässige und operative Kontrolle liegt beim Verteidigungsminister und den Stabchefs der drei Waffengattungen. Politisches Leitgremium in Verteidigungsfragen ist ein Kabinettsausschuss unter dem Vorsitz des Premierministers. Die im November 1976 verabschiedete Verfassungsänderung sieht unter anderem die Wehrpflicht vor. Diese wurde jedoch in der Praxis bis anhin nicht eingeführt. Die Streitkräfte wiesen 1993 eine Gesamtstärke von 1‘265‘000 Personen auf. Davon entfielen auf das Heer 1‘100‘000, auf die Kriegsmarine 55‘000 und die Luftwaffe 110‘000 Personen. Dazu kommt noch ein Bestand von 525‘000 Reservisten: Heer: 300‘000, Territorialheer (Freiwillige, die zwei Monate pro Jahr an Militärübungen teilnehmen und sonst ihrem zivilen Beruf nachgehen): 160‘000, Kriegsmarine: 25‘000 und Luftwaffe: 40‘000.

12.2. Polizei und Gendarmerie

Jeder Unionsstaat ist für die Erfüllung der Polizeiaufgaben selber zuständig und hat dementsprechend seine eigene Polizei. Die Gesamtstärke dieser Polizeikräfte beträgt 1‘200‘000 Personen. Davon entfallen 600‘000 auf die nur teilweise bewaffnete Landespolizei, 200‘000 auf die bewaffnete Landespolizeitruppe und 400‘000 auf die sogenannte Home Guard. Letztere ist eine unbewaffnete Hilfspolizeitruppe, in welcher Freiwillige teilzeitlich mitmachen. Der Inspector General of Police (IG) beziehungsweise der Director General of Police (DG) ist der höchste Polizeichef in einem Unionsstaat. Er ist dem jeweiligen Innenminister unterstellt. Der Deputy Inspector General (DIG) ist der zuständige Polizeichef für mehrere Distrikte. Der Superintendent (SI) ist Polizeivorsteher eines Distriktes. Er ist verantwortlich für die einzelnen Polizeistationen, welche die eigentliche Präsenz der Polizei in einem Unionsstaat darstellen und wo die Constables (Polizeibeamten) tätig sind. Grosse Städte haben eine eigene Gemeindepolizei, die von einem Commissioner geführt wird. Die Polizeikräfte der Unionsstaaten können bei Bedarf durch Einheiten des Zentralstaates verstärkt werden (siehe Kapitel 12.3. Milizen). Die Verfassung erlaubt der Zentralregierung die Teilnahme an Polizeioperationen sowie die Einrichtung des Indian Police Service (IPS). Dort werden die zukünftigen höheren Polizeibeamten der einzelnen Unionsstaaten ausgebildet. Das Central Bureau of Investigation (CBI) fungiert schliesslich als höchste indische Polizeibehörde. Sie besitzt Kontroll-, Koordinations- und Untersuchungsbefugnisse.

12.3. Milizen

Die paramilitärischen Verbände werden vom Innenministerium kontrolliert. Diese setzen sich wie folgt zusammen:

- National Security Guard (NSG) (Nationale Sicherheitspolizei). Eine aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, welche auch unter dem Namen Black Cats bekannt ist. Bestand: 7‘500 Personen.

- Rashtriya Rifles. Spezialtruppe zum Schutze der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen (counter-insurgency). Bestand: 10‘000 Personen.

- Central Reserve Police Force (CRPF) (Bundesreservepolizei). Militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze. Bestand: 125‘000 Personen.

- Border Security Force (BSF) (Bundesgrenzschutz). Ist die grösste und zugleich am besten ausgestattete Miliz. Hauptaufgabe ist der Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt, insbesondere auch gegen bewaffnete Rebellen. Bestand: 171‘000 Personen.

- Assam Rifles. Zuständig für die Grenzverteidigung im Nordosten. Bestand: 35‘000 Personen.

- Indo-Tibetan Border Force (ITBP) (Indo-Tibetische Grenzpolizei). Bestand: 29‘000 Personen.

- Coast Guard (Küstenwache). Bestand: 5‘000 Personen.

Weitere Milizen sind die Railway Protective Force zum Schutze der nationalen Eisenbahn sowie die Central Industrial Security Force, welche als Werkschutz der Staatsbetriebe funktioniert. Es handelt sich dabei um leichtbewaffnete Einheiten mit einem Gesamtbestand von schätzungsweise 100‘000 Personen. Schliesslich gibt es noch ein ‚Verteidigungssicherheitskorps‘ mit einem Bestand von 31‘000 Personen, vorwiegend bestehend aus Soldaten ausser Dienst, welche für die Bewachung von militärischen Einrichtungen eingesetzt werden.

12.4. Geheimdienste

Der Research and Analysis Wing (RAW) ist der Geheimdienst für externe Operationen. Seit 1990 ist dieser auch unter dem Namen Research and Analysis Service (RAS) bekannt. Der RAW/RAS ist direkt dem Kabinettssekretariat des Premierministers unterstellt. Das Intelligence Bureau (IB), welches dem Innenministerium unterstellt ist, funktioniert als Inland-Geheimdienst. Die einzelnen Sicherheitskräfte unterhalten in ihrem Zuständigkeitsbereich eigene Dienste zur Informationsbeschaffung. Das Joint Intelligence Committee (JIC) versucht, die Dienste des Verteidigungsministeriums und des Innenministeriums zu koordinieren.

13. Inhaftierung und Strafvollzug

Gemäss Code of Criminal Procedure (CrPC) hat die Polizei das Recht, bei Delikten, welche der Gerichtsbarkeit unterworfen sind, ohne richterliche Vollmachten Untersuchungen einzuleiten und Verhaftungen vorzunehmen. Die Polizei hat auch das Recht, Leibesvisitationen durchzuführen, wobei diese bei Frauen und bei Kindern durch Polizeibeamtinnen zu erfolgen haben. Der verantwortliche Beamte einer Polizeistation muss nach einer Verhaftung den Richter unverzüglich mit einem First Information Report (Polizeirapport) informieren. Artikel 22(1) der Verfassung verlangt, dass jeder festgenommenen Person die Haftgründe mitgeteilt werden müssen. Dieser steht auch das Recht zu, einen Anwalt beizuziehen. Gemäss Artikel 22(2) der Verfassung sowie Section 57 der CrPC muss jede verhaftete Person innerhalb von 24 Stunden einem Richter vorgeführt werden. Kann die polizeiliche Untersuchung nicht innert 24 Stunden abgeschlossen werden und bestehen weitere begründete Verdachtsmomente, muss der Beamte der Polizeistation aufgrund von Section 167 des CrPC die Untersuchungsprotokolle dem Richter vorlegen und diesem auch den Verhafteten vorführen. Der Richter kann die Untersuchungshaft jedesmal um 15 Tage verlängern. Die Untersuchungshaft darf maximal 90 Tage dauern. Der CrPC unterscheidet kautionspflichtige (bailable) und nicht kautionspflichtige (non bailable) Delikte. Im ersten Fall hat die beschuldigte Person das Recht gegen Kaution freigelassen zu werden, im zweiten Fall kann der Richter nach eigenem Ermessen eine Freilassung gegen Kaution
verfügen. Um der Gefahr von Misshandlungen während der Polizeihaft vorzubeugen, sieht Section 54 des CrPC vor, dass der Richter auf Bitte der verhafteten Person hin eine medizinische Untersuchung anordnen kann. Artikel 20(3) der Verfassung sieht zudem vor, dass Angeklagte nicht dazu gezwungen werden dürfen, als Zeugen gegen sich selber aufzutreten. Gemäss Section 25 und 26 des ‚Evidence Act‘ darf kein Geständnis, das gegenüber einem Polizeibeamten oder während der Polizeihaft gemacht wird, vor Gericht als Beweis gegen den Angeklagten selber oder eine andere Person, die wegen eines Vergehens angeklagt ist, verwendet werden. Die Verfassung lässt indes auch sogenannte Präventivhaftgesetze zu. Das System der administrativen Präventivhaft bei befürchteter Gefährdung der öffentlichen Ordnung stammt aus der Zeit der britischen Herrschaft. Der National Security Act (NSA) vom September 1980 erlaubt Vorbeugehaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu einem Jahr, von Personen, bei denen Gefahr besteht, dass sie nachteilig für die Sicherheit des Staates, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder die Aufrechterhaltung der für die Allgemeinheit wesentlichen Leistungen handeln. Eine unter dem NSA verhaftete Person muss innerhalb von 15 Tagen über die Haftgründe informiert werden. Spätestens nach sieben Wochen muss ein Beratungsausschuss (Advisory Board) über die Rechtmässigkeit der Inhaftierung befinden. Soll eine Person, die aufgrund des NSA verhaftet worden ist, freigelassen werden, muss ein Gericht ausdrücklich die Nichtigkeit der Haftgründe feststellen. Die Polizeizelle ist meist ein unmöblierter, schmutziger Raum, der zudem schlecht belüftet und beleuchtet wird. Geschlafen wird auf dem blossen Boden. Als Toilette dient ein Eimer. Die Zellen sind häufig überfüllt. Untersuchungshäftlinge haben kein Anrecht auf neue Kleider oder Toilettenartikel. Demgegenüber sind die Bedingungen in den Gefängnissen für den Strafvollzug etwas besser: Hier gibt es, abgestuft nach dem sozialem Status der Häftlinge, drei verschiedene Kategorien: In der Kategorie C ist die breite Masse der Häftlinge untergebracht. Die Zellen sind in der Regel unmöbliert und schmutzig. Das Essen, die sanitären Einrichtungen und die medizinische Betreuung sind oft mangelhaft. Zuweilen werden Gefangene in Handschellen oder in Fussfesseln gehalten. Personen mit höherer Schulbildung und Steuerzahler haben als Gefangene Anspruch, der Kategorie B zugewiesen zu werden, in der die Haftbedingungen bereits wesentlich besser sind. Die Kategorie A schliesslich ist allein prominenten Personen vorbehalten, welche auf Anweisung der Regierung in einem Einzelzimmer (meist in Gästehäusern der Regierung) untergebracht sind und sich durch die Familie versorgen lassen können. Die Gefängnisse in Indien sind überfüllt; manche sind sogar bis zur dreifachen Auslastung überbelegt.

14. Allgemeine Menschenrechtssituation

Die persönlichen Grund- und Freiheitsrechte (Meinungsäusserungs-, Versammlungs-, Vereinigungs-, Erwerbs- und Berufsausübungsfreiheit, Recht auf Freizügigkeit und freie Wohnsitzwahl) sind in der Verfassung garantiert. Die Justizbehörden sind durchaus bestrebt, der Einhaltung der gesetzlich verankerten Menschenrechte Nachachtung zu verschaffen. Diesbezüglich spielt auch die unabhängige Presse eine wichtige Rolle, welche mit kritischen Berichten das öffentliche Bewusstsein für Menschenrechtsbelange zu sensibilisieren vermag. Ebenso wichtig ist die Tätigkeit der zahlreichen Menschenrechtsorganisationen und NGOs im Lande. Der indische Alltag ist geprägt von starken Spannungen und Gegensätzen zwischen den verschiedenen sozialen Klassen, Kasten, Ethnien und Religionen. Dazu kommt ein in der Bevölkerung tief verwurzeltes Bewusstsein für eine naturgegebene Ungleichheit zwischen den Menschen. Beides zusammen begünstigt eine hohe allgemeine Gewaltbereitschaft sowie die Diskriminierung von wirtschaftlich und sozial Schwachen. Das Bestreben, im Einklang mit der Verfassung diese alltäglichen Diskriminierungen zu überwinden, ist daher ein langwieriger Prozess, der massgeblich auch von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen wird. Der Staat versucht beispielsweise, der gesellschaftlichen Diskriminierung der Dalits und der Adivasi durch gesetzliche Schutzbestimmungen sowie Quotenregelungen zugunsten der sogenannten Scheduled Castes beziehungsweise Scheduled Tribes entgegenzuwirken. Personen aus der Unterschicht werden am häufigsten Opfer von Willkür oder Menschenrechtsverletzungen. Obschon die Folter von Gesetzes wegen verboten ist und sich die Regierung dazu bereit erklärt hat, die internationale Folterkonvention zu ratifizieren, werden immer wieder Häftlinge auf Polizeistationen misshandelt oder gar gefoltert. Es sind Fälle bekannt geworden, bei welchen Häftlinge an den Misshandlungen gestorben sind oder bleibende Schäden davongetragen haben. In einzelnen Fällen wurde festgestellt, dass Frauen in Polizeihaft vergewaltigt wurden, obwohl das Gesetz, um dies zu vermeiden, vorschreibt, dass weibliche Häftlinge ausschliesslich durch Polizeibeamtinnen beaufsichtigt werden sollen. In weiteren Fällen wurde kein Festnahmerapport ausgefüllt, so dass die betroffenen Personen offiziell als ‚verschwunden‘ galten. Die Polizei ist generell schlecht ausgebildet und korrupt. Die Regierung hat eine National Human Rights Commission (NHCR) eingesetzt, um diesen Missständen entgegenzuwirken. Die Regierung ist auch gewillt, fehlbare Polizeibeamte zur Rechenschaft zu ziehen. Menschenrechtsorganisationen bemängeln allerdings, dass nur die wenigsten Verstösse tatsächlich geahndet werden. Problematisch ist die Menschenrechtssituation in Kaschmir sowie den sieben Unionsstaaten im äussersten Nordosten (Arunachal Pradesh, Assam, Manipur, Meghalaya, Mizoram, Nagaland und Tripura), in Gebieten also, wo die Sicherheitskräfte (Milizen, Armee, Polizei) einen Kampf gegen verschiedene bewaffnete Rebellenorganisationen führen. Menschenrechtsverletzungen werden in diesen Kampfgebieten durch gesetzliche Sonderermächtigungen begünstigt, wie etwa durch den Armed Forces (Special Powers) Act, welcher den Sicherheitskräften weitgehend freie Hand lässt. Gestützt auf den Jammu and Kashmir Public Safety Act (PSA) sowie dem (seit Mai 1995 ausser Kraft gesetzten, aber für alte Fälle immer noch angewendeten) Terrorist and Disruptive Activities (Prevention) Act (TADA), befinden sich im Zusammenhang mit dem Kaschmirkonflikt mehrere tausend Personen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft. Den Sicherheitskräften werden zudem schwerwiegende Vergehen (willkürliche Festnahmen, Raub, Folter, Vergewaltigung, Mord, Verschwindenlassen von Personen sowie extralegale Hinrichtungen) vorgeworfen. Gefangene werden bisweilen bei einem angeblichen ‚Gefecht‘ oder einem ‚Fluchtversuch‘ getötet. Von offizieller Seite gedeckt, operieren zudem private bewaffnete Milizen im Kontra-Guerillakampf. Diese sind ebenso wie ihre Gegenspieler, die verschiedenen bewaffneten Rebellenorganisationen, für zahlreiche Verbrechen verantwortlich. Der Schutz der Bevölkerung vor willkürlichen Übergriffen ist unter diesen Umständen nicht mehr gewährleistet. Eine mögliche Sicherheitsalternative bleibt die Verlegung des Wohnsitzes in einen ruhigen Teil des Landes. Das IKRK kann seit Ende 1995 (mit gewissen Einschränkungen) Gefangene in Kaschmir besuchen. Es führt auch Kurse über Menschenrechte bei den Sicherheitskräften durch. Die Durchführung von Parlamentswahlen im Herbst 1996 nach neun Jahren President‘s Rule in Jammu und Kaschmir stellen schliesslich den hoffnungsvollen Versuch dar, in diesem Unionsstaat einen politischen Prozess der Normalisierung einzuleiten. In den sieben nordöstlichen Unionsstaaten lebt ein Völkergemisch von assamesischen Einwohnern, bengalischen Einwanderern sowie über hundert weiteren indigenen Gruppen in einem komplexen Spannungsverhältnis zusammen. Es sind in diesem Raum mindestens 18 grössere bewaffnete Organisationen potentiell aktiv. Der Kampf der Sicherheitskräfte gegen einzelne dieser Gruppierungen hat ähnliche Auswirkungen auf die Bevölkerung wie in Kaschmir, wenn auch quantitativ gesehen auf einem tieferen Niveau. Demgegenüber ist im Punjab, wo die Sicherheitskräfte die bewaffneten Gruppen der sogenannten Khalistanbewegung bis 1993 praktisch aufgerieben haben, die Normalität weitgehend wieder zurückgekehrt. Die Polizei ist hier nun ihrerseits wegen der begangenen Menschenrechtsverletzungen unter Druck geraten. Das Central Bureau of Investigation (CBI) hat in diesem Zusammenhang auf Anweisung des Supreme Court umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Die im Februar 1997 neu gewählte Regierung im Punjab hat angekündigt, gegen fehlbare Polizisten vorzugehen und die Opfer von begangenen Menschenrechtsverletzungen zu entschädigen. Schliesslich werden der Polizei vereinzelt auch Übergriffe bei der Bekämpfung der sogenannten Naxaliten (Maoisten, welche einen bewaffneten Klassenkampf auf dem Lande führen wollen) gemeldet. Die Aktivitäten der Naxaliten sind jedoch rückläufig und beschränken sich punktuell auf Gebiete im Hinterland von Andhra Pradesh, Bihar, Orissa, Madhya Pradesh und Maharashtra.

15. Politische und religiöse Bewegungen

Die Parteienlandschaft ist geprägt von vielen Abspaltungen, Verschmelzungen, Neugründungen und Zweckbündnissen. Führungspersönlichkeiten sind oft wichtiger als politische Programme. Nur wenige Parteien sind landesweit verankert. In den neunziger Jahren haben sich im wesentlichen drei politische Blöcke herausgebildet, die sich in der Regierung ablösten: 1. Die Kongresspartei und ihre Verbündeten. 2. Die United Front (UF), eine Koalition von Mitte-Links-Parteien. 3. Die Indische Volkspartei (BJP) und ihre Verbündeten. Immer mehr geben aber Regionalparteien bei der Regierungsbildung den Ausschlag. Der Einfluss regionaler Eigeninteressen in der Innenpolitik ist daher tendenziell im Zunehmen begriffen. Als repräsentative Auswahl seien folgende Parteien aufgeführt:

- All India Congress Committee (I); (Congress; Kongress; Kongresspartei). Wurde 1885 als Indian National Congress (INC) gegründet. Die Partei war Sammelbewegung für den Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft und praktizierte unter der (inoffiziellen) Führung von Mahatma Gandhi den gewaltfreien Widerstand. Unter der Führung von Nehru wurde der Kongress nach der Unabhängigkeit 1947 zur Regierungspartei. 1969 erfolgte eine erste Spaltung in Congress-Organisation (Cong-O) und Congress-Indira (Cong-I). Das Ansehen der Partei sank auf einen Tiefpunkt, als Indira Gandhi den Notstand über Indien verhängen liess (1975-77). Eine weitere Parteispaltung auf nationaler Ebene sowie eine vernichtende Wahlniederlage gegenüber der ‚Janata-Koalition‘ waren die Folgen. Mit der Ermordung von Indira Gandhi (1984) und von Rajiv Gandhi (1991) ging die Herrschaft der Familiendynastie (Nehru-Gandhi) über den Kongress vorübergehend zu Ende. Der neue Parteivorsitzende Narashima Rao gewann zwar die Wahlen von 1991, verstrickte sich aber im Korruptionssumpf. Er wurde nach der Wahlniederlage 1996 vom Kongress fallen gelassen. Sein Nachfolger Sitaram Kesri musste schliesslich den Parteivorsitz im April 1998 an Sonia Gandhi, die Witwe von Rajiv Gandhi, abtreten. Das Parteiprogramm ist massgeblich von den sozialistischen Ideen Nehrus geprägt worden: Abschaffung der Armut, Verstaatlichung der Grund- und Schwerindustrie usw. sowie eine nicht-paktgebundene Aussenpolitik unter Anlehnung an die damalige UdSSR. Die politische Ausrichtung der Kongresspartei entwickelt sich jedoch immer mehr in Richtung liberale Marktwirtschaft.

- Tamil Maanila Congress - TMC. Regionaler Teil der Kongresspartei in Tamil Nadu, welcher sich 1996 abspaltete. Ist ein wichtiges Mitglied der Parteienkoalition United Front (UF). Führer: G.K. Moopanar.

- Bharatiya Janata Party - BJP. (Indische Volkspartei). Ist 1979 aus der sich auflösenden Janata-Koalition hervorgegangen. Verfolgt einen rechtsgerichteten, hindu-nationalistischen Kurs. Hat ihre Machtbasis vor allem in Nordindien (Hindi-Belt), wo sie in mehreren Unionsstaaten an die Regierung gelangen konnte. Hinter der BJP stehen mehrere straff geführte und teilweise auch militante Hinduorganisationen wie die Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) oder auch die Vishwa Hindu Parishad (VHP), welche massgeblich für die Zerstörung der Moschee in Ayodya im Dezember 1992 verantwortlich sind. Bei den Wahlen im April/Mai 1996 stieg die BJP zur stärksten Partei in der Volkskammer auf. Der Parteiführer Atal Behari Vajpayee wurde darauf zum Premierminister ernannt, konnte sich jedoch nur wenige Tage in diesem Amt behaupten. Nach den Wahlen im Februar/März 1998 ging die BJP erneut als stärkste Partei hervor und konnte darauf eine Koalitionsregierung bilden mit Atal Behari Vajpayee als Premierminister.

- Shiv Sena. 1967 gegründete, rechtsextreme Hindupartei mit faschistischen Zügen. Macht Propaganda gegen Moslems und schürte bereits mehrmals kommunalistische Unruhen. Hat ihre Machtbasis in Maharashtra, wo sie gemeinsam mit ihrem Bündnispartner BJP regiert. Führer: Bal Thackeray.

- Communist Party of India - CPI. 1920 gegründet. Steuerte einen pro-sowjetischen Kurs. War früher mit der Kongresspartei verbündet, wechselte dann die Seiten und gehört dem Bündnis der United Front (UF) an. Die Partei wird vom Generalsekretär Indrajit Gupta geführt.

- Communist Party of India-Marxist - CPI-M. Spaltete sich 1964 von der CPI ab und verfolgte bis 1968 eine pro-chinesische Linie. 1967 spalteten sich militante Maoisten ab und gründeten die CPI (Marxist-Leninist). Diese sind nach einem Aufstand im bengalischen Distrikt Naxalbari auch als Naxaliten bekannt geworden. Die Naxaliten sind mittlerweile in mehrere Fraktionen gespalten. Die CPI-M hat ihre Machbasis in Westbengalen, wo sie seit 1977 regiert, sowie in Kerala und Tripura. Mitglied der United Front. Führer: Jyoti Basu; Generalsekretär: Harkishen Singh Surjeet.

- All India Forward Bloc - AIFB. Linke Regionalpartei in Westbengalen. Ist dort an der Regierung beteiligt. Gehört der United Front an. Führer: Chitta Basu.

- Revolutionary Socialist Party - RSP. Ist politisch in Westbengalen, Tripura und Kerala verankert. Vertritt eine marxistisch-leninistische Ideologie. Gehört der United Front an. Generalsekretär: Tridib Chowdhury.

- Janata Dal - JD. (Volkspartei). Wurde aus einem Zusammenschluss von fünf Parteien im Mai 1977 gegründet. Setzt sich ideologisch für die unteren Schichten ein. Führte bei den Wahlen von 1989 die Koalition der National Front an und konnte darauf vorübergehend eine fragile Regierung bilden. Die Partei wurde in den folgenden Jahren durch mehrere Spaltungen geschwächt. Bei den Wahlen vom Frühling 1996 führte die JD die Linkskoalition der UF an und stellte danach mit H.D. Deve Gowda den Premierminister. Gowda musste im April 1997 zurücktreten und wurde von Inder Kumar Gujral abgelöst. Im Juni 1997 wurde gegen Parteiführer Laloo Prasad Yadav, der gleichzeitig Ministerpräsident in Bihar war, ein gerichtliches Ermittlungsverfahren wegen Korruption eingeleitet. Yadav musste darauf sowohl sein Partei- wie auch sein Regierungsamt abgeben. Er spaltete sich im Juli 1997 von der JD ab und gründete mit seinen Anhängern die Rashtriya Janata Dal (RJD) (Nationale Volkspartei). Neuer Parteiführer der JD wurde Sharad Yadav. Im November 1997 musste die Regierung von Gujral aufgeben, weil sie die Unterstützung durch eine Mehrheit im Parlament verloren hatte. Die durch Spaltungen geschwächte Partei erlitt darauf bei den Wahlen im Frühjahr 1998 eine empfindliche Niederlage.

- Samajwadi Party - SP. 1992 als Splitterpartei der JD hervorgegangen mit lokaler Verankerung in Uttar Pradesh. Gehört der United Front an. Führer: Mulayam Singh Yadav.

- Samata Party - SAP. (Gleichheitspartei) 1994 als Splitterpartei der JD hervorgegangen mit lokaler Verankerung in Bihar. Wird vom sozialistischen Veteranen und Gewerkschaftsführer George Fernandez geleitet. Dieser schloss sich 1998 der BJP-Regierung an und wurde dafür mit dem Amt des Verteidigungsministers belohnt.

- Bajujan Samaj Party - BSP. Vertritt die Harijans (‚Unberührbahre‘). Hat eine politische Verankerung in Uttar Pradesh, wo sie von 1993 bis 1995 in der Regierung vertreten war. Die BSP ist auch in den Parlamenten im Punjab und in Madhya Pradesh vertreten. Führer: Kanshi Ram.

- Telugu Desam Party - TDP. 1982 gegründete, linke Regionalpartei in Andhra Pradesh. Spaltete sich 1995 in die Fraktionen von Chandrababu Naidu und von Lakhsmi Parvati, der Witwe des ehemaligen Führers N.T. Rama Rao, auf. Die Fraktion von Naidu gehört der United Front an.

- Dravida Munnetra Kazhagam - DMK. (Dravidische progressive Föderation). 1949 gegründete regionale Tamilenpartei, welche gegen das Hindi als offizielle Sprache kämpfte und weitgehende Autonomie für Tamil Nadu forderte. 1972 spaltete sich die All-India Anna Dravida Munnetra Kazhagam (AIADMK) von der DMK ab. Beide wechselten sich in der Folge als Regierungspartei in Tamil Nadu ab. Die Regionalwahlen von 1996 gewann die DMK, welche der United Front angehört. Parteiführer Muthuvel Karunanidhi übernahm darauf zum zweiten Mal das Amt des Ministerpräsidenten in diesem Unionsstaat. Die AIADMK ihrerseits gewann bei den Lok Sabha-Wahlen 1998 die meisten Sitze von Tamil Nadu. Die Parteiführerin Jayaram Jayalalitha, gegen die mehrere Gerichtsverfahren wegen Korruption hängig sind, beteiligte sich darauf am Regierungsbündnis mit der BJP und versucht von dieser Position her, Karunanidhi von seiner Macht in Tamil Nadu zu verdrängen.

- Asom Gana Parishad - AGP. (Volksrat von Assam). 1985 gegründete Regionalpartei in Assam. Kehrte 1996 in diesem Unionsstaat erneut an die Macht zurück. Gehört der United Front an. Führer: Prafullo Kumar Mohanta.

- Indian Union Muslim League - IUML. Die Wurzeln der Partei gehen in die Zeit der britischen Herrschaft zurück. Nach der Teilung des indischen Subkontinentes hat die Muslim League in Indien nie eine bedeutende Rolle gespielt. Die Partei ist vor allem im Süden des Landes mit Schwerpunkt in Kerala verwurzelt.

  Im Punjab, wo die Sikhs einen Bevölkerungsanteil von über 50% haben, sind nebst den traditionellen Parteien folgende politische Gruppierungen dieser Glaubensgemeinschaft aktiv:

- Shiromani Akali Dal - SAD. (auch: Akali Dal - AD). Wurde 1920 als Erneuerungsbewegung der Sikhs gegründet. Setzte sich nach der Unabhängigkeit erfolgreich für die Schaffung des Punjabs als eigenständigen Unionsstaat ein. Die Partei geriet zunehmend in einen scharfen Gegensatz zur Kongresspartei und stellte 1973 mit der ‚Anandpur Sahib Resolution‘ einen programmatischen Forderungskatalog gegenüber der Zentralregierung auf. Sie verlor in den achtziger Jahren durch zahlreiche interne Spaltungen sowie durch das Aufkommen der militanten Khalistan-Bewegung an politischem Einfluss. In den neunziger Jahren gelang es Parkash Singh Badal die meisten Fraktionen unter seiner Führung wieder zu vereinigen. Die Partei gewann bei den Wahlen im Februar 1997 mit 75 von 117 möglichen Sitzen die Mehrheit im Punjab-Parlament. Badal steht als Chefminister einer Koalitionsregierung mit der BJP vor.

- Akali Dal - Mann - AD-M. Radikale Fraktion der Akali Dal unter der Führung von Simranjit Singh Mann, dem gute Kontakte zu den militanten Kräften der Khalistan-Bewegung nachgesagt wurden. Seine Fraktion erwies sich bei den Wahlen für die Lok Sabha im November 1989 noch als stärkste politische Kraft der Sikhs, vermochte aber bei den Parlamentswahlen im Punjab vom 7.2.1997 nur einen einzigen Sitz zu gewinnen.

- All India Sikh Students Federation - AISSF. Wurde 1944 als Jugend- und Studentenorganisation der Akali Dal gegründet. Unter der Führung von Amrik Singh begann sich die Organisation in den siebziger Jahren zu radikalisieren. In den achtziger Jahren schlossen sich viele Mitglieder dem bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Khalistan an. Die AISSF war deswegen zwischen März 1984 und April 1985 sogar vorübergehend verboten. Amrik Singh wurde bei der Erstürmung des Goldenen Tempels durch die Armee am 6.6.1984 getötet. Die Organisation wurde in der Folge durch zahlreiche interne Spaltungen geschwächt und verlor ihren eigenständigen politischen Einfluss weitgehend. Die AISSF gilt heute wieder als eine rein politische Nachwuchsorganisation der Akali Dal.

Die militanten Bewegungen im Punjab wurden von den Sicherheitskräften bis Ende 1993 praktisch eliminiert. Von den wenigen Rebellen, die übrig geblieben sind, haben sich die meisten ins Ausland abgesetzt. Nach diesen wird namentlich gefahndet. In diesem eingeschränkten Rahmen gelten noch folgende Organisationen als aktiv:

- Babbar Khalsa. Wurde im April 1978 gegründet. Der Führer Sukhdev Singh Babbar wurde am 9.8.1992 von der Polizei erschossen. Die übrig gebliebene Gruppe wird von Wadhawa Singh und Mahal Singh geführt.

- Khalistan Commando Force - KCF. Bildete sich nach der Erstürmung des Goldenen Tempels im Juni 1984. Zerfiel in zahlreiche Fraktionen, welche sich teilweise gegenseitig dezimierten. Übrig geblieben sind zwei Fraktionen: Die eine steht unter der Führung von Parmjit Singh Panjwar, die andere von Wassan Singh Zaffarwal.

- Khalistan Liberation Force - KLF. Wurde im Sommer 1988 von Avtar Singh Brahma als Abspaltung der KCF gegründet. Brahma starb bereits im Jahr darauf. Seit Juli 1992 gilt Dr. Pritam Singh Sekon als Führer der KLF.

In Jammu und Kaschmir sind folgende lokale politischen Gruppierungen von Bedeutung:

- Jammu and Kashmir National Conference - JKNC. Ging 1938 aus der Muslim Conference hervor. Die Partei tritt dafür ein, dass Jammu und Kaschmir mehr Autonomierechte erhalten und dafür im indischen Staatsverband bleiben. Nach der Staatsgründung erreichte der Parteiführer Sheikh Abdullah, dass in Artikel 370 der indischen Verfassung ein besonderer Status für Jammu und Kaschmir anerkannt wird. Sein Sohn Farooq Abdullah übernahm 1981 die Parteiführung. Als er nach einer manipulierten Wahl 1987 zum dritten Mal Chefminister wurde, verlor er den Rückhalt in der Bevölkerung. Dies führte bis 1990 zum Aufschwung von verschiedenen bewaffneten Organisationen. Abdullah wurde von der Zentralregierung abgesetzt und Jammu und Kaschmir unter President‘s Rule gestellt. Erst im September 1996 fanden wieder Wahlen für das Regionalparlament statt. Die JKNC gewann dabei mit 59 von 87 möglichen Sitzen die absolute Mehrheit und Farooq Abdullah wurde am 9.10.1996 wieder als Chefminister eingesetzt.

- All-Party Freedom - Hurriyat; Conference. Eine Sammelbewegung von etwa 30 verschiedenen Oppositionsgruppierungen, welche die Durchführung eines Plebiszites in Jammu und Kaschmir verlangen, worin sich das Volk für die Unabhängigkeit beziehungsweise für den Anschluss an Indien oder Pakistan aussprechen kann. Die ‚Hurriyat‘ hat die Wahlen vom September 1996 boykottiert. Einzelne Gruppierungen der Bewegung sind unter sich äusserst zerstritten. Vorsitzender: Umar Farooq.

- Jammu Kashmir Liberation Front - JKLF. Ist aus der 1965 gegründeten Jammu Kashmir National Liberation Front (NLF) hervorgegangen. Der Gründer und Führer Maqbul Butt wurde am 11.2.1984 in Indien hingerichtet. Das Datum gilt seither in Pakistan, wo sich eine Zentrale der JKLF unter dem Vorsitz von Amanullah Khan befindet, als offizieller Gedenktag. Die Organisation kämpft für die vollständige Unabhängigkeit des ehemaligen Fürstengebietes von Kaschmir. Sie vertritt dabei ein säkulares Staatsideal. Mohammad Yasin Malik, der charismatische Führer der JKLF in Indien, wurde am 6.8.1990 festgenommen und während der Haft gefoltert. Er wurde 1994 von den Behörden wieder freigelassen, in der Hoffnung, dass die JKLF für eine politische Kompromisslösung Hand bieten könnte.

- Hisbul Mujahideen - HM. Vertritt eine fundamentalistisch-muslimische Ideologie und kämpft für einen Anschluss an Pakistan. Geniesst daher von dort massive Unterstützung. Bekämpft die JKLF als rivalisierende Organisation. Gilt als die stärkste der verschiedenen bewaffneten islamistischen Gruppierungen, deren Verbindungen untereinander nicht klar ersichtlich sind. So tritt seit 1993 die Harakat ul-Ansar unter der Führung von Maulana Mohammad Farooq in Erscheinung. Diese unterhält sehr enge Verbindungen zur Jamiat Ulema-i-Islam (JUI) in Pakistan und deren militante Ableger, der Sipah-i-Sahaba, sowie der Taliban in Afghanistan. Die Gruppe Al-Faran, welche im Sommer 1995 mehrere ausländische Touristen entführt (und wahrscheinlich alle getötet) hat, gilt als Tarnorganisation der Harakat ul-Ansar, welche im Oktober 1997 von den USA auf die Liste der terroristischen Organisationen gesetzt wurde.

Quelle: Asien, Kleines Nachschlagewerk, Berlin 1987
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